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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.

VII.

Doch das Ausschreiben, das der Kaiser noch
von Bologna aus unterm 21. Jan. 1530. zu ei-
nem Reichstage nach Augsburg erließ, flößte den
Protestanten neuen Muth ein, da der Kaiser in
gar gnädigen Ausdrücken sich erklärte: "Er sey
gesonnen, persönlich zu erscheinen, eines jeglichen
Gutdünken der Religion halber in Liebe und Güt-
lichkeit zu hören, und allen Fleiß anzuwenden, um
die unterschiedenen Meynungen zu vergleichen."
Die evangelischen Reichsstände sahen dieses als eine
Aufforderung an, dem Kaiser ihr Glaubensbe-
kenntniß
vorzulegen. Sie folgten dem Winke
desto williger, je mehr sie schon erfahren hatten,
daß fast keine Art von Ketzerey zu erdenken war,
die man ihnen nicht zur Last gelegt hätte. Man
hatte, insonderheit in entfernteren Gegenden, die
Protestanten häufig als Leute beschrieben, die we-
der Gott, noch Himmel und Hölle glaubten. Also
war diese Gelegenheit ganz erwünscht, um durch
ein so feierlich als möglich abzulegendes Glaubens-
bekenntniß sowohl Kaiser und Reich als die ganze
Welt in Stand zu setzen, den eigentlichen Inhalt
ihrer Lehre näher und zuverläßiger erkennen zu
können. Insonderheit hatten die Evangelischen
Ursache, der Welt zu zeigen, wie sie alle in der
Bibel gegründete Lehren des Christenthums, zu
welchen sich auch die Catholischen bekannten, völ-
lig beybehielten, damit man sie nicht ferner, wie
bisher vielfältig geschehen war, mit anderen Secten
vermengen, oder gar für Uncatholische oder Un-
christen achten möchte. Dann aber mußten sie
freylich auch zu erkennen geben, in welchen Stücken
und aus welchen Gründen sie sich genöthiget sähen,
von den bisherigen Lehren und Grundsätzen der

Rö-
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.

VII.

Doch das Ausſchreiben, das der Kaiſer noch
von Bologna aus unterm 21. Jan. 1530. zu ei-
nem Reichstage nach Augsburg erließ, floͤßte den
Proteſtanten neuen Muth ein, da der Kaiſer in
gar gnaͤdigen Ausdruͤcken ſich erklaͤrte: ”Er ſey
geſonnen, perſoͤnlich zu erſcheinen, eines jeglichen
Gutduͤnken der Religion halber in Liebe und Guͤt-
lichkeit zu hoͤren, und allen Fleiß anzuwenden, um
die unterſchiedenen Meynungen zu vergleichen.”
Die evangeliſchen Reichsſtaͤnde ſahen dieſes als eine
Aufforderung an, dem Kaiſer ihr Glaubensbe-
kenntniß
vorzulegen. Sie folgten dem Winke
deſto williger, je mehr ſie ſchon erfahren hatten,
daß faſt keine Art von Ketzerey zu erdenken war,
die man ihnen nicht zur Laſt gelegt haͤtte. Man
hatte, inſonderheit in entfernteren Gegenden, die
Proteſtanten haͤufig als Leute beſchrieben, die we-
der Gott, noch Himmel und Hoͤlle glaubten. Alſo
war dieſe Gelegenheit ganz erwuͤnſcht, um durch
ein ſo feierlich als moͤglich abzulegendes Glaubens-
bekenntniß ſowohl Kaiſer und Reich als die ganze
Welt in Stand zu ſetzen, den eigentlichen Inhalt
ihrer Lehre naͤher und zuverlaͤßiger erkennen zu
koͤnnen. Inſonderheit hatten die Evangeliſchen
Urſache, der Welt zu zeigen, wie ſie alle in der
Bibel gegruͤndete Lehren des Chriſtenthums, zu
welchen ſich auch die Catholiſchen bekannten, voͤl-
lig beybehielten, damit man ſie nicht ferner, wie
bisher vielfaͤltig geſchehen war, mit anderen Secten
vermengen, oder gar fuͤr Uncatholiſche oder Un-
chriſten achten moͤchte. Dann aber mußten ſie
freylich auch zu erkennen geben, in welchen Stuͤcken
und aus welchen Gruͤnden ſie ſich genoͤthiget ſaͤhen,
von den bisherigen Lehren und Grundſaͤtzen der

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[390/0424] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. Doch das Ausſchreiben, das der Kaiſer noch von Bologna aus unterm 21. Jan. 1530. zu ei- nem Reichstage nach Augsburg erließ, floͤßte den Proteſtanten neuen Muth ein, da der Kaiſer in gar gnaͤdigen Ausdruͤcken ſich erklaͤrte: ”Er ſey geſonnen, perſoͤnlich zu erſcheinen, eines jeglichen Gutduͤnken der Religion halber in Liebe und Guͤt- lichkeit zu hoͤren, und allen Fleiß anzuwenden, um die unterſchiedenen Meynungen zu vergleichen.” Die evangeliſchen Reichsſtaͤnde ſahen dieſes als eine Aufforderung an, dem Kaiſer ihr Glaubensbe- kenntniß vorzulegen. Sie folgten dem Winke deſto williger, je mehr ſie ſchon erfahren hatten, daß faſt keine Art von Ketzerey zu erdenken war, die man ihnen nicht zur Laſt gelegt haͤtte. Man hatte, inſonderheit in entfernteren Gegenden, die Proteſtanten haͤufig als Leute beſchrieben, die we- der Gott, noch Himmel und Hoͤlle glaubten. Alſo war dieſe Gelegenheit ganz erwuͤnſcht, um durch ein ſo feierlich als moͤglich abzulegendes Glaubens- bekenntniß ſowohl Kaiſer und Reich als die ganze Welt in Stand zu ſetzen, den eigentlichen Inhalt ihrer Lehre naͤher und zuverlaͤßiger erkennen zu koͤnnen. Inſonderheit hatten die Evangeliſchen Urſache, der Welt zu zeigen, wie ſie alle in der Bibel gegruͤndete Lehren des Chriſtenthums, zu welchen ſich auch die Catholiſchen bekannten, voͤl- lig beybehielten, damit man ſie nicht ferner, wie bisher vielfaͤltig geſchehen war, mit anderen Secten vermengen, oder gar fuͤr Uncatholiſche oder Un- chriſten achten moͤchte. Dann aber mußten ſie freylich auch zu erkennen geben, in welchen Stuͤcken und aus welchen Gruͤnden ſie ſich genoͤthiget ſaͤhen, von den bisherigen Lehren und Grundſaͤtzen der Roͤ-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/424>, abgerufen am 22.11.2024.