denselben gastronomischen Geschmack zu haben. Nie- mand genießt Suppe, die ohne besondere Vorausbe- stellung gar nicht zu haben ist, (der Grund warum mich mein alter sächsischer Bedienter verließ, welcher behauptete, in solcher Barbarei, ohne Suppe! nicht länger existiren zu können). Ein großer Braten wird gewöhnlich von Einem zum Andern gebracht, um sich beliebig davon abzuschneiden, und zugleich im Was- fer gekochte Kartoffeln, und anders eben so zuberei- tetes Gemüse, nebst einer plat de menage voll Essen- zen, auf jeden Tisch gestellt, dazu Bier eingeschenkt, und damit hat in der Regel die Hauptmahlzeit ein Ende; nur die Luxuriösen essen vorher noch Fisch. Aber nun folgt die wesentliche zweite Station. Das Tischtuch wird abgenommen, reines Besteck aufgelegt, Wein und ein frisches Glas gebracht, nebst ein Paar elenden Aepfeln oder Birnen, mit steinharten Schiff- biscuits, und jetzt erst scheint sich der Tafelnde recht bequem festzusetzen. Seine Miene nimmt den Aus- druck der Behaglichkeit an, und scheinbar in tiefes Sinnen verloren, hinten übergelegt, und unverrückt vor sich hinstarrend, läßt er von Zeit zu Zeit einen Schluck aus seinem Glase bedächtig hinabgleiten, die Todtenstille nur unterbrechend, indem er gelegentlich eins der Felsenbiscuits mühsam zermalmt. Ist der Wein vollendet, so folgt noch eine dritte Station: die des Verdauens. Hier hört alle Bewegung auf, der Gesättigte verfällt in eine Art magnetischen Schlafs, den bloß die offnen Augen vom wirklichen unter- scheiden. Nachdem so ohngefähr eine halbe oder
denſelben gaſtronomiſchen Geſchmack zu haben. Nie- mand genießt Suppe, die ohne beſondere Vorausbe- ſtellung gar nicht zu haben iſt, (der Grund warum mich mein alter ſächſiſcher Bedienter verließ, welcher behauptete, in ſolcher Barbarei, ohne Suppe! nicht länger exiſtiren zu können). Ein großer Braten wird gewöhnlich von Einem zum Andern gebracht, um ſich beliebig davon abzuſchneiden, und zugleich im Waſ- fer gekochte Kartoffeln, und anders eben ſo zuberei- tetes Gemüſe, nebſt einer plat de ménage voll Eſſen- zen, auf jeden Tiſch geſtellt, dazu Bier eingeſchenkt, und damit hat in der Regel die Hauptmahlzeit ein Ende; nur die Luxuriöſen eſſen vorher noch Fiſch. Aber nun folgt die weſentliche zweite Station. Das Tiſchtuch wird abgenommen, reines Beſteck aufgelegt, Wein und ein friſches Glas gebracht, nebſt ein Paar elenden Aepfeln oder Birnen, mit ſteinharten Schiff- biscuits, und jetzt erſt ſcheint ſich der Tafelnde recht bequem feſtzuſetzen. Seine Miene nimmt den Aus- druck der Behaglichkeit an, und ſcheinbar in tiefes Sinnen verloren, hinten übergelegt, und unverrückt vor ſich hinſtarrend, läßt er von Zeit zu Zeit einen Schluck aus ſeinem Glaſe bedächtig hinabgleiten, die Todtenſtille nur unterbrechend, indem er gelegentlich eins der Felſenbiscuits mühſam zermalmt. Iſt der Wein vollendet, ſo folgt noch eine dritte Station: die des Verdauens. Hier hört alle Bewegung auf, der Geſättigte verfällt in eine Art magnetiſchen Schlafs, den bloß die offnen Augen vom wirklichen unter- ſcheiden. Nachdem ſo ohngefähr eine halbe oder
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denſelben gaſtronomiſchen Geſchmack zu haben. Nie-
mand genießt Suppe, die ohne beſondere Vorausbe-
ſtellung gar nicht zu haben iſt, (der Grund warum
mich mein alter ſächſiſcher Bedienter verließ, welcher
behauptete, in ſolcher Barbarei, ohne Suppe! nicht
länger exiſtiren zu können). Ein großer Braten wird
gewöhnlich von Einem zum Andern gebracht, um ſich
beliebig davon abzuſchneiden, und zugleich im Waſ-
fer gekochte Kartoffeln, und anders eben ſo zuberei-
tetes Gemüſe, nebſt einer plat de ménage voll Eſſen-
zen, auf jeden Tiſch geſtellt, dazu Bier eingeſchenkt,
und damit hat in der Regel die Hauptmahlzeit ein
Ende; nur die Luxuriöſen eſſen vorher noch Fiſch.
Aber nun folgt die weſentliche zweite Station. Das
Tiſchtuch wird abgenommen, reines Beſteck aufgelegt,
Wein und ein friſches Glas gebracht, nebſt ein Paar
elenden Aepfeln oder Birnen, mit ſteinharten Schiff-
biscuits, und jetzt erſt ſcheint ſich der Tafelnde recht
bequem feſtzuſetzen. Seine Miene nimmt den Aus-
druck der Behaglichkeit an, und ſcheinbar in tiefes
Sinnen verloren, hinten übergelegt, und unverrückt
vor ſich hinſtarrend, läßt er von Zeit zu Zeit einen
Schluck aus ſeinem Glaſe bedächtig hinabgleiten, die
Todtenſtille nur unterbrechend, indem er gelegentlich
eins der Felſenbiscuits mühſam zermalmt. Iſt der
Wein vollendet, ſo folgt noch eine dritte Station: die
des Verdauens. Hier hört alle Bewegung auf, der
Geſättigte verfällt in eine Art magnetiſchen Schlafs,
den bloß die offnen Augen vom wirklichen unter-
ſcheiden. Nachdem ſo ohngefähr eine halbe oder
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/230>, abgerufen am 26.11.2024.
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