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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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I. Alte Zeiten bis 888.
Kam nun hinzu, daß der Laie von Kenntnissen der
Sache immer mehr entfernt wurde, der Geistliche
hingegen alles, was nur Gelehrsamkeit hieß, sich
alleine zueignete, und seinen Sätzen doch mit Hoff-
nung oder Verlust der ewigen Seligkeit Nachdruck
geben konnte; so läßt sich begreifen, wie der geist-
liche Stand über den weltlichen bald zu einem sol-
chen Uebergewichte gelangen können, daß das zur
Vollkommenheit und Wohlfahrt eines jeden Staa-
tes so nöthige Gleichgewicht der verschiedenen Stände
hier zum Nachtheile des weltlichen Standes bald
unwiederbringlich Noth litt.


VII.

Eine andere Folge der mit den Kirchenversamm-
lungen verbundenen Einrichtung betraf die verschie-
denen Stuffen des geistlichen Standes selber. Nicht
nur gemeine Priester und andere Kirchendiener wur-
den als Untergeordnete der Bischöfe angesehen.
Sondern so, wie sich mehrere Bischöfe aus einer-
ley Gegend versammleten, richtete sich ihre Ver-
einigung und ihr Rang in so weit nach der poli-
tischen Eintheilung der Provinzen, daß Bischöfe,
die zu einer Provinz gehörten, wenn sie es nöthig
fanden, besondere Provincialsynoden anstellten, und
unter sich dann demjenigen Bischofe, der in der
Hauptstadt des Landes seinen Sitz hatte, den Vor-
sitz und Rang einräumten. So war insonderheit
nach einer neuen Eintheilung des ganzen Römischen
Reiches, wie sie Constantin der Große gemacht
hatte, z. B. Trier die Hauptstadt (Metropolis)
von der prouincia Belgica prima, wo der Prä-
ses dieser Provinz und zugleich der Vicarius über
die Dioeces von ganz Gallien seinen Sitz hatte;
da übrigens die Städte Metz, Tull, Verdun zu

eben

I. Alte Zeiten bis 888.
Kam nun hinzu, daß der Laie von Kenntniſſen der
Sache immer mehr entfernt wurde, der Geiſtliche
hingegen alles, was nur Gelehrſamkeit hieß, ſich
alleine zueignete, und ſeinen Saͤtzen doch mit Hoff-
nung oder Verluſt der ewigen Seligkeit Nachdruck
geben konnte; ſo laͤßt ſich begreifen, wie der geiſt-
liche Stand uͤber den weltlichen bald zu einem ſol-
chen Uebergewichte gelangen koͤnnen, daß das zur
Vollkommenheit und Wohlfahrt eines jeden Staa-
tes ſo noͤthige Gleichgewicht der verſchiedenen Staͤnde
hier zum Nachtheile des weltlichen Standes bald
unwiederbringlich Noth litt.


VII.

Eine andere Folge der mit den Kirchenverſamm-
lungen verbundenen Einrichtung betraf die verſchie-
denen Stuffen des geiſtlichen Standes ſelber. Nicht
nur gemeine Prieſter und andere Kirchendiener wur-
den als Untergeordnete der Biſchoͤfe angeſehen.
Sondern ſo, wie ſich mehrere Biſchoͤfe aus einer-
ley Gegend verſammleten, richtete ſich ihre Ver-
einigung und ihr Rang in ſo weit nach der poli-
tiſchen Eintheilung der Provinzen, daß Biſchoͤfe,
die zu einer Provinz gehoͤrten, wenn ſie es noͤthig
fanden, beſondere Provincialſynoden anſtellten, und
unter ſich dann demjenigen Biſchofe, der in der
Hauptſtadt des Landes ſeinen Sitz hatte, den Vor-
ſitz und Rang einraͤumten. So war inſonderheit
nach einer neuen Eintheilung des ganzen Roͤmiſchen
Reiches, wie ſie Conſtantin der Große gemacht
hatte, z. B. Trier die Hauptſtadt (Metropolis)
von der prouincia Belgica prima, wo der Praͤ-
ſes dieſer Provinz und zugleich der Vicarius uͤber
die Dioeces von ganz Gallien ſeinen Sitz hatte;
da uͤbrigens die Staͤdte Metz, Tull, Verdun zu

eben
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[20/0054] I. Alte Zeiten bis 888. Kam nun hinzu, daß der Laie von Kenntniſſen der Sache immer mehr entfernt wurde, der Geiſtliche hingegen alles, was nur Gelehrſamkeit hieß, ſich alleine zueignete, und ſeinen Saͤtzen doch mit Hoff- nung oder Verluſt der ewigen Seligkeit Nachdruck geben konnte; ſo laͤßt ſich begreifen, wie der geiſt- liche Stand uͤber den weltlichen bald zu einem ſol- chen Uebergewichte gelangen koͤnnen, daß das zur Vollkommenheit und Wohlfahrt eines jeden Staa- tes ſo noͤthige Gleichgewicht der verſchiedenen Staͤnde hier zum Nachtheile des weltlichen Standes bald unwiederbringlich Noth litt. Eine andere Folge der mit den Kirchenverſamm- lungen verbundenen Einrichtung betraf die verſchie- denen Stuffen des geiſtlichen Standes ſelber. Nicht nur gemeine Prieſter und andere Kirchendiener wur- den als Untergeordnete der Biſchoͤfe angeſehen. Sondern ſo, wie ſich mehrere Biſchoͤfe aus einer- ley Gegend verſammleten, richtete ſich ihre Ver- einigung und ihr Rang in ſo weit nach der poli- tiſchen Eintheilung der Provinzen, daß Biſchoͤfe, die zu einer Provinz gehoͤrten, wenn ſie es noͤthig fanden, beſondere Provincialſynoden anſtellten, und unter ſich dann demjenigen Biſchofe, der in der Hauptſtadt des Landes ſeinen Sitz hatte, den Vor- ſitz und Rang einraͤumten. So war inſonderheit nach einer neuen Eintheilung des ganzen Roͤmiſchen Reiches, wie ſie Conſtantin der Große gemacht hatte, z. B. Trier die Hauptſtadt (Metropolis) von der prouincia Belgica prima, wo der Praͤ- ſes dieſer Provinz und zugleich der Vicarius uͤber die Dioeces von ganz Gallien ſeinen Sitz hatte; da uͤbrigens die Staͤdte Metz, Tull, Verdun zu eben

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/54>, abgerufen am 21.11.2024.