Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.4) Carl IV. -- Sigism. 1356-1414. Regierung des Teutschen Reichs, das nun schonmeist in lauter besondere Staaten vertheilet war, wovon er nur die Ehre hatte, das höchste Ober- haupt zu seyn. Wer wollte es also Carl dem IV. verdenken, wenn er seine größte Aufmerksamkeit auf sein Königreich Böhmen wandte? Wie war es zu verhüten, daß nicht ein Kaiser seines Hau- ses und Landes Vortheil auch durch die Kaiser- würde zu befördern suchen sollte, um z. B. aus seinen Haus- und Landeskriegen, wenn sichs thun ließ, Reichskriege zu machen? Oder wie war es zu ändern, daß, wenn die Rücksicht auf die Kai- serwürde mit dem Staatsinteresse der Erblande in Collision kam, dieses nicht oft das Uebergewicht bekommen sollte? (Auch von anderen Nationen und neueren Zeiten kann es zwar Fälle geben, daß z. B. ein König in Polen zugleich Churfürst von Sachsen war. Aber da war es doch bloß zufällig, indem die Polnische Nation ihrem Könige doch noch Kron- einkünfte anweisen kann, die ihm eigne Erbländer entbehrlich machen. Aber für das Teutsche Reich ist es in der Folge noch immer wesentlicher gewor- den, daß es kein anderes Oberhaupt wehlen kann, als einen Herrn, der eigne Kräfte hat, um seine Würde behaupten zu können.) Ein anderer Umstand, der jetzt anfieng merk-V. kei- R 5
4) Carl IV. — Sigism. 1356-1414. Regierung des Teutſchen Reichs, das nun ſchonmeiſt in lauter beſondere Staaten vertheilet war, wovon er nur die Ehre hatte, das hoͤchſte Ober- haupt zu ſeyn. Wer wollte es alſo Carl dem IV. verdenken, wenn er ſeine groͤßte Aufmerkſamkeit auf ſein Koͤnigreich Boͤhmen wandte? Wie war es zu verhuͤten, daß nicht ein Kaiſer ſeines Hau- ſes und Landes Vortheil auch durch die Kaiſer- wuͤrde zu befoͤrdern ſuchen ſollte, um z. B. aus ſeinen Haus- und Landeskriegen, wenn ſichs thun ließ, Reichskriege zu machen? Oder wie war es zu aͤndern, daß, wenn die Ruͤckſicht auf die Kai- ſerwuͤrde mit dem Staatsintereſſe der Erblande in Colliſion kam, dieſes nicht oft das Uebergewicht bekommen ſollte? (Auch von anderen Nationen und neueren Zeiten kann es zwar Faͤlle geben, daß z. B. ein Koͤnig in Polen zugleich Churfuͤrſt von Sachſen war. Aber da war es doch bloß zufaͤllig, indem die Polniſche Nation ihrem Koͤnige doch noch Kron- einkuͤnfte anweiſen kann, die ihm eigne Erblaͤnder entbehrlich machen. Aber fuͤr das Teutſche Reich iſt es in der Folge noch immer weſentlicher gewor- den, daß es kein anderes Oberhaupt wehlen kann, als einen Herrn, der eigne Kraͤfte hat, um ſeine Wuͤrde behaupten zu koͤnnen.) Ein anderer Umſtand, der jetzt anfieng merk-V. kei- R 5
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4) Carl IV. — Sigism. 1356-1414.
Regierung des Teutſchen Reichs, das nun ſchon
meiſt in lauter beſondere Staaten vertheilet war,
wovon er nur die Ehre hatte, das hoͤchſte Ober-
haupt zu ſeyn. Wer wollte es alſo Carl dem IV.
verdenken, wenn er ſeine groͤßte Aufmerkſamkeit
auf ſein Koͤnigreich Boͤhmen wandte? Wie war
es zu verhuͤten, daß nicht ein Kaiſer ſeines Hau-
ſes und Landes Vortheil auch durch die Kaiſer-
wuͤrde zu befoͤrdern ſuchen ſollte, um z. B. aus
ſeinen Haus- und Landeskriegen, wenn ſichs thun
ließ, Reichskriege zu machen? Oder wie war es
zu aͤndern, daß, wenn die Ruͤckſicht auf die Kai-
ſerwuͤrde mit dem Staatsintereſſe der Erblande in
Colliſion kam, dieſes nicht oft das Uebergewicht
bekommen ſollte? (Auch von anderen Nationen und
neueren Zeiten kann es zwar Faͤlle geben, daß z. B.
ein Koͤnig in Polen zugleich Churfuͤrſt von Sachſen
war. Aber da war es doch bloß zufaͤllig, indem
die Polniſche Nation ihrem Koͤnige doch noch Kron-
einkuͤnfte anweiſen kann, die ihm eigne Erblaͤnder
entbehrlich machen. Aber fuͤr das Teutſche Reich
iſt es in der Folge noch immer weſentlicher gewor-
den, daß es kein anderes Oberhaupt wehlen kann,
als einen Herrn, der eigne Kraͤfte hat, um ſeine
Wuͤrde behaupten zu koͤnnen.)
Ein anderer Umſtand, der jetzt anfieng merk-
lich zu werden, und in der Folge noch groͤßere
Veraͤnderungen hervorgebracht hat, beſtand in
Standeserhoͤhungen, die aus kaiſerlicher Ge-
walt, wie man ſie als die hoͤchſte Quelle aller
Wuͤrden anſah, jetzt immer haͤufiger in Gang ka-
men. Von aͤlteren Zeiten her waren eigentlich
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