Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493. Vorschrift, daß alsdann der ältere Bruder desverstorbenen Churfürsten über dessen minderjährigen Sohn bis zu seinem zurückgelegten achtzehnten Jah- re die Vormunoschaft führen solle; (wie auf solche Art noch, als das neueste Beyspiel, der Prinz Xavier von Sachsen über den jetzigen Chur- fürsten von Sachsen einige Jahre die Vormund- schaft geführet hat.) Vermuthlich hatte es damit die Meynung, die Sache dergestalt anzuordnen, damit auch auf den Fall, wenn ein Vater, ohne eine Verordnung über die Vormundschaft seiner Kin- der zu hinterlaßen, stürbe, es doch nie an einem gesetz- lich bestimmten Vormunde fehlen möchte. Daß ein Vater nicht befugt bleiben sollte, wie es allen ge- meinen Rechten gemäß ist, seinen Kindern selbst einen Vormund auszuersehen, mag wohl nicht die Absicht der goldenen Bulle gewesen seyn. Den- noch ist nachher im Churhause Pfalz zweymal nach einander Streit darüber gewesen, da einmal ein Lutherischer testamentarischer Vormund zurückstehen müßen, ein andermal ein reformirter testamenta- rischer Vormund vor einem Lutherischen nähern Stammsvetter den Vorzug behalten hat (m). Vie- le behaupten deswegen noch jetzt, daß in chur- fürstlichen Häusern keine testamentarische Vormund- schaft statt finde. Daß nicht des Minderjährigen Mutter oder Großmutter, sondern ein Stamms- vetter die Vormundschaft führen solle, scheint frey- lich eine Hauptabsicht bey dieser Verordnung der goldenen Bulle gewesen zu seyn. Den (m) Mein Handbuch von den besonderen Teut-
schen Staaten S. 390. 394. III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493. Vorſchrift, daß alsdann der aͤltere Bruder desverſtorbenen Churfuͤrſten uͤber deſſen minderjaͤhrigen Sohn bis zu ſeinem zuruͤckgelegten achtzehnten Jah- re die Vormunoſchaft fuͤhren ſolle; (wie auf ſolche Art noch, als das neueſte Beyſpiel, der Prinz Xavier von Sachſen uͤber den jetzigen Chur- fuͤrſten von Sachſen einige Jahre die Vormund- ſchaft gefuͤhret hat.) Vermuthlich hatte es damit die Meynung, die Sache dergeſtalt anzuordnen, damit auch auf den Fall, wenn ein Vater, ohne eine Verordnung uͤber die Vormundſchaft ſeiner Kin- der zu hinterlaßen, ſtuͤrbe, es doch nie an einem geſetz- lich beſtimmten Vormunde fehlen moͤchte. Daß ein Vater nicht befugt bleiben ſollte, wie es allen ge- meinen Rechten gemaͤß iſt, ſeinen Kindern ſelbſt einen Vormund auszuerſehen, mag wohl nicht die Abſicht der goldenen Bulle geweſen ſeyn. Den- noch iſt nachher im Churhauſe Pfalz zweymal nach einander Streit daruͤber geweſen, da einmal ein Lutheriſcher teſtamentariſcher Vormund zuruͤckſtehen muͤßen, ein andermal ein reformirter teſtamenta- riſcher Vormund vor einem Lutheriſchen naͤhern Stammsvetter den Vorzug behalten hat (m). Vie- le behaupten deswegen noch jetzt, daß in chur- fuͤrſtlichen Haͤuſern keine teſtamentariſche Vormund- ſchaft ſtatt finde. Daß nicht des Minderjaͤhrigen Mutter oder Großmutter, ſondern ein Stamms- vetter die Vormundſchaft fuͤhren ſolle, ſcheint frey- lich eine Hauptabſicht bey dieſer Verordnung der goldenen Bulle geweſen zu ſeyn. Den (m) Mein Handbuch von den beſonderen Teut-
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III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493.
Vorſchrift, daß alsdann der aͤltere Bruder des
verſtorbenen Churfuͤrſten uͤber deſſen minderjaͤhrigen
Sohn bis zu ſeinem zuruͤckgelegten achtzehnten Jah-
re die Vormunoſchaft fuͤhren ſolle; (wie auf
ſolche Art noch, als das neueſte Beyſpiel, der
Prinz Xavier von Sachſen uͤber den jetzigen Chur-
fuͤrſten von Sachſen einige Jahre die Vormund-
ſchaft gefuͤhret hat.) Vermuthlich hatte es damit
die Meynung, die Sache dergeſtalt anzuordnen,
damit auch auf den Fall, wenn ein Vater, ohne
eine Verordnung uͤber die Vormundſchaft ſeiner Kin-
der zu hinterlaßen, ſtuͤrbe, es doch nie an einem geſetz-
lich beſtimmten Vormunde fehlen moͤchte. Daß ein
Vater nicht befugt bleiben ſollte, wie es allen ge-
meinen Rechten gemaͤß iſt, ſeinen Kindern ſelbſt
einen Vormund auszuerſehen, mag wohl nicht die
Abſicht der goldenen Bulle geweſen ſeyn. Den-
noch iſt nachher im Churhauſe Pfalz zweymal nach
einander Streit daruͤber geweſen, da einmal ein
Lutheriſcher teſtamentariſcher Vormund zuruͤckſtehen
muͤßen, ein andermal ein reformirter teſtamenta-
riſcher Vormund vor einem Lutheriſchen naͤhern
Stammsvetter den Vorzug behalten hat (m). Vie-
le behaupten deswegen noch jetzt, daß in chur-
fuͤrſtlichen Haͤuſern keine teſtamentariſche Vormund-
ſchaft ſtatt finde. Daß nicht des Minderjaͤhrigen
Mutter oder Großmutter, ſondern ein Stamms-
vetter die Vormundſchaft fuͤhren ſolle, ſcheint frey-
lich eine Hauptabſicht bey dieſer Verordnung der
goldenen Bulle geweſen zu ſeyn.
Den
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