der Landeshoheit, sondern der ihm von seiner Landschaft ausdrücklich oder stillschweigend über- tragenen kirchlichen Gewalt.
Von demjenigen, was auf solche Art ein evan-X. gelischer Landesherr über seine Unterthanen von eben der Religion auszuüben hat, kann deswegen kein Schluß gemacht werden, daß nach evangeli- schen Grundsätzen einer jeden höchsten Gewalt von selbsten alle die Rechte zukämen. Viel weniger kann ein catholischer Landesherr, der evangeli- sche Unterthanen hat, begehren, daß solche Unter- thanen, die nicht mit ihm gleicher Religion sind, eben solche Rechte auch ihm gestatten sollen.
Aus eben der Ursache können auch dem KaiserXI. und den Reichsgerichten dergleichen Rechte über evangelische Reichsstände und Unterthanen nicht beygelegt werden. Weder durch den Religions- frieden noch sonst sind ihnen weitere Rechte beyge- legt worden, als die sie vor der Religionstrennung hatten. Da war aber an eine kaiserliche oder reichsgerichtliche geistliche Gerichtbarkeit gar nicht zu denken. Man kann auch nicht sagen, daß sie in Ansehung der Protestanten von selbsten wieder aufgelebt wäre, wie sie etwa ehedem Carl der Große gehabt haben möchte. Denn Carl der Große hat doch nie dergleichen Rechte anders als über seine eigne Glaubensgenossen auszuüben gehabt. Hier ist die Frage, was ein catholischer Kaiser über evangelische Mitglieder des Reichs für Rechte be- gehren könne? Ueberhaupt ist bey einer Revi- viscenz solcher Rechte, die von mehreren Jahrhun- derten her wieder herbeygeholet werden sollen, nach
einer
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7) Relig. Fr. 1555. b) geiſtl. Gerichtb.
der Landeshoheit, ſondern der ihm von ſeiner Landſchaft ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend uͤber- tragenen kirchlichen Gewalt.
Von demjenigen, was auf ſolche Art ein evan-X. geliſcher Landesherr uͤber ſeine Unterthanen von eben der Religion auszuuͤben hat, kann deswegen kein Schluß gemacht werden, daß nach evangeli- ſchen Grundſaͤtzen einer jeden hoͤchſten Gewalt von ſelbſten alle die Rechte zukaͤmen. Viel weniger kann ein catholiſcher Landesherr, der evangeli- ſche Unterthanen hat, begehren, daß ſolche Unter- thanen, die nicht mit ihm gleicher Religion ſind, eben ſolche Rechte auch ihm geſtatten ſollen.
Aus eben der Urſache koͤnnen auch dem KaiſerXI. und den Reichsgerichten dergleichen Rechte uͤber evangeliſche Reichsſtaͤnde und Unterthanen nicht beygelegt werden. Weder durch den Religions- frieden noch ſonſt ſind ihnen weitere Rechte beyge- legt worden, als die ſie vor der Religionstrennung hatten. Da war aber an eine kaiſerliche oder reichsgerichtliche geiſtliche Gerichtbarkeit gar nicht zu denken. Man kann auch nicht ſagen, daß ſie in Anſehung der Proteſtanten von ſelbſten wieder aufgelebt waͤre, wie ſie etwa ehedem Carl der Große gehabt haben moͤchte. Denn Carl der Große hat doch nie dergleichen Rechte anders als uͤber ſeine eigne Glaubensgenoſſen auszuuͤben gehabt. Hier iſt die Frage, was ein catholiſcher Kaiſer uͤber evangeliſche Mitglieder des Reichs fuͤr Rechte be- gehren koͤnne? Ueberhaupt iſt bey einer Revi- viſcenz ſolcher Rechte, die von mehreren Jahrhun- derten her wieder herbeygeholet werden ſollen, nach
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7) Relig. Fr. 1555. b) geiſtl. Gerichtb.
der Landeshoheit, ſondern der ihm von ſeiner
Landſchaft ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend uͤber-
tragenen kirchlichen Gewalt.
Von demjenigen, was auf ſolche Art ein evan-
geliſcher Landesherr uͤber ſeine Unterthanen von
eben der Religion auszuuͤben hat, kann deswegen
kein Schluß gemacht werden, daß nach evangeli-
ſchen Grundſaͤtzen einer jeden hoͤchſten Gewalt von
ſelbſten alle die Rechte zukaͤmen. Viel weniger
kann ein catholiſcher Landesherr, der evangeli-
ſche Unterthanen hat, begehren, daß ſolche Unter-
thanen, die nicht mit ihm gleicher Religion ſind,
eben ſolche Rechte auch ihm geſtatten ſollen.
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Aus eben der Urſache koͤnnen auch dem Kaiſer
und den Reichsgerichten dergleichen Rechte uͤber
evangeliſche Reichsſtaͤnde und Unterthanen nicht
beygelegt werden. Weder durch den Religions-
frieden noch ſonſt ſind ihnen weitere Rechte beyge-
legt worden, als die ſie vor der Religionstrennung
hatten. Da war aber an eine kaiſerliche oder
reichsgerichtliche geiſtliche Gerichtbarkeit gar nicht
zu denken. Man kann auch nicht ſagen, daß ſie
in Anſehung der Proteſtanten von ſelbſten wieder
aufgelebt waͤre, wie ſie etwa ehedem Carl der Große
gehabt haben moͤchte. Denn Carl der Große
hat doch nie dergleichen Rechte anders als uͤber
ſeine eigne Glaubensgenoſſen auszuuͤben gehabt.
Hier iſt die Frage, was ein catholiſcher Kaiſer uͤber
evangeliſche Mitglieder des Reichs fuͤr Rechte be-
gehren koͤnne? Ueberhaupt iſt bey einer Revi-
viſcenz ſolcher Rechte, die von mehreren Jahrhun-
derten her wieder herbeygeholet werden ſollen, nach
einer
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/453>, abgerufen am 23.11.2024.
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