rer Sterndeuter, die Sonne in den Widder tritt. Ihr Jahr wird in zwölf Monate, oder vielmehr in dreyzehn Monden eingetheilt; und mit der Eintheilung ihrer Zeit hat es auch eine andere Bewandniß, als bey uns Europäern. Sie theilen sowohl den Tag als die Nacht in vier Theile ein, die sie Pores nennen, und je- der Pore wird wieder in acht Theile getheilt, die sie Gris nennen. Diese Theile der Zeit, werden nach der alten Art mit Wasser abgemes- sen, das aus einem Gefäß in ein anderes trau- felt; und wenn das Gefäß leer ist, so füllt es ein dazu bestellter Mann wieder an, und schlägt sodann die Zahl der vergangenen Pores und Gris mit einem Hammer auf ein hohles Stück Metall, das an einem Drate aufgehängt ist, einen tiefen Ton hat, und sehr weit gehört wer- den kann. Diese Zeitmesser sind aber unter ih- nen eben nicht gemein.
Aus der Bauart macht man in Indien gar nicht viel. Die Armen können keine große und prächtige Gebäude aufführen, und die Reichen denken gar nicht daran, dergleichen zu versuchen. Die Ursache hiervon ist diese, weil sie von der Mitte des Septembers an bis gegen die Mitte des Aprils in Gezelten leben, die sie, so oft sie es wegen der Veränderung der [L]uft für gut be- finden, von einem Orte zum andern bringen lassen; und theils, weil sie keine Erbgüter ha- ben, sondern blos und allein von den Jahrgel-
dern
rer Sterndeuter, die Sonne in den Widder tritt. Ihr Jahr wird in zwoͤlf Monate, oder vielmehr in dreyzehn Monden eingetheilt; und mit der Eintheilung ihrer Zeit hat es auch eine andere Bewandniß, als bey uns Europaͤern. Sie theilen ſowohl den Tag als die Nacht in vier Theile ein, die ſie Pores nennen, und je- der Pore wird wieder in acht Theile getheilt, die ſie Gris nennen. Dieſe Theile der Zeit, werden nach der alten Art mit Waſſer abgemeſ- ſen, das aus einem Gefaͤß in ein anderes trau- felt; und wenn das Gefaͤß leer iſt, ſo fuͤllt es ein dazu beſtellter Mann wieder an, und ſchlaͤgt ſodann die Zahl der vergangenen Pores und Gris mit einem Hammer auf ein hohles Stuͤck Metall, das an einem Drate aufgehaͤngt iſt, einen tiefen Ton hat, und ſehr weit gehoͤrt wer- den kann. Dieſe Zeitmeſſer ſind aber unter ih- nen eben nicht gemein.
Aus der Bauart macht man in Indien gar nicht viel. Die Armen koͤnnen keine große und praͤchtige Gebaͤude auffuͤhren, und die Reichen denken gar nicht daran, dergleichen zu verſuchen. Die Urſache hiervon iſt dieſe, weil ſie von der Mitte des Septembers an bis gegen die Mitte des Aprils in Gezelten leben, die ſie, ſo oft ſie es wegen der Veraͤnderung der [L]uft fuͤr gut be- finden, von einem Orte zum andern bringen laſſen; und theils, weil ſie keine Erbguͤter ha- ben, ſondern blos und allein von den Jahrgel-
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[410/0436]
rer Sterndeuter, die Sonne in den Widder
tritt. Ihr Jahr wird in zwoͤlf Monate, oder
vielmehr in dreyzehn Monden eingetheilt; und
mit der Eintheilung ihrer Zeit hat es auch eine
andere Bewandniß, als bey uns Europaͤern.
Sie theilen ſowohl den Tag als die Nacht in
vier Theile ein, die ſie Pores nennen, und je-
der Pore wird wieder in acht Theile getheilt,
die ſie Gris nennen. Dieſe Theile der Zeit,
werden nach der alten Art mit Waſſer abgemeſ-
ſen, das aus einem Gefaͤß in ein anderes trau-
felt; und wenn das Gefaͤß leer iſt, ſo fuͤllt es
ein dazu beſtellter Mann wieder an, und ſchlaͤgt
ſodann die Zahl der vergangenen Pores und
Gris mit einem Hammer auf ein hohles Stuͤck
Metall, das an einem Drate aufgehaͤngt iſt,
einen tiefen Ton hat, und ſehr weit gehoͤrt wer-
den kann. Dieſe Zeitmeſſer ſind aber unter ih-
nen eben nicht gemein.
Aus der Bauart macht man in Indien gar
nicht viel. Die Armen koͤnnen keine große und
praͤchtige Gebaͤude auffuͤhren, und die Reichen
denken gar nicht daran, dergleichen zu verſuchen.
Die Urſache hiervon iſt dieſe, weil ſie von der
Mitte des Septembers an bis gegen die Mitte
des Aprils in Gezelten leben, die ſie, ſo oft ſie
es wegen der Veraͤnderung der Luft fuͤr gut be-
finden, von einem Orte zum andern bringen
laſſen; und theils, weil ſie keine Erbguͤter ha-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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