Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
heilsameren und gemeinnützigeren Absichten ver-
wandt werden, wie nicht nur in unseren Tagen,
sondern auch schon von langen Zeiten her catholi-
sche Mächte und selbst geistliche Stände in ihren
Ländern dergleichen Veränderungen häufig vorge-
nommen haben. An manchen Orten war es selbst
mit Zufriedenheit der Ordensleute oder Stiftsper-
sonen, oder wenigstens mit ihrer hinlänglichen bil-
ligmäßigen Versorgung geschehen. Oder Fürsten
und Landschaften waren doch darüber einstimmig
gewesen. Was hatte also im Grunde ein Dritter
dabey zu erinnern?


II.

Hatten die Kronen Frankreich, Spanien, Por-
tugall kein Recht sich darum zu bekümmern, wenn
in Dänemark, Schweden, England mit den Klö-
stern und geistlichen Stiftungen Aenderungen vor-
genommen wurden; -- oder konnten die catholi-
schen Cantons in der Schweiz nicht verhindern,
wenn dergleichen Veränderungen in den evangeli-
schen Cantons vorgiengen --; und haben endlich
in unseren Tagen andere Reichsstände so wenig als
der Kaiser etwas dabey zu erinnern gehabt, noch
haben können, wenn im Hildesheimischen, Mün-
sterischen, Mainzischen und Oesterreichischen Klö-
ster aufgehoben und zu anderen Zwecken verwandt
worden sind; -- was war dann dagegen zu sagen,
wenn im XVI. Jahrhunderte evangelische Stände
sich angelegen seyn ließen, schon damals solche Ver-
änderungen vorzunehmen, die erst nach 200. und
mehr Jahren noch jetzt von catholischen Mächten
und Reichsständen geschehen? -- Doch damals
wurde es den evangelischen Reichsständen, wo
nicht als ein Sacrilegium, doch als ein Spolium,

an-

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
heilſameren und gemeinnuͤtzigeren Abſichten ver-
wandt werden, wie nicht nur in unſeren Tagen,
ſondern auch ſchon von langen Zeiten her catholi-
ſche Maͤchte und ſelbſt geiſtliche Staͤnde in ihren
Laͤndern dergleichen Veraͤnderungen haͤufig vorge-
nommen haben. An manchen Orten war es ſelbſt
mit Zufriedenheit der Ordensleute oder Stiftsper-
ſonen, oder wenigſtens mit ihrer hinlaͤnglichen bil-
ligmaͤßigen Verſorgung geſchehen. Oder Fuͤrſten
und Landſchaften waren doch daruͤber einſtimmig
geweſen. Was hatte alſo im Grunde ein Dritter
dabey zu erinnern?


II.

Hatten die Kronen Frankreich, Spanien, Por-
tugall kein Recht ſich darum zu bekuͤmmern, wenn
in Daͤnemark, Schweden, England mit den Kloͤ-
ſtern und geiſtlichen Stiftungen Aenderungen vor-
genommen wurden; — oder konnten die catholi-
ſchen Cantons in der Schweiz nicht verhindern,
wenn dergleichen Veraͤnderungen in den evangeli-
ſchen Cantons vorgiengen —; und haben endlich
in unſeren Tagen andere Reichsſtaͤnde ſo wenig als
der Kaiſer etwas dabey zu erinnern gehabt, noch
haben koͤnnen, wenn im Hildesheimiſchen, Muͤn-
ſteriſchen, Mainziſchen und Oeſterreichiſchen Kloͤ-
ſter aufgehoben und zu anderen Zwecken verwandt
worden ſind; — was war dann dagegen zu ſagen,
wenn im XVI. Jahrhunderte evangeliſche Staͤnde
ſich angelegen ſeyn ließen, ſchon damals ſolche Ver-
aͤnderungen vorzunehmen, die erſt nach 200. und
mehr Jahren noch jetzt von catholiſchen Maͤchten
und Reichsſtaͤnden geſchehen? — Doch damals
wurde es den evangeliſchen Reichsſtaͤnden, wo
nicht als ein Sacrilegium, doch als ein Spolium,

an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0456" n="422"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Neuere Zeit. Carl <hi rendition="#aq">V.</hi> 1519-1558.</hi></fw><lb/>
heil&#x017F;ameren und gemeinnu&#x0364;tzigeren Ab&#x017F;ichten ver-<lb/>
wandt werden, wie nicht nur in un&#x017F;eren Tagen,<lb/>
&#x017F;ondern auch &#x017F;chon von langen Zeiten her catholi-<lb/>
&#x017F;che Ma&#x0364;chte und &#x017F;elb&#x017F;t gei&#x017F;tliche Sta&#x0364;nde in ihren<lb/>
La&#x0364;ndern dergleichen Vera&#x0364;nderungen ha&#x0364;ufig vorge-<lb/>
nommen haben. An manchen Orten war es &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit Zufriedenheit der Ordensleute oder Stiftsper-<lb/>
&#x017F;onen, oder wenig&#x017F;tens mit ihrer hinla&#x0364;nglichen bil-<lb/>
ligma&#x0364;ßigen Ver&#x017F;orgung ge&#x017F;chehen. Oder Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
und Land&#x017F;chaften waren doch daru&#x0364;ber ein&#x017F;timmig<lb/>
gewe&#x017F;en. Was hatte al&#x017F;o im Grunde ein Dritter<lb/>
dabey zu erinnern?</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">II.</hi> </note>
          <p>Hatten die Kronen Frankreich, Spanien, Por-<lb/>
tugall kein Recht &#x017F;ich darum zu beku&#x0364;mmern, wenn<lb/>
in Da&#x0364;nemark, Schweden, England mit den Klo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tern und gei&#x017F;tlichen Stiftungen Aenderungen vor-<lb/>
genommen wurden; &#x2014; oder konnten die catholi-<lb/>
&#x017F;chen Cantons in der Schweiz nicht verhindern,<lb/>
wenn dergleichen Vera&#x0364;nderungen in den evangeli-<lb/>
&#x017F;chen Cantons vorgiengen &#x2014;; und haben endlich<lb/>
in un&#x017F;eren Tagen andere Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;o wenig als<lb/>
der Kai&#x017F;er etwas dabey zu erinnern gehabt, noch<lb/>
haben ko&#x0364;nnen, wenn im Hildesheimi&#x017F;chen, Mu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;teri&#x017F;chen, Mainzi&#x017F;chen und Oe&#x017F;terreichi&#x017F;chen Klo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ter aufgehoben und zu anderen Zwecken verwandt<lb/>
worden &#x017F;ind; &#x2014; was war dann dagegen zu &#x017F;agen,<lb/>
wenn im <hi rendition="#aq">XVI.</hi> Jahrhunderte evangeli&#x017F;che Sta&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;ich angelegen &#x017F;eyn ließen, &#x017F;chon damals &#x017F;olche Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen vorzunehmen, die er&#x017F;t nach 200. und<lb/>
mehr Jahren noch jetzt von catholi&#x017F;chen Ma&#x0364;chten<lb/>
und Reichs&#x017F;ta&#x0364;nden ge&#x017F;chehen? &#x2014; Doch damals<lb/>
wurde es den evangeli&#x017F;chen Reichs&#x017F;ta&#x0364;nden, wo<lb/>
nicht als ein Sacrilegium, doch als ein Spolium,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0456] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. heilſameren und gemeinnuͤtzigeren Abſichten ver- wandt werden, wie nicht nur in unſeren Tagen, ſondern auch ſchon von langen Zeiten her catholi- ſche Maͤchte und ſelbſt geiſtliche Staͤnde in ihren Laͤndern dergleichen Veraͤnderungen haͤufig vorge- nommen haben. An manchen Orten war es ſelbſt mit Zufriedenheit der Ordensleute oder Stiftsper- ſonen, oder wenigſtens mit ihrer hinlaͤnglichen bil- ligmaͤßigen Verſorgung geſchehen. Oder Fuͤrſten und Landſchaften waren doch daruͤber einſtimmig geweſen. Was hatte alſo im Grunde ein Dritter dabey zu erinnern? Hatten die Kronen Frankreich, Spanien, Por- tugall kein Recht ſich darum zu bekuͤmmern, wenn in Daͤnemark, Schweden, England mit den Kloͤ- ſtern und geiſtlichen Stiftungen Aenderungen vor- genommen wurden; — oder konnten die catholi- ſchen Cantons in der Schweiz nicht verhindern, wenn dergleichen Veraͤnderungen in den evangeli- ſchen Cantons vorgiengen —; und haben endlich in unſeren Tagen andere Reichsſtaͤnde ſo wenig als der Kaiſer etwas dabey zu erinnern gehabt, noch haben koͤnnen, wenn im Hildesheimiſchen, Muͤn- ſteriſchen, Mainziſchen und Oeſterreichiſchen Kloͤ- ſter aufgehoben und zu anderen Zwecken verwandt worden ſind; — was war dann dagegen zu ſagen, wenn im XVI. Jahrhunderte evangeliſche Staͤnde ſich angelegen ſeyn ließen, ſchon damals ſolche Ver- aͤnderungen vorzunehmen, die erſt nach 200. und mehr Jahren noch jetzt von catholiſchen Maͤchten und Reichsſtaͤnden geſchehen? — Doch damals wurde es den evangeliſchen Reichsſtaͤnden, wo nicht als ein Sacrilegium, doch als ein Spolium, an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/456
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/456>, abgerufen am 23.11.2024.