Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

6) Carolinger im Flor 752-814.
diese Erneuerung der Kaiserwürde von Seiten der
Römer, und deren Anerkennung von Seiten der
übrigen damaligen Völker und Staaten mit sich
bringen konnte. Länder, die einmal auf recht-
mäßige Art von dem ehemaligen Römischen Kai-
serthume abgekommen waren, konnten darunter
freylich nicht begriffen seyn. Viele derselben hatte
Carl ohnedem schon als König der Franken und
Longobarden in Besitz. Auf einige konnte über kurz
oder lang vielleicht einiger Anspruch gemacht wer-
den. Allemal sah sich jetzt Carl nicht ohne Grund
als den ersten Monarchen im Range an.

Doch die Vorrechte der erneuerten KaiserwürdeXVIII.
und die davon abhangenden Land und Leute moch-
ten nun bestehen, worin sie wollten, so bestand
das Verhältniß, worin alles das gegen Carls
übrige Staaten kam, doch offenbar in einer nur
persönlichen Verbindung, ohne daß weder mit dem
Longobardischen noch mit dem Fränkischen Reiche,
die Carl vorhin schon besaß, irgend einige Real-
vereinigung geschehen wäre; gerade so, wie das
Churhaus Brandenburg die königliche Würde von
Preussen annahm, ohne daß das eigentliche König-
reich Preussen mit den übrigen Ländern des Chur-
hauses Brandenburg gleichsam in eine Masse ge-
schmolzen wäre; oder nach einem andern Beyspiele
eben so, wie das Haus Hannover die Krone von
Großbritannien erhalten hat, ohne daß deswegen
Hannover und England mit einander vermenget
werden darf; keinesweges hingegen so, wie die
zwey Königreiche England und Schottland unter
dem Namen Großbritannien eine Realvereinigung

in

6) Carolinger im Flor 752-814.
dieſe Erneuerung der Kaiſerwuͤrde von Seiten der
Roͤmer, und deren Anerkennung von Seiten der
uͤbrigen damaligen Voͤlker und Staaten mit ſich
bringen konnte. Laͤnder, die einmal auf recht-
maͤßige Art von dem ehemaligen Roͤmiſchen Kai-
ſerthume abgekommen waren, konnten darunter
freylich nicht begriffen ſeyn. Viele derſelben hatte
Carl ohnedem ſchon als Koͤnig der Franken und
Longobarden in Beſitz. Auf einige konnte uͤber kurz
oder lang vielleicht einiger Anſpruch gemacht wer-
den. Allemal ſah ſich jetzt Carl nicht ohne Grund
als den erſten Monarchen im Range an.

Doch die Vorrechte der erneuerten KaiſerwuͤrdeXVIII.
und die davon abhangenden Land und Leute moch-
ten nun beſtehen, worin ſie wollten, ſo beſtand
das Verhaͤltniß, worin alles das gegen Carls
uͤbrige Staaten kam, doch offenbar in einer nur
perſoͤnlichen Verbindung, ohne daß weder mit dem
Longobardiſchen noch mit dem Fraͤnkiſchen Reiche,
die Carl vorhin ſchon beſaß, irgend einige Real-
vereinigung geſchehen waͤre; gerade ſo, wie das
Churhaus Brandenburg die koͤnigliche Wuͤrde von
Preuſſen annahm, ohne daß das eigentliche Koͤnig-
reich Preuſſen mit den uͤbrigen Laͤndern des Chur-
hauſes Brandenburg gleichſam in eine Maſſe ge-
ſchmolzen waͤre; oder nach einem andern Beyſpiele
eben ſo, wie das Haus Hannover die Krone von
Großbritannien erhalten hat, ohne daß deswegen
Hannover und England mit einander vermenget
werden darf; keinesweges hingegen ſo, wie die
zwey Koͤnigreiche England und Schottland unter
dem Namen Großbritannien eine Realvereinigung

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">6) Carolinger im Flor 752-814.</hi></fw><lb/>
die&#x017F;e Erneuerung der Kai&#x017F;erwu&#x0364;rde von Seiten der<lb/>
Ro&#x0364;mer, und deren Anerkennung von Seiten der<lb/>
u&#x0364;brigen damaligen Vo&#x0364;lker und Staaten mit &#x017F;ich<lb/>
bringen konnte. La&#x0364;nder, die einmal auf recht-<lb/>
ma&#x0364;ßige Art von dem ehemaligen Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kai-<lb/>
&#x017F;erthume abgekommen waren, konnten darunter<lb/>
freylich nicht begriffen &#x017F;eyn. Viele der&#x017F;elben hatte<lb/>
Carl ohnedem &#x017F;chon als Ko&#x0364;nig der Franken und<lb/>
Longobarden in Be&#x017F;itz. Auf einige konnte u&#x0364;ber kurz<lb/>
oder lang vielleicht einiger An&#x017F;pruch gemacht wer-<lb/>
den. Allemal &#x017F;ah &#x017F;ich jetzt Carl nicht ohne Grund<lb/>
als den er&#x017F;ten Monarchen im Range an.</p><lb/>
          <p>Doch die Vorrechte der erneuerten Kai&#x017F;erwu&#x0364;rde<note place="right"><hi rendition="#aq">XVIII.</hi></note><lb/>
und die davon abhangenden Land und Leute moch-<lb/>
ten nun be&#x017F;tehen, worin &#x017F;ie wollten, &#x017F;o be&#x017F;tand<lb/>
das Verha&#x0364;ltniß, worin alles das gegen Carls<lb/>
u&#x0364;brige Staaten kam, doch offenbar in einer nur<lb/>
per&#x017F;o&#x0364;nlichen Verbindung, ohne daß weder mit dem<lb/>
Longobardi&#x017F;chen noch mit dem Fra&#x0364;nki&#x017F;chen Reiche,<lb/>
die Carl vorhin &#x017F;chon be&#x017F;aß, irgend einige Real-<lb/>
vereinigung ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re; gerade &#x017F;o, wie das<lb/>
Churhaus Brandenburg die ko&#x0364;nigliche Wu&#x0364;rde von<lb/>
Preu&#x017F;&#x017F;en annahm, ohne daß das eigentliche Ko&#x0364;nig-<lb/>
reich Preu&#x017F;&#x017F;en mit den u&#x0364;brigen La&#x0364;ndern des Chur-<lb/>
hau&#x017F;es Brandenburg gleich&#x017F;am in eine Ma&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
&#x017F;chmolzen wa&#x0364;re; oder nach einem andern Bey&#x017F;piele<lb/>
eben &#x017F;o, wie das Haus Hannover die Krone von<lb/>
Großbritannien erhalten hat, ohne daß deswegen<lb/>
Hannover und England mit einander vermenget<lb/>
werden darf; keinesweges hingegen &#x017F;o, wie die<lb/>
zwey Ko&#x0364;nigreiche England und Schottland unter<lb/>
dem Namen Großbritannien eine Realvereinigung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0097] 6) Carolinger im Flor 752-814. dieſe Erneuerung der Kaiſerwuͤrde von Seiten der Roͤmer, und deren Anerkennung von Seiten der uͤbrigen damaligen Voͤlker und Staaten mit ſich bringen konnte. Laͤnder, die einmal auf recht- maͤßige Art von dem ehemaligen Roͤmiſchen Kai- ſerthume abgekommen waren, konnten darunter freylich nicht begriffen ſeyn. Viele derſelben hatte Carl ohnedem ſchon als Koͤnig der Franken und Longobarden in Beſitz. Auf einige konnte uͤber kurz oder lang vielleicht einiger Anſpruch gemacht wer- den. Allemal ſah ſich jetzt Carl nicht ohne Grund als den erſten Monarchen im Range an. Doch die Vorrechte der erneuerten Kaiſerwuͤrde und die davon abhangenden Land und Leute moch- ten nun beſtehen, worin ſie wollten, ſo beſtand das Verhaͤltniß, worin alles das gegen Carls uͤbrige Staaten kam, doch offenbar in einer nur perſoͤnlichen Verbindung, ohne daß weder mit dem Longobardiſchen noch mit dem Fraͤnkiſchen Reiche, die Carl vorhin ſchon beſaß, irgend einige Real- vereinigung geſchehen waͤre; gerade ſo, wie das Churhaus Brandenburg die koͤnigliche Wuͤrde von Preuſſen annahm, ohne daß das eigentliche Koͤnig- reich Preuſſen mit den uͤbrigen Laͤndern des Chur- hauſes Brandenburg gleichſam in eine Maſſe ge- ſchmolzen waͤre; oder nach einem andern Beyſpiele eben ſo, wie das Haus Hannover die Krone von Großbritannien erhalten hat, ohne daß deswegen Hannover und England mit einander vermenget werden darf; keinesweges hingegen ſo, wie die zwey Koͤnigreiche England und Schottland unter dem Namen Großbritannien eine Realvereinigung in XVIII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/97
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/97>, abgerufen am 10.05.2024.