Der Stoff zu diesen Berathschlagungen wurde nun immer häufiger. Es geschah sehr oft, daß ein jeder Religionstheil dem andern seine Mey- nung zu erklären hatte; daß also beide Theile, als zwey moralische Personen, mit einander handel- ten; daß ein jeder Theil in solcher Absicht zuvor unter sich Berathschlagungen anstellen, und ge- meinsame Schlüsse fassen mußte. Alles das war schon seit dem ersten Anfange der Religionstren- nung her geschehen, und der ursprünglichen Frey- heit der Teutschen Reichsstände völlig angemessen, die von je her nach ihren besonderen Verhältnissen eigne Berathschlagungen anstellen und Schlüsse fassen konnten, wie z. B. die besonderen Verfassun- gen der Churfürsten, der reichsstädtischen Ver- sammlungen, der gräflichen Collegien, und selbst der Kreise auf solche Art ihren Ursprung genommen hatten.
V.
Nur im Anfange hatte man zum Theil immer noch einige Hoffnung gehabt, daß noch eine Ver- einigung der beiden Religionstheile möglich seyn, und also deren Trennung nicht auf beständig fort- währen möchte. Zum Theil war auch im Streit gewesen, ob und wie weit eine solche Trennung beider Religionstheile statt finden könne, und was für rechtliche Wirkungen davon abhangen sollten. Nunmehr hatte aber der Westphälische Friede zur ewigen Richtschnur angenommen, daß ein Reli- gionstheil dem andern völlig gleich gehalten wer- den, daß keiner über den andern mit Mehrheit der Stimmen ein Uebergewicht behaupten, und daß über jede Verletzung des Friedens ein gesammter Religionstheil mit dem beleidigten Theile sowohl
in
VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
IV.
Der Stoff zu dieſen Berathſchlagungen wurde nun immer haͤufiger. Es geſchah ſehr oft, daß ein jeder Religionstheil dem andern ſeine Mey- nung zu erklaͤren hatte; daß alſo beide Theile, als zwey moraliſche Perſonen, mit einander handel- ten; daß ein jeder Theil in ſolcher Abſicht zuvor unter ſich Berathſchlagungen anſtellen, und ge- meinſame Schluͤſſe faſſen mußte. Alles das war ſchon ſeit dem erſten Anfange der Religionstren- nung her geſchehen, und der urſpruͤnglichen Frey- heit der Teutſchen Reichsſtaͤnde voͤllig angemeſſen, die von je her nach ihren beſonderen Verhaͤltniſſen eigne Berathſchlagungen anſtellen und Schluͤſſe faſſen konnten, wie z. B. die beſonderen Verfaſſun- gen der Churfuͤrſten, der reichsſtaͤdtiſchen Ver- ſammlungen, der graͤflichen Collegien, und ſelbſt der Kreiſe auf ſolche Art ihren Urſprung genommen hatten.
V.
Nur im Anfange hatte man zum Theil immer noch einige Hoffnung gehabt, daß noch eine Ver- einigung der beiden Religionstheile moͤglich ſeyn, und alſo deren Trennung nicht auf beſtaͤndig fort- waͤhren moͤchte. Zum Theil war auch im Streit geweſen, ob und wie weit eine ſolche Trennung beider Religionstheile ſtatt finden koͤnne, und was fuͤr rechtliche Wirkungen davon abhangen ſollten. Nunmehr hatte aber der Weſtphaͤliſche Friede zur ewigen Richtſchnur angenommen, daß ein Reli- gionstheil dem andern voͤllig gleich gehalten wer- den, daß keiner uͤber den andern mit Mehrheit der Stimmen ein Uebergewicht behaupten, und daß uͤber jede Verletzung des Friedens ein geſammter Religionstheil mit dem beleidigten Theile ſowohl
in
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VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
Der Stoff zu dieſen Berathſchlagungen
wurde nun immer haͤufiger. Es geſchah ſehr oft,
daß ein jeder Religionstheil dem andern ſeine Mey-
nung zu erklaͤren hatte; daß alſo beide Theile, als
zwey moraliſche Perſonen, mit einander handel-
ten; daß ein jeder Theil in ſolcher Abſicht zuvor
unter ſich Berathſchlagungen anſtellen, und ge-
meinſame Schluͤſſe faſſen mußte. Alles das war
ſchon ſeit dem erſten Anfange der Religionstren-
nung her geſchehen, und der urſpruͤnglichen Frey-
heit der Teutſchen Reichsſtaͤnde voͤllig angemeſſen,
die von je her nach ihren beſonderen Verhaͤltniſſen
eigne Berathſchlagungen anſtellen und Schluͤſſe
faſſen konnten, wie z. B. die beſonderen Verfaſſun-
gen der Churfuͤrſten, der reichsſtaͤdtiſchen Ver-
ſammlungen, der graͤflichen Collegien, und ſelbſt
der Kreiſe auf ſolche Art ihren Urſprung genommen
hatten.
Nur im Anfange hatte man zum Theil immer
noch einige Hoffnung gehabt, daß noch eine Ver-
einigung der beiden Religionstheile moͤglich ſeyn,
und alſo deren Trennung nicht auf beſtaͤndig fort-
waͤhren moͤchte. Zum Theil war auch im Streit
geweſen, ob und wie weit eine ſolche Trennung
beider Religionstheile ſtatt finden koͤnne, und was
fuͤr rechtliche Wirkungen davon abhangen ſollten.
Nunmehr hatte aber der Weſtphaͤliſche Friede zur
ewigen Richtſchnur angenommen, daß ein Reli-
gionstheil dem andern voͤllig gleich gehalten wer-
den, daß keiner uͤber den andern mit Mehrheit der
Stimmen ein Uebergewicht behaupten, und daß
uͤber jede Verletzung des Friedens ein geſammter
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/284>, abgerufen am 22.11.2024.
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