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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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3) Religionsbegebenheiten 1525.
keit gesetzte Personen dem gemeinen Wesen für
jetzige und künftige Zeiten entgieng. Aus solchen
und anderen Gründen fieng man nun nach und
nach an, den völligen Ungrund der Klostergelübde
zu behaupten. Hatte bisher der Pabst sich doch
vorbehalten, allenfalls Dispensation darüber zu er-
theilen, so hielt sich jetzt jede Obrigkeit berechtiget
zu erklären, daß ein jeder es auf sein Gewissen neh-
men könne, sich eines solchen Gelübdes zu entsagen.

Wer wollte es nun einem Landgrafen PhilippXIV.
verdenken, wenn er in seinem ganzen Lande alle
Klöster öffnete; Mönchen und Nonnen, die her-
ausgehen wollten, ihre Freyheit gab; diejenigen,
die zu nützlichen Diensten sich gebrauchen laßen
wollten und konnten, soviel sich thun ließ, ihren
Umständen gemäß ansetzte; andern auf Zeitlebens
Gnadengehalte anwies; und nun für die Zukunft
ganz andere Einrichtungen machte? Denn nun
wurden vors erste für ganz Hessen vier Hospitäler
für gebrechliche und unversorgte Personen (zu Hei-
na, Marxhausen, Hofheim und Grunau) gestiftet.
Sodann wurde zu Marburg eine neue Universität
errichtet. Und das übrige wurde zu Besoldungen
für Pfarrer und Schullehrer verwandt. Auf glei-
che Art gieng man in Sachsen und nach und nach
in mehr evangelischen Ländern, wie auch in vielen
Reichsstädten zu Werke. Also kein Gedanke, die
eingezogenen Klostergüter in Cammergüter zu ver-
wandeln, oder zu Ausgaben der Höfe, zum Krie-
ge, zur Jagd, zum Staate u. s. w. anzuwenden!
So wenig besteht mit dem wahren Verlaufe der
Geschichte der Vorwurf, den manche der ganzen
Reformation machen wollen, als ob große Herren

durch

3) Religionsbegebenheiten 1525.
keit geſetzte Perſonen dem gemeinen Weſen fuͤr
jetzige und kuͤnftige Zeiten entgieng. Aus ſolchen
und anderen Gruͤnden fieng man nun nach und
nach an, den voͤlligen Ungrund der Kloſtergeluͤbde
zu behaupten. Hatte bisher der Pabſt ſich doch
vorbehalten, allenfalls Dispenſation daruͤber zu er-
theilen, ſo hielt ſich jetzt jede Obrigkeit berechtiget
zu erklaͤren, daß ein jeder es auf ſein Gewiſſen neh-
men koͤnne, ſich eines ſolchen Geluͤbdes zu entſagen.

Wer wollte es nun einem Landgrafen PhilippXIV.
verdenken, wenn er in ſeinem ganzen Lande alle
Kloͤſter oͤffnete; Moͤnchen und Nonnen, die her-
ausgehen wollten, ihre Freyheit gab; diejenigen,
die zu nuͤtzlichen Dienſten ſich gebrauchen laßen
wollten und konnten, ſoviel ſich thun ließ, ihren
Umſtaͤnden gemaͤß anſetzte; andern auf Zeitlebens
Gnadengehalte anwies; und nun fuͤr die Zukunft
ganz andere Einrichtungen machte? Denn nun
wurden vors erſte fuͤr ganz Heſſen vier Hoſpitaͤler
fuͤr gebrechliche und unverſorgte Perſonen (zu Hei-
na, Marxhauſen, Hofheim und Grunau) geſtiftet.
Sodann wurde zu Marburg eine neue Univerſitaͤt
errichtet. Und das uͤbrige wurde zu Beſoldungen
fuͤr Pfarrer und Schullehrer verwandt. Auf glei-
che Art gieng man in Sachſen und nach und nach
in mehr evangeliſchen Laͤndern, wie auch in vielen
Reichsſtaͤdten zu Werke. Alſo kein Gedanke, die
eingezogenen Kloſterguͤter in Cammerguͤter zu ver-
wandeln, oder zu Ausgaben der Hoͤfe, zum Krie-
ge, zur Jagd, zum Staate u. ſ. w. anzuwenden!
So wenig beſteht mit dem wahren Verlaufe der
Geſchichte der Vorwurf, den manche der ganzen
Reformation machen wollen, als ob große Herren

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[381/0415] 3) Religionsbegebenheiten 1525. keit geſetzte Perſonen dem gemeinen Weſen fuͤr jetzige und kuͤnftige Zeiten entgieng. Aus ſolchen und anderen Gruͤnden fieng man nun nach und nach an, den voͤlligen Ungrund der Kloſtergeluͤbde zu behaupten. Hatte bisher der Pabſt ſich doch vorbehalten, allenfalls Dispenſation daruͤber zu er- theilen, ſo hielt ſich jetzt jede Obrigkeit berechtiget zu erklaͤren, daß ein jeder es auf ſein Gewiſſen neh- men koͤnne, ſich eines ſolchen Geluͤbdes zu entſagen. Wer wollte es nun einem Landgrafen Philipp verdenken, wenn er in ſeinem ganzen Lande alle Kloͤſter oͤffnete; Moͤnchen und Nonnen, die her- ausgehen wollten, ihre Freyheit gab; diejenigen, die zu nuͤtzlichen Dienſten ſich gebrauchen laßen wollten und konnten, ſoviel ſich thun ließ, ihren Umſtaͤnden gemaͤß anſetzte; andern auf Zeitlebens Gnadengehalte anwies; und nun fuͤr die Zukunft ganz andere Einrichtungen machte? Denn nun wurden vors erſte fuͤr ganz Heſſen vier Hoſpitaͤler fuͤr gebrechliche und unverſorgte Perſonen (zu Hei- na, Marxhauſen, Hofheim und Grunau) geſtiftet. Sodann wurde zu Marburg eine neue Univerſitaͤt errichtet. Und das uͤbrige wurde zu Beſoldungen fuͤr Pfarrer und Schullehrer verwandt. Auf glei- che Art gieng man in Sachſen und nach und nach in mehr evangeliſchen Laͤndern, wie auch in vielen Reichsſtaͤdten zu Werke. Alſo kein Gedanke, die eingezogenen Kloſterguͤter in Cammerguͤter zu ver- wandeln, oder zu Ausgaben der Hoͤfe, zum Krie- ge, zur Jagd, zum Staate u. ſ. w. anzuwenden! So wenig beſteht mit dem wahren Verlaufe der Geſchichte der Vorwurf, den manche der ganzen Reformation machen wollen, als ob große Herren durch XIV.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/415>, abgerufen am 22.11.2024.