Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.5) Merovinger b) Verfall 561-752. gemacht; eine Lehre, die darum von großen Fol-gen war, weil man zugleich annahm, daß dieser Mittelzustand zwischen Himmel und Hölle für die darin leidenden abgeschiedenen Seelen verkürzt wer- den könnte, je nachdem Gott durch Fürbitten an- derer noch lebender Menschen, oder auch noch mehr solcher Heiligen, die schon im Genuß ihres seligen Zustandes bey Gott wären, sich dazu bewegen ließe. In dieser Voraussetzung that man natür- licher Weise alles, um sich der Freundschaft solcher Heiligen, als insonderheit der Mutter Christi, und seiner Apostel, zu versichern. Man glaubte, daß bey ihrer nahen Verbindung mit Gott, gleichsam mittelst Einschauens in den Spiegel der göttlichen Allwissenheit, ihnen nicht unbekannt bleiben könnte, was noch lebende Menschen zu ihrem Vortheile thäten. Daher also die so genannte Anrufung der Heiligen; Daher häufige zu Ehren dieses oder jenes Heiligen erbaute und nach ihren Namen genannte Kirchen; Daher dazu gewidmete Geschenke und Vermächtnisse; Daher endlich die so genannten Seelmessen, die, je zahlreicher sie jemand für sich veranstalten kann, für desto zuträglicher gehalten werden, -- wenigstens denen, welche ihre Bezah- lung dafür bekommen, desto einträglicher sind. Auch die Messe war schon in vielen StückenXI. Man
5) Merovinger b) Verfall 561-752. gemacht; eine Lehre, die darum von großen Fol-gen war, weil man zugleich annahm, daß dieſer Mittelzuſtand zwiſchen Himmel und Hoͤlle fuͤr die darin leidenden abgeſchiedenen Seelen verkuͤrzt wer- den koͤnnte, je nachdem Gott durch Fuͤrbitten an- derer noch lebender Menſchen, oder auch noch mehr ſolcher Heiligen, die ſchon im Genuß ihres ſeligen Zuſtandes bey Gott waͤren, ſich dazu bewegen ließe. In dieſer Vorausſetzung that man natuͤr- licher Weiſe alles, um ſich der Freundſchaft ſolcher Heiligen, als inſonderheit der Mutter Chriſti, und ſeiner Apoſtel, zu verſichern. Man glaubte, daß bey ihrer nahen Verbindung mit Gott, gleichſam mittelſt Einſchauens in den Spiegel der goͤttlichen Allwiſſenheit, ihnen nicht unbekannt bleiben koͤnnte, was noch lebende Menſchen zu ihrem Vortheile thaͤten. Daher alſo die ſo genannte Anrufung der Heiligen; Daher haͤufige zu Ehren dieſes oder jenes Heiligen erbaute und nach ihren Namen genannte Kirchen; Daher dazu gewidmete Geſchenke und Vermaͤchtniſſe; Daher endlich die ſo genannten Seelmeſſen, die, je zahlreicher ſie jemand fuͤr ſich veranſtalten kann, fuͤr deſto zutraͤglicher gehalten werden, — wenigſtens denen, welche ihre Bezah- lung dafuͤr bekommen, deſto eintraͤglicher ſind. Auch die Meſſe war ſchon in vielen StuͤckenXI. Man
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5) Merovinger b) Verfall 561-752.
gemacht; eine Lehre, die darum von großen Fol-
gen war, weil man zugleich annahm, daß dieſer
Mittelzuſtand zwiſchen Himmel und Hoͤlle fuͤr die
darin leidenden abgeſchiedenen Seelen verkuͤrzt wer-
den koͤnnte, je nachdem Gott durch Fuͤrbitten an-
derer noch lebender Menſchen, oder auch noch mehr
ſolcher Heiligen, die ſchon im Genuß ihres ſeligen
Zuſtandes bey Gott waͤren, ſich dazu bewegen
ließe. In dieſer Vorausſetzung that man natuͤr-
licher Weiſe alles, um ſich der Freundſchaft ſolcher
Heiligen, als inſonderheit der Mutter Chriſti, und
ſeiner Apoſtel, zu verſichern. Man glaubte, daß
bey ihrer nahen Verbindung mit Gott, gleichſam
mittelſt Einſchauens in den Spiegel der goͤttlichen
Allwiſſenheit, ihnen nicht unbekannt bleiben koͤnnte,
was noch lebende Menſchen zu ihrem Vortheile
thaͤten. Daher alſo die ſo genannte Anrufung der
Heiligen; Daher haͤufige zu Ehren dieſes oder jenes
Heiligen erbaute und nach ihren Namen genannte
Kirchen; Daher dazu gewidmete Geſchenke und
Vermaͤchtniſſe; Daher endlich die ſo genannten
Seelmeſſen, die, je zahlreicher ſie jemand fuͤr ſich
veranſtalten kann, fuͤr deſto zutraͤglicher gehalten
werden, — wenigſtens denen, welche ihre Bezah-
lung dafuͤr bekommen, deſto eintraͤglicher ſind.
Auch die Meſſe war ſchon in vielen Stuͤcken
von Gregor dem I. auf den Fuß geſetzt, wie ſie
noch jetzt in der catholiſchen Kirche mit vielerley
Lateiniſchen Formeln, Geſaͤngen und anderen Ce-
remonien uͤblich iſt, und als das einzige Weſent-
lichſte des ganzen Gottesdienſtes angeſehen wird.
XI.
Man
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