Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. dazu bedurfte es an den meisten Orten nicht so-viele und so reiche Klöster, als würklich vorhanden waren. Das übrige konnte selbst der wahren Ab- sicht der Urheber solcher Stiftungen gemäßer ange- wandt werden, wenn man sich angelegen seyn ließ, Kirchen und Schulen in Städten und Dörfern desto besser zu besetzen. Von dem bisherigen Kloster- leben sah man ohnedem je länger je mehr ein, daß man demselben in Ansehung der damit angeblich verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienst- lichkeit in Absicht auf die ewige Seligkeit einen ganz ungegründeten Werth beygelegt hatte. XIII. Was die Klostergelübde, insonderheit in An- keit
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. dazu bedurfte es an den meiſten Orten nicht ſo-viele und ſo reiche Kloͤſter, als wuͤrklich vorhanden waren. Das uͤbrige konnte ſelbſt der wahren Ab- ſicht der Urheber ſolcher Stiftungen gemaͤßer ange- wandt werden, wenn man ſich angelegen ſeyn ließ, Kirchen und Schulen in Staͤdten und Doͤrfern deſto beſſer zu beſetzen. Von dem bisherigen Kloſter- leben ſah man ohnedem je laͤnger je mehr ein, daß man demſelben in Anſehung der damit angeblich verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienſt- lichkeit in Abſicht auf die ewige Seligkeit einen ganz ungegruͤndeten Werth beygelegt hatte. XIII. Was die Kloſtergeluͤbde, inſonderheit in An- keit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0414" n="380"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Neuere Zeit. Carl <hi rendition="#aq">V.</hi> 1519-1558.</hi></fw><lb/> dazu bedurfte es an den meiſten Orten nicht ſo-<lb/> viele und ſo reiche Kloͤſter, als wuͤrklich vorhanden<lb/> waren. Das uͤbrige konnte ſelbſt der wahren Ab-<lb/> ſicht der Urheber ſolcher Stiftungen gemaͤßer ange-<lb/> wandt werden, wenn man ſich angelegen ſeyn ließ,<lb/> Kirchen und Schulen in Staͤdten und Doͤrfern deſto<lb/> beſſer zu beſetzen. Von dem bisherigen Kloſter-<lb/> leben ſah man ohnedem je laͤnger je mehr ein, daß<lb/> man demſelben in Anſehung der damit angeblich<lb/> verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienſt-<lb/> lichkeit in Abſicht auf die ewige Seligkeit einen<lb/> ganz ungegruͤndeten Werth beygelegt hatte.</p><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#aq">XIII.</hi> </note> <p>Was die <hi rendition="#fr">Kloſtergeluͤbde,</hi> inſonderheit in An-<lb/> ſehung des eheloſen Standes, und deren Unauf-<lb/> loͤslichkeit auf Zeitlebens anbetraf, da beſann man<lb/> ſich endlich ebenfalls, daß ſolche Geluͤbde unmoͤg-<lb/> lich Gott gefaͤllig und alſo rechtsbeſtaͤndig ſeyn<lb/> koͤnnten, nicht nur weil ſie großentheils mehr aus<lb/> Zwang und Beſtimmung der Eltern oder Ver-<lb/> wandten, als aus eigner Wahl und Ueberlegung<lb/> geſchahen, ſondern auch darum, weil ein jedes<lb/> ſolches Geluͤbde in der That ein Vorgriff in die<lb/> Wege der Vorſehung war, von deren Leitung bil-<lb/> lig jeder Menſch erſt in der Folge ſeines Lebens<lb/> Veranlaßung gnug erwarten kann, ob er heirathen<lb/> oder ob er im eheloſen Stande bleiben ſoll; ohne<lb/> zu gedenken, was bey Perſonen, die nur durch<lb/> ſolche Geluͤbde von Heirathen zuruͤckgehalten wer-<lb/> den, fuͤr Unmuth, Verzweiflung, und wer weiß<lb/> was fuͤr entgegengeſetzte Abwege daraus erwachſen<lb/> koͤnnen, und was auf der andern Seite durch ſo-<lb/> viele der Bevoͤlkerung entzogene und aus aller ſo-<lb/> wohl dem Staate als der Kirche nuͤtzlichen Thaͤtig-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [380/0414]
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
dazu bedurfte es an den meiſten Orten nicht ſo-
viele und ſo reiche Kloͤſter, als wuͤrklich vorhanden
waren. Das uͤbrige konnte ſelbſt der wahren Ab-
ſicht der Urheber ſolcher Stiftungen gemaͤßer ange-
wandt werden, wenn man ſich angelegen ſeyn ließ,
Kirchen und Schulen in Staͤdten und Doͤrfern deſto
beſſer zu beſetzen. Von dem bisherigen Kloſter-
leben ſah man ohnedem je laͤnger je mehr ein, daß
man demſelben in Anſehung der damit angeblich
verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienſt-
lichkeit in Abſicht auf die ewige Seligkeit einen
ganz ungegruͤndeten Werth beygelegt hatte.
Was die Kloſtergeluͤbde, inſonderheit in An-
ſehung des eheloſen Standes, und deren Unauf-
loͤslichkeit auf Zeitlebens anbetraf, da beſann man
ſich endlich ebenfalls, daß ſolche Geluͤbde unmoͤg-
lich Gott gefaͤllig und alſo rechtsbeſtaͤndig ſeyn
koͤnnten, nicht nur weil ſie großentheils mehr aus
Zwang und Beſtimmung der Eltern oder Ver-
wandten, als aus eigner Wahl und Ueberlegung
geſchahen, ſondern auch darum, weil ein jedes
ſolches Geluͤbde in der That ein Vorgriff in die
Wege der Vorſehung war, von deren Leitung bil-
lig jeder Menſch erſt in der Folge ſeines Lebens
Veranlaßung gnug erwarten kann, ob er heirathen
oder ob er im eheloſen Stande bleiben ſoll; ohne
zu gedenken, was bey Perſonen, die nur durch
ſolche Geluͤbde von Heirathen zuruͤckgehalten wer-
den, fuͤr Unmuth, Verzweiflung, und wer weiß
was fuͤr entgegengeſetzte Abwege daraus erwachſen
koͤnnen, und was auf der andern Seite durch ſo-
viele der Bevoͤlkerung entzogene und aus aller ſo-
wohl dem Staate als der Kirche nuͤtzlichen Thaͤtig-
keit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |