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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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IX. Leop. u. Joseph I. 1657-1711.

VII.

Uebrigens ist freylich auch noch ein großer Un-
terschied, ob einem Teutschen Reichsstande nur ein
Wahlreich zu Theil wird, worin bey jedem Todes-
falle wieder ein anderer König gewehlet werden
kann, (wie auf solche Art doch nur zwey Churfür-
sten von Sachsen nach einander Könige in Polen
gewesen sind, jetzt also Chursachsen nicht mehr zu
den Reichsständen, die Kronen tragen, gehöret;)
oder ob auch sonst nur zufällige Umstände einem
Teutschen fürstlichen Hause auf einige Zeit eine aus-
wärtige Krone zuwege gebracht haben, wie der
Fall der Häuser Zweybrücken und Hessen in Anse-
hung der Krone Schweden gewesen; oder ob es
endlich eine erbliche immer fortwährende Verbin-
dung ist, die einem Teutschen Hause auch für die
Zukunft den Besitz der Krone sichert, wie die Um-
stände mit Dänemark, Ungarn, Großbritannien,
Preussen, und Sardinien sind. Dennoch ist auch
davon der in seiner Art einzige Fall unterschieden,
daß ein jeder König in Schweden, als Besitzer
von Pommern, zugleich von selbsten ein Teutscher
Reichsstand ist, und also unsere Reichsstandschaft
mit einer auswärtigen Krone in unzertrennlicher
Verbindung stehet.


VIII.

Noch sonderbarer ist es endlich, daß ein König
in Böhmen, als König, zugleich ein Teutscher
Reichsstand ist. Da nach der jetzigen Verfassung
von ganz Europa sonst ein König, als König be-
trachtet, nicht anders als unabhängig seyn kann,
und da hingegen von der Eigenschaft eines Reichs-
standes der Begriff einer Abhängigkeit von dem
Reiche, worin er Reichsstand ist, sich nicht tren-
nen läßt; so scheint es beynahe einen Widerspruch

in
IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.

VII.

Uebrigens iſt freylich auch noch ein großer Un-
terſchied, ob einem Teutſchen Reichsſtande nur ein
Wahlreich zu Theil wird, worin bey jedem Todes-
falle wieder ein anderer Koͤnig gewehlet werden
kann, (wie auf ſolche Art doch nur zwey Churfuͤr-
ſten von Sachſen nach einander Koͤnige in Polen
geweſen ſind, jetzt alſo Churſachſen nicht mehr zu
den Reichsſtaͤnden, die Kronen tragen, gehoͤret;)
oder ob auch ſonſt nur zufaͤllige Umſtaͤnde einem
Teutſchen fuͤrſtlichen Hauſe auf einige Zeit eine aus-
waͤrtige Krone zuwege gebracht haben, wie der
Fall der Haͤuſer Zweybruͤcken und Heſſen in Anſe-
hung der Krone Schweden geweſen; oder ob es
endlich eine erbliche immer fortwaͤhrende Verbin-
dung iſt, die einem Teutſchen Hauſe auch fuͤr die
Zukunft den Beſitz der Krone ſichert, wie die Um-
ſtaͤnde mit Daͤnemark, Ungarn, Großbritannien,
Preuſſen, und Sardinien ſind. Dennoch iſt auch
davon der in ſeiner Art einzige Fall unterſchieden,
daß ein jeder Koͤnig in Schweden, als Beſitzer
von Pommern, zugleich von ſelbſten ein Teutſcher
Reichsſtand iſt, und alſo unſere Reichsſtandſchaft
mit einer auswaͤrtigen Krone in unzertrennlicher
Verbindung ſtehet.


VIII.

Noch ſonderbarer iſt es endlich, daß ein Koͤnig
in Boͤhmen, als Koͤnig, zugleich ein Teutſcher
Reichsſtand iſt. Da nach der jetzigen Verfaſſung
von ganz Europa ſonſt ein Koͤnig, als Koͤnig be-
trachtet, nicht anders als unabhaͤngig ſeyn kann,
und da hingegen von der Eigenſchaft eines Reichs-
ſtandes der Begriff einer Abhaͤngigkeit von dem
Reiche, worin er Reichsſtand iſt, ſich nicht tren-
nen laͤßt; ſo ſcheint es beynahe einen Widerſpruch

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[362/0404] IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711. Uebrigens iſt freylich auch noch ein großer Un- terſchied, ob einem Teutſchen Reichsſtande nur ein Wahlreich zu Theil wird, worin bey jedem Todes- falle wieder ein anderer Koͤnig gewehlet werden kann, (wie auf ſolche Art doch nur zwey Churfuͤr- ſten von Sachſen nach einander Koͤnige in Polen geweſen ſind, jetzt alſo Churſachſen nicht mehr zu den Reichsſtaͤnden, die Kronen tragen, gehoͤret;) oder ob auch ſonſt nur zufaͤllige Umſtaͤnde einem Teutſchen fuͤrſtlichen Hauſe auf einige Zeit eine aus- waͤrtige Krone zuwege gebracht haben, wie der Fall der Haͤuſer Zweybruͤcken und Heſſen in Anſe- hung der Krone Schweden geweſen; oder ob es endlich eine erbliche immer fortwaͤhrende Verbin- dung iſt, die einem Teutſchen Hauſe auch fuͤr die Zukunft den Beſitz der Krone ſichert, wie die Um- ſtaͤnde mit Daͤnemark, Ungarn, Großbritannien, Preuſſen, und Sardinien ſind. Dennoch iſt auch davon der in ſeiner Art einzige Fall unterſchieden, daß ein jeder Koͤnig in Schweden, als Beſitzer von Pommern, zugleich von ſelbſten ein Teutſcher Reichsſtand iſt, und alſo unſere Reichsſtandſchaft mit einer auswaͤrtigen Krone in unzertrennlicher Verbindung ſtehet. Noch ſonderbarer iſt es endlich, daß ein Koͤnig in Boͤhmen, als Koͤnig, zugleich ein Teutſcher Reichsſtand iſt. Da nach der jetzigen Verfaſſung von ganz Europa ſonſt ein Koͤnig, als Koͤnig be- trachtet, nicht anders als unabhaͤngig ſeyn kann, und da hingegen von der Eigenſchaft eines Reichs- ſtandes der Begriff einer Abhaͤngigkeit von dem Reiche, worin er Reichsſtand iſt, ſich nicht tren- nen laͤßt; ſo ſcheint es beynahe einen Widerſpruch in

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/404>, abgerufen am 22.11.2024.