vermehrte sich die Anzahl der Stimmen bey jedem Todesfall, wenn ein Vater mehr Söhne hinterließ, die sich in die väterlichen Lande theilten. So galt z. B. ganz Hessen nur für eine Stimme, so lange Phi- lipp der Großmüthige lebte, der es allein in Be- sitz hatte. Als hernach seine vier Söhne sich in Cassel, Marburg, Rheinfels und Darmstadt ver- theilten, konnten sie vier Stimmen im Fürstenrathe führen. So wie das Recht der Erstgebuhrt mehr in Gang kam, verlohr sich dieser Vortheil.
IV.
Doch eben diese Umstände hatten vielleicht ei- nigen Antheil daran, daß unter dieser kaiserlichen Regierung die ganze Reichstagsverfassung, was die Zahl der fürstlichen Stimmen betrifft, eine an- dere Wendung nahm. Ohne daß man Ursache und Umstände genau angeben kann, scheint der Reichstag 1582. für die folgende Zeit eine ganz neue Richtschnur abgegeben zu haben. An statt, daß bisher die Zahl der weltlichen Stimmen, nach- dem in einem Hause bald mehr, bald weniger re- gierende Herren waren, veränderlich gewesen war, indem man immer nur die erscheinenden Personen zehlte; so wurde in der Folge mehr auf die Län- der, als auf die Personen, gesehen. Und zwar gerade, wie zufälliger Weise die Zahl der Stimmen auf dem Reichstage 1[ - 1 Zeichen fehlt]82. sich verhalten hatte; so ward sie nachher immer beybehalten. Waren damals mehrere Linien, so blieben auch für die Zukunft eben soviel Stimmen, wenn gleich die Li- nien zusammen starben, wie z. B. der Fall im Hause Braunschweig-Lüneburg war, das damals mehrere Linien in Calenberg, Zelle, Wolfenbüttel und Grubenhagen hatte, wovon zwey bald hernach
erlo-
VI. Neuere Z. Ferd. I—III. 1558-1648.
vermehrte ſich die Anzahl der Stimmen bey jedem Todesfall, wenn ein Vater mehr Soͤhne hinterließ, die ſich in die vaͤterlichen Lande theilten. So galt z. B. ganz Heſſen nur fuͤr eine Stimme, ſo lange Phi- lipp der Großmuͤthige lebte, der es allein in Be- ſitz hatte. Als hernach ſeine vier Soͤhne ſich in Caſſel, Marburg, Rheinfels und Darmſtadt ver- theilten, konnten ſie vier Stimmen im Fuͤrſtenrathe fuͤhren. So wie das Recht der Erſtgebuhrt mehr in Gang kam, verlohr ſich dieſer Vortheil.
IV.
Doch eben dieſe Umſtaͤnde hatten vielleicht ei- nigen Antheil daran, daß unter dieſer kaiſerlichen Regierung die ganze Reichstagsverfaſſung, was die Zahl der fuͤrſtlichen Stimmen betrifft, eine an- dere Wendung nahm. Ohne daß man Urſache und Umſtaͤnde genau angeben kann, ſcheint der Reichstag 1582. fuͤr die folgende Zeit eine ganz neue Richtſchnur abgegeben zu haben. An ſtatt, daß bisher die Zahl der weltlichen Stimmen, nach- dem in einem Hauſe bald mehr, bald weniger re- gierende Herren waren, veraͤnderlich geweſen war, indem man immer nur die erſcheinenden Perſonen zehlte; ſo wurde in der Folge mehr auf die Laͤn- der, als auf die Perſonen, geſehen. Und zwar gerade, wie zufaͤlliger Weiſe die Zahl der Stimmen auf dem Reichstage 1[ – 1 Zeichen fehlt]82. ſich verhalten hatte; ſo ward ſie nachher immer beybehalten. Waren damals mehrere Linien, ſo blieben auch fuͤr die Zukunft eben ſoviel Stimmen, wenn gleich die Li- nien zuſammen ſtarben, wie z. B. der Fall im Hauſe Braunſchweig-Luͤneburg war, das damals mehrere Linien in Calenberg, Zelle, Wolfenbuͤttel und Grubenhagen hatte, wovon zwey bald hernach
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VI. Neuere Z. Ferd. I—III. 1558-1648.
vermehrte ſich die Anzahl der Stimmen bey jedem
Todesfall, wenn ein Vater mehr Soͤhne hinterließ,
die ſich in die vaͤterlichen Lande theilten. So galt
z. B. ganz Heſſen nur fuͤr eine Stimme, ſo lange Phi-
lipp der Großmuͤthige lebte, der es allein in Be-
ſitz hatte. Als hernach ſeine vier Soͤhne ſich in
Caſſel, Marburg, Rheinfels und Darmſtadt ver-
theilten, konnten ſie vier Stimmen im Fuͤrſtenrathe
fuͤhren. So wie das Recht der Erſtgebuhrt mehr
in Gang kam, verlohr ſich dieſer Vortheil.
Doch eben dieſe Umſtaͤnde hatten vielleicht ei-
nigen Antheil daran, daß unter dieſer kaiſerlichen
Regierung die ganze Reichstagsverfaſſung, was
die Zahl der fuͤrſtlichen Stimmen betrifft, eine an-
dere Wendung nahm. Ohne daß man Urſache
und Umſtaͤnde genau angeben kann, ſcheint der
Reichstag 1582. fuͤr die folgende Zeit eine ganz
neue Richtſchnur abgegeben zu haben. An ſtatt,
daß bisher die Zahl der weltlichen Stimmen, nach-
dem in einem Hauſe bald mehr, bald weniger re-
gierende Herren waren, veraͤnderlich geweſen war,
indem man immer nur die erſcheinenden Perſonen
zehlte; ſo wurde in der Folge mehr auf die Laͤn-
der, als auf die Perſonen, geſehen. Und zwar
gerade, wie zufaͤlliger Weiſe die Zahl der Stimmen
auf dem Reichstage 1_82. ſich verhalten hatte;
ſo ward ſie nachher immer beybehalten. Waren
damals mehrere Linien, ſo blieben auch fuͤr die
Zukunft eben ſoviel Stimmen, wenn gleich die Li-
nien zuſammen ſtarben, wie z. B. der Fall im
Hauſe Braunſchweig-Luͤneburg war, das damals
mehrere Linien in Calenberg, Zelle, Wolfenbuͤttel
und Grubenhagen hatte, wovon zwey bald hernach
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/54>, abgerufen am 16.02.2025.
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