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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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1) Verfass. des T. Reichs überh.
capitulationen verschiedene Bestimmungen enthalten;
jedoch über letztere ist noch nicht aller Streit ge-
hoben, in welchen Fällen der Churfürsten Einwil-
ligung alleine hinlänglich sey.

Selbst der Westphälische Friede hat noch Zwei-XIII.
fel übrig gelaßen, was außer den darin benann-
ten Fällen, die für den Reichstag gehören sollen,
unter der angehängten Clausel von anderen ähn-
lichen Fällen zu verstehen sey oder nicht. Auch
scheint in denen Sachen, die vor den Reichstag
gehören, insonderheit wenn etwas in Frage stehet,
das in allen Teutschen Ländern die Gesetzkraft ha-
ben soll, oder wovon die Beschwerde auf die
Reichsstände selbst zurückfällt, das Gewicht mehr
auf Seiten der Stände als des Kaisers zu seyn.
Daher es beynahe häufiger geschieht, daß von
Seiten der Reichsstände etwas in Bewegung ge-
bracht wird, um es unter kaiserlichem Ansehen zum
Reichsschluß zu bringen, als daß der Kaiser etwas
vorträgt, wo ihm nur die Einwilligung des Reichs
abgehet. In so weit läßt sich wenigstens zwi-
schen dem Kaiser und dem Reichstage noch ein ganz
anderes Verhältniß wahrnehmen, als dasjenige,
worin ein König von Großbritannien gegen das
Parlament, oder die Könige von Schweden und
Polen gegen ihren Reichstag stehen. Da sind es
immer an sich nur Privatpersonen, hier sind es
wahre Regenten von Land und Leuten, die Sitz
und Stimme auf dem Reichstage haben. Selbst
der Congreß in Nordamerica besteht nur aus Ab-
geordneten der vereinigten Staaten, deren jeder
von dem Staate, der ihn abgeordnet hat, abhän-
gig und an dessen Instruction gebunden ist. Un-

sere
L 3

1) Verfaſſ. des T. Reichs uͤberh.
capitulationen verſchiedene Beſtimmungen enthalten;
jedoch uͤber letztere iſt noch nicht aller Streit ge-
hoben, in welchen Faͤllen der Churfuͤrſten Einwil-
ligung alleine hinlaͤnglich ſey.

Selbſt der Weſtphaͤliſche Friede hat noch Zwei-XIII.
fel uͤbrig gelaßen, was außer den darin benann-
ten Faͤllen, die fuͤr den Reichstag gehoͤren ſollen,
unter der angehaͤngten Clauſel von anderen aͤhn-
lichen Faͤllen zu verſtehen ſey oder nicht. Auch
ſcheint in denen Sachen, die vor den Reichstag
gehoͤren, inſonderheit wenn etwas in Frage ſtehet,
das in allen Teutſchen Laͤndern die Geſetzkraft ha-
ben ſoll, oder wovon die Beſchwerde auf die
Reichsſtaͤnde ſelbſt zuruͤckfaͤllt, das Gewicht mehr
auf Seiten der Staͤnde als des Kaiſers zu ſeyn.
Daher es beynahe haͤufiger geſchieht, daß von
Seiten der Reichsſtaͤnde etwas in Bewegung ge-
bracht wird, um es unter kaiſerlichem Anſehen zum
Reichsſchluß zu bringen, als daß der Kaiſer etwas
vortraͤgt, wo ihm nur die Einwilligung des Reichs
abgehet. In ſo weit laͤßt ſich wenigſtens zwi-
ſchen dem Kaiſer und dem Reichstage noch ein ganz
anderes Verhaͤltniß wahrnehmen, als dasjenige,
worin ein Koͤnig von Großbritannien gegen das
Parlament, oder die Koͤnige von Schweden und
Polen gegen ihren Reichstag ſtehen. Da ſind es
immer an ſich nur Privatperſonen, hier ſind es
wahre Regenten von Land und Leuten, die Sitz
und Stimme auf dem Reichstage haben. Selbſt
der Congreß in Nordamerica beſteht nur aus Ab-
geordneten der vereinigten Staaten, deren jeder
von dem Staate, der ihn abgeordnet hat, abhaͤn-
gig und an deſſen Inſtruction gebunden iſt. Un-

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L 3
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[165/0207] 1) Verfaſſ. des T. Reichs uͤberh. capitulationen verſchiedene Beſtimmungen enthalten; jedoch uͤber letztere iſt noch nicht aller Streit ge- hoben, in welchen Faͤllen der Churfuͤrſten Einwil- ligung alleine hinlaͤnglich ſey. Selbſt der Weſtphaͤliſche Friede hat noch Zwei- fel uͤbrig gelaßen, was außer den darin benann- ten Faͤllen, die fuͤr den Reichstag gehoͤren ſollen, unter der angehaͤngten Clauſel von anderen aͤhn- lichen Faͤllen zu verſtehen ſey oder nicht. Auch ſcheint in denen Sachen, die vor den Reichstag gehoͤren, inſonderheit wenn etwas in Frage ſtehet, das in allen Teutſchen Laͤndern die Geſetzkraft ha- ben ſoll, oder wovon die Beſchwerde auf die Reichsſtaͤnde ſelbſt zuruͤckfaͤllt, das Gewicht mehr auf Seiten der Staͤnde als des Kaiſers zu ſeyn. Daher es beynahe haͤufiger geſchieht, daß von Seiten der Reichsſtaͤnde etwas in Bewegung ge- bracht wird, um es unter kaiſerlichem Anſehen zum Reichsſchluß zu bringen, als daß der Kaiſer etwas vortraͤgt, wo ihm nur die Einwilligung des Reichs abgehet. In ſo weit laͤßt ſich wenigſtens zwi- ſchen dem Kaiſer und dem Reichstage noch ein ganz anderes Verhaͤltniß wahrnehmen, als dasjenige, worin ein Koͤnig von Großbritannien gegen das Parlament, oder die Koͤnige von Schweden und Polen gegen ihren Reichstag ſtehen. Da ſind es immer an ſich nur Privatperſonen, hier ſind es wahre Regenten von Land und Leuten, die Sitz und Stimme auf dem Reichstage haben. Selbſt der Congreß in Nordamerica beſteht nur aus Ab- geordneten der vereinigten Staaten, deren jeder von dem Staate, der ihn abgeordnet hat, abhaͤn- gig und an deſſen Inſtruction gebunden iſt. Un- ſere XIII. L 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/207>, abgerufen am 09.11.2024.