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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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X. Carl der VI. 1711-1740.
ausdrücklich hinzu: Wenn auch nur eine Stimme
den Stimmen der andern Religionsverwandten
beyträte, sollte doch die Mehrheit der Stimmen
entscheidend seyn. So gut diese Ausnahme in die-
ser Stelle hinzugefügt werden konnte; so gewiß
würde es auch in jener Stelle geschehen seyn, wenn
es auch da die Meynung gehabt hätte, eine völlige
Einmüthigkeit der Stimmen auf Seiten des vom
andern abgegangenen Religionstheils zu erfordern.


XII.

Wenn ein Gesetz über einerley Gegenstand
zwey ähnliche Vorschriften gibt, aber in einer
Stelle ohne alle Einschränkung, in der andern mit
einer gewissen Einschränkung; so ist den Regeln ei-
ner gesunden Auslegungskunst nichts gemäßer, als
daß die Einschränkung nur da gilt, wo sie beyge-
fügt ist; nicht für den Fall, wo das Gesetz ohne
Einschränkung spricht. Diese Regel der Ausle-
gungskunst kann vollends gar nicht bezweifelt wer-
den, wenn zwischen zwey Fällen, die der Gesetz-
geber vor Augen gehabt hat, ein solcher Unterschied
wahrzunehmen ist, daß sich ein hinlänglicher Grund
angeben läßt, warum in dem einen Falle eine Ver-
ordnung mit, im andern ohne Einschränkung ge-
macht ist. So verhält sich hier die Sache, da
bey Reichsgerichten entweder eine völlige Gleich-
heit der Personen von beiderley Religionen voraus-
gesetzt wurde, wie bey den Senaten am Cammer-
gerichte, oder doch ein geringerer Unterschied, wie
im vollen Rathe des Cammergerichts, und eine
geringe Anzahl Personen, von deren Uebereinstim-
mung die Frage war. Da ließ sich begreifen, daß
man z. B. unter drey oder vier Mitgliedern eines
Senats am Cammergerichte, oder auch unter sechs

evan-

X. Carl der VI. 1711-1740.
ausdruͤcklich hinzu: Wenn auch nur eine Stimme
den Stimmen der andern Religionsverwandten
beytraͤte, ſollte doch die Mehrheit der Stimmen
entſcheidend ſeyn. So gut dieſe Ausnahme in die-
ſer Stelle hinzugefuͤgt werden konnte; ſo gewiß
wuͤrde es auch in jener Stelle geſchehen ſeyn, wenn
es auch da die Meynung gehabt haͤtte, eine voͤllige
Einmuͤthigkeit der Stimmen auf Seiten des vom
andern abgegangenen Religionstheils zu erfordern.


XII.

Wenn ein Geſetz uͤber einerley Gegenſtand
zwey aͤhnliche Vorſchriften gibt, aber in einer
Stelle ohne alle Einſchraͤnkung, in der andern mit
einer gewiſſen Einſchraͤnkung; ſo iſt den Regeln ei-
ner geſunden Auslegungskunſt nichts gemaͤßer, als
daß die Einſchraͤnkung nur da gilt, wo ſie beyge-
fuͤgt iſt; nicht fuͤr den Fall, wo das Geſetz ohne
Einſchraͤnkung ſpricht. Dieſe Regel der Ausle-
gungskunſt kann vollends gar nicht bezweifelt wer-
den, wenn zwiſchen zwey Faͤllen, die der Geſetz-
geber vor Augen gehabt hat, ein ſolcher Unterſchied
wahrzunehmen iſt, daß ſich ein hinlaͤnglicher Grund
angeben laͤßt, warum in dem einen Falle eine Ver-
ordnung mit, im andern ohne Einſchraͤnkung ge-
macht iſt. So verhaͤlt ſich hier die Sache, da
bey Reichsgerichten entweder eine voͤllige Gleich-
heit der Perſonen von beiderley Religionen voraus-
geſetzt wurde, wie bey den Senaten am Cammer-
gerichte, oder doch ein geringerer Unterſchied, wie
im vollen Rathe des Cammergerichts, und eine
geringe Anzahl Perſonen, von deren Uebereinſtim-
mung die Frage war. Da ließ ſich begreifen, daß
man z. B. unter drey oder vier Mitgliedern eines
Senats am Cammergerichte, oder auch unter ſechs

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[400/0442] X. Carl der VI. 1711-1740. ausdruͤcklich hinzu: Wenn auch nur eine Stimme den Stimmen der andern Religionsverwandten beytraͤte, ſollte doch die Mehrheit der Stimmen entſcheidend ſeyn. So gut dieſe Ausnahme in die- ſer Stelle hinzugefuͤgt werden konnte; ſo gewiß wuͤrde es auch in jener Stelle geſchehen ſeyn, wenn es auch da die Meynung gehabt haͤtte, eine voͤllige Einmuͤthigkeit der Stimmen auf Seiten des vom andern abgegangenen Religionstheils zu erfordern. Wenn ein Geſetz uͤber einerley Gegenſtand zwey aͤhnliche Vorſchriften gibt, aber in einer Stelle ohne alle Einſchraͤnkung, in der andern mit einer gewiſſen Einſchraͤnkung; ſo iſt den Regeln ei- ner geſunden Auslegungskunſt nichts gemaͤßer, als daß die Einſchraͤnkung nur da gilt, wo ſie beyge- fuͤgt iſt; nicht fuͤr den Fall, wo das Geſetz ohne Einſchraͤnkung ſpricht. Dieſe Regel der Ausle- gungskunſt kann vollends gar nicht bezweifelt wer- den, wenn zwiſchen zwey Faͤllen, die der Geſetz- geber vor Augen gehabt hat, ein ſolcher Unterſchied wahrzunehmen iſt, daß ſich ein hinlaͤnglicher Grund angeben laͤßt, warum in dem einen Falle eine Ver- ordnung mit, im andern ohne Einſchraͤnkung ge- macht iſt. So verhaͤlt ſich hier die Sache, da bey Reichsgerichten entweder eine voͤllige Gleich- heit der Perſonen von beiderley Religionen voraus- geſetzt wurde, wie bey den Senaten am Cammer- gerichte, oder doch ein geringerer Unterſchied, wie im vollen Rathe des Cammergerichts, und eine geringe Anzahl Perſonen, von deren Uebereinſtim- mung die Frage war. Da ließ ſich begreifen, daß man z. B. unter drey oder vier Mitgliedern eines Senats am Cammergerichte, oder auch unter ſechs evan-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/442>, abgerufen am 22.11.2024.