auf einen Tisch sprang, eine fulminante Rede hielt, die großen Applaus erlangte, und so die Ruhe wie- der herstellte.
Bei Lady M ..... aß ich zu Mittag. Sie hatte mich durch ein Billet eingeladen, wie ich deren wohl ein Dutzend während meines Aufenthalts von ihr bekam, und die ich als charakteristisch anführen muß, da ich nie in meinem Leben von einer Dame calli- graphisch schlechter geschriebene, und im Styl vernach- läßigtere Billets gesehen habe. Offenbar zeigte sich hier die Absichtlichkeit der großen Schriftstellerin, die möglichste insouciance, den vollständigsten abandon im gewöhnlichen Leben zu bekunden, wie die großen Solotänzer in Paris, während dem pantomimischen Theil ihres Auftretens, affektiren, einwärts zu gehen, um den Tänzer von Profession nicht zu verrathen. Bei Tisch machte Lady M ... mit ihrem schon er- wähnten Adjutanten K. Cl. die Hauptfrais alles obligaten Witzes, auch Herr Shiel zeigte sich aimable, und als Mann von Welt. Am amüsantesten aber fand ich Lady M ... und ihre Schwester Abends im Sprüchwörterspiel, das beide vortrefflich in französi- scher Sprache extemporirten. So stellten sie unter andern, Love me, love my dog, (Liebst Du mich, so liebst Du meinen Hund) folgendermaßen dar. Personen: Lady M ..... eine alte Coquette, Lady C. ein irländischer fortune hunter (Glücksjäger), ihre älteste Tochter die französische Kammerjungfer, und die jüngste Tochter ein Garde-Capitaine, Lieb-
auf einen Tiſch ſprang, eine fulminante Rede hielt, die großen Applaus erlangte, und ſo die Ruhe wie- der herſtellte.
Bei Lady M ..... aß ich zu Mittag. Sie hatte mich durch ein Billet eingeladen, wie ich deren wohl ein Dutzend während meines Aufenthalts von ihr bekam, und die ich als charakteriſtiſch anführen muß, da ich nie in meinem Leben von einer Dame calli- graphiſch ſchlechter geſchriebene, und im Styl vernach- läßigtere Billets geſehen habe. Offenbar zeigte ſich hier die Abſichtlichkeit der großen Schriftſtellerin, die möglichſte insouciance, den vollſtändigſten abandon im gewöhnlichen Leben zu bekunden, wie die großen Solotänzer in Paris, während dem pantomimiſchen Theil ihres Auftretens, affektiren, einwärts zu gehen, um den Tänzer von Profeſſion nicht zu verrathen. Bei Tiſch machte Lady M … mit ihrem ſchon er- wähnten Adjutanten K. Cl. die Hauptfrais alles obligaten Witzes, auch Herr Shiel zeigte ſich aimable, und als Mann von Welt. Am amüſanteſten aber fand ich Lady M … und ihre Schweſter Abends im Sprüchwörterſpiel, das beide vortrefflich in franzöſi- ſcher Sprache extemporirten. So ſtellten ſie unter andern, Love me, love my dog, (Liebſt Du mich, ſo liebſt Du meinen Hund) folgendermaßen dar. Perſonen: Lady M ..... eine alte Coquette, Lady C. ein irländiſcher fortune hunter (Glücksjäger), ihre älteſte Tochter die franzöſiſche Kammerjungfer, und die jüngſte Tochter ein Garde-Capitaine, Lieb-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="197"/>
auf einen Tiſch ſprang, eine fulminante Rede hielt,<lb/>
die großen Applaus erlangte, und ſo die Ruhe wie-<lb/>
der herſtellte.</p><lb/><p>Bei Lady M ..... aß ich zu Mittag. Sie hatte<lb/>
mich durch ein Billet eingeladen, wie ich deren wohl<lb/>
ein Dutzend während meines Aufenthalts von ihr<lb/>
bekam, und die ich als charakteriſtiſch anführen muß,<lb/>
da ich nie in meinem Leben von einer Dame calli-<lb/>
graphiſch ſchlechter geſchriebene, und im Styl vernach-<lb/>
läßigtere Billets geſehen habe. Offenbar zeigte ſich<lb/>
hier die Abſichtlichkeit der großen Schriftſtellerin, die<lb/>
möglichſte <hirendition="#aq">insouciance,</hi> den vollſtändigſten <hirendition="#aq">abandon</hi> im<lb/>
gewöhnlichen Leben zu bekunden, wie die großen<lb/>
Solotänzer in Paris, während dem pantomimiſchen<lb/>
Theil ihres Auftretens, affektiren, einwärts zu gehen,<lb/>
um den Tänzer von Profeſſion nicht zu verrathen.<lb/>
Bei Tiſch machte Lady M … mit ihrem ſchon er-<lb/>
wähnten Adjutanten K. Cl. die Hauptfrais alles<lb/>
obligaten Witzes, auch Herr Shiel zeigte ſich aimable,<lb/>
und als Mann von Welt. Am amüſanteſten aber<lb/>
fand ich Lady M … und ihre Schweſter Abends im<lb/>
Sprüchwörterſpiel, das beide vortrefflich in franzöſi-<lb/>ſcher Sprache extemporirten. So ſtellten ſie unter<lb/>
andern, <hirendition="#aq">Love me, love my dog,</hi> (Liebſt Du mich,<lb/>ſo liebſt Du meinen Hund) folgendermaßen dar.<lb/>
Perſonen: Lady M ..... eine alte Coquette, Lady C.<lb/>
ein irländiſcher <hirendition="#aq">fortune hunter</hi> (Glücksjäger), ihre<lb/>
älteſte Tochter die franzöſiſche Kammerjungfer,<lb/>
und die jüngſte Tochter ein Garde-Capitaine, Lieb-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[197/0219]
auf einen Tiſch ſprang, eine fulminante Rede hielt,
die großen Applaus erlangte, und ſo die Ruhe wie-
der herſtellte.
Bei Lady M ..... aß ich zu Mittag. Sie hatte
mich durch ein Billet eingeladen, wie ich deren wohl
ein Dutzend während meines Aufenthalts von ihr
bekam, und die ich als charakteriſtiſch anführen muß,
da ich nie in meinem Leben von einer Dame calli-
graphiſch ſchlechter geſchriebene, und im Styl vernach-
läßigtere Billets geſehen habe. Offenbar zeigte ſich
hier die Abſichtlichkeit der großen Schriftſtellerin, die
möglichſte insouciance, den vollſtändigſten abandon im
gewöhnlichen Leben zu bekunden, wie die großen
Solotänzer in Paris, während dem pantomimiſchen
Theil ihres Auftretens, affektiren, einwärts zu gehen,
um den Tänzer von Profeſſion nicht zu verrathen.
Bei Tiſch machte Lady M … mit ihrem ſchon er-
wähnten Adjutanten K. Cl. die Hauptfrais alles
obligaten Witzes, auch Herr Shiel zeigte ſich aimable,
und als Mann von Welt. Am amüſanteſten aber
fand ich Lady M … und ihre Schweſter Abends im
Sprüchwörterſpiel, das beide vortrefflich in franzöſi-
ſcher Sprache extemporirten. So ſtellten ſie unter
andern, Love me, love my dog, (Liebſt Du mich,
ſo liebſt Du meinen Hund) folgendermaßen dar.
Perſonen: Lady M ..... eine alte Coquette, Lady C.
ein irländiſcher fortune hunter (Glücksjäger), ihre
älteſte Tochter die franzöſiſche Kammerjungfer,
und die jüngſte Tochter ein Garde-Capitaine, Lieb-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/219>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.