wenig verdient gemacht hat, war es das erstemal geschehen, daß der Pabst, nebst dem geweihten Hut und Degen und anderen Segnungen, die ein jeder Kaiser gegen die feierliche Bekanntmachung seines Regierungsantritts vom Pabste zu bekommen pflegt, dem Kaiser auch ein Indult zur Ausübung des Rechts der ersten Bitte zufertigen ließ; wel- ches seitdem bey jeder neuen kaiserlichen Regierung wiederholet worden.
V.
Joseph der I. fand nicht nöthig, ein solches päbstliches Indult erst abzuwarten, sondern er- nannte bald nach seinem Regierungsantritt einen Herrn von Raesfeld zum Precisten für das Dom- stift Hildesheim (1705. Jun. 19.). Das Dom- capitel erhielt dagegen erst vom päbstlichen Bot- schafter zu Cölln, hernach vom Pabste selbst Ver- botschreiben, den Precisten nicht anzunehmen, weil der Pabst dem Kaiser noch kein Indult zu Aus- übung des Rechts der ersten Bitte ertheilt habe.
VI.
Clemens der XI. war ohnedem schon in der Spanischen Successionssache so partheyisch gegen das Haus Oesterreich und für das Französische In- teresse gewesen, daß Joseph endlich nöthig fand, ihn durch ernstlichere Mittel auf andere Gedanken zu bringen. Im Jahre 1708. ließ Joseph einen Theil seines Heeres in das päbstliche Gebiet ein- rücken, und Comachio besetzen. Nun drohte Cle- mens gar mit geistlichen und weltlichen Waffen. "Steh ab, schrieb er an Joseph, von deinen Un- ternehmungen; oder wir werden unsere väterliche Huld zurücknehmen, und mit dem Kirchenbanne, oder, wenn es nöthig ist, auch mit den Waffen
gegen
IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
wenig verdient gemacht hat, war es das erſtemal geſchehen, daß der Pabſt, nebſt dem geweihten Hut und Degen und anderen Segnungen, die ein jeder Kaiſer gegen die feierliche Bekanntmachung ſeines Regierungsantritts vom Pabſte zu bekommen pflegt, dem Kaiſer auch ein Indult zur Ausuͤbung des Rechts der erſten Bitte zufertigen ließ; wel- ches ſeitdem bey jeder neuen kaiſerlichen Regierung wiederholet worden.
V.
Joſeph der I. fand nicht noͤthig, ein ſolches paͤbſtliches Indult erſt abzuwarten, ſondern er- nannte bald nach ſeinem Regierungsantritt einen Herrn von Raesfeld zum Preciſten fuͤr das Dom- ſtift Hildesheim (1705. Jun. 19.). Das Dom- capitel erhielt dagegen erſt vom paͤbſtlichen Bot- ſchafter zu Coͤlln, hernach vom Pabſte ſelbſt Ver- botſchreiben, den Preciſten nicht anzunehmen, weil der Pabſt dem Kaiſer noch kein Indult zu Aus- uͤbung des Rechts der erſten Bitte ertheilt habe.
VI.
Clemens der XI. war ohnedem ſchon in der Spaniſchen Succeſſionsſache ſo partheyiſch gegen das Haus Oeſterreich und fuͤr das Franzoͤſiſche In- tereſſe geweſen, daß Joſeph endlich noͤthig fand, ihn durch ernſtlichere Mittel auf andere Gedanken zu bringen. Im Jahre 1708. ließ Joſeph einen Theil ſeines Heeres in das paͤbſtliche Gebiet ein- ruͤcken, und Comachio beſetzen. Nun drohte Cle- mens gar mit geiſtlichen und weltlichen Waffen. ”Steh ab, ſchrieb er an Joſeph, von deinen Un- ternehmungen; oder wir werden unſere vaͤterliche Huld zuruͤcknehmen, und mit dem Kirchenbanne, oder, wenn es noͤthig iſt, auch mit den Waffen
gegen
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IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
wenig verdient gemacht hat, war es das erſtemal
geſchehen, daß der Pabſt, nebſt dem geweihten Hut
und Degen und anderen Segnungen, die ein jeder
Kaiſer gegen die feierliche Bekanntmachung ſeines
Regierungsantritts vom Pabſte zu bekommen
pflegt, dem Kaiſer auch ein Indult zur Ausuͤbung
des Rechts der erſten Bitte zufertigen ließ; wel-
ches ſeitdem bey jeder neuen kaiſerlichen Regierung
wiederholet worden.
Joſeph der I. fand nicht noͤthig, ein ſolches
paͤbſtliches Indult erſt abzuwarten, ſondern er-
nannte bald nach ſeinem Regierungsantritt einen
Herrn von Raesfeld zum Preciſten fuͤr das Dom-
ſtift Hildesheim (1705. Jun. 19.). Das Dom-
capitel erhielt dagegen erſt vom paͤbſtlichen Bot-
ſchafter zu Coͤlln, hernach vom Pabſte ſelbſt Ver-
botſchreiben, den Preciſten nicht anzunehmen, weil
der Pabſt dem Kaiſer noch kein Indult zu Aus-
uͤbung des Rechts der erſten Bitte ertheilt habe.
Clemens der XI. war ohnedem ſchon in der
Spaniſchen Succeſſionsſache ſo partheyiſch gegen
das Haus Oeſterreich und fuͤr das Franzoͤſiſche In-
tereſſe geweſen, daß Joſeph endlich noͤthig fand,
ihn durch ernſtlichere Mittel auf andere Gedanken
zu bringen. Im Jahre 1708. ließ Joſeph einen
Theil ſeines Heeres in das paͤbſtliche Gebiet ein-
ruͤcken, und Comachio beſetzen. Nun drohte Cle-
mens gar mit geiſtlichen und weltlichen Waffen.
”Steh ab, ſchrieb er an Joſeph, von deinen Un-
ternehmungen; oder wir werden unſere vaͤterliche
Huld zuruͤcknehmen, und mit dem Kirchenbanne,
oder, wenn es noͤthig iſt, auch mit den Waffen
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/412>, abgerufen am 26.06.2024.
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