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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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3) Grafensache u. Reichsschluß 1775.
entschieden werden sollte, erst die Männer aussuchen,
von deren Stimmen die Entscheidung abhangen
sollte. Gelang es ihm nun soviel Männer zu-
sammenzubringen, als zur Mehrheit der Stim-
men nöthig war, wie er sie nach seiner Absicht
wünschte; so hatte er es in seiner Gewalt, den
Ausgang einer Sache nach seinem Sinne zu len-
ken, ohne daß ihm selbst die Gesetze einmal das
Recht eine Stimme mit zu geben beygelegt hatten.

Solchen Abwegen abzuhelfen vereinigte manVI.
sich im Reichsgutachten (1775. Oct. 23.), daß
künftig nicht mehr zu jeder einzelnen Sache ein
eigner Senat von neuem ernannt, sondern das
Cammergericht, wenn es mit 25. Beysitzern be-
setzt wäre, ein vor allemal in drey unveränder-
liche Senate jeden von acht, einen von neun Bey-
sitzern vertheilt werden sollte. Doch war man
der Meynung, daß, wenn in einem Senate auch ein
oder zwey Beysitzer wegen Krankheit oder sonst ab-
wesend seyn sollten, dennoch die sechs übrigen, je-
doch nicht weniger an der Zahl, fortfahren könn-
ten. Im Reichsgutachten ward das nur so aus-
gedrückt: daß Definitivsachen nicht anders als
in Beyseyn sechs Beysitzer abgeurtheilt werden
sollten. Aus dem Zusammenhange und den vor-
her abgelegten Stimmen der Reichsstände ließ sich
deutlich gnug abnehmen, daß die wahre Meynung
war: Definitivsachen sollten ordentlicher Weise
von acht, oder doch nicht weniger als von sechs
Beysitzern abgeurtheilet werden. In Vollziehung
des Reichsschlusses nahm gleichwohl das Cammer-
gericht eine so buchstäbliche Erklärung an, daß
zwar drey Senate jeder von 8. Beysitzern ernannt,

nie-

3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
entſchieden werden ſollte, erſt die Maͤnner ausſuchen,
von deren Stimmen die Entſcheidung abhangen
ſollte. Gelang es ihm nun ſoviel Maͤnner zu-
ſammenzubringen, als zur Mehrheit der Stim-
men noͤthig war, wie er ſie nach ſeiner Abſicht
wuͤnſchte; ſo hatte er es in ſeiner Gewalt, den
Ausgang einer Sache nach ſeinem Sinne zu len-
ken, ohne daß ihm ſelbſt die Geſetze einmal das
Recht eine Stimme mit zu geben beygelegt hatten.

Solchen Abwegen abzuhelfen vereinigte manVI.
ſich im Reichsgutachten (1775. Oct. 23.), daß
kuͤnftig nicht mehr zu jeder einzelnen Sache ein
eigner Senat von neuem ernannt, ſondern das
Cammergericht, wenn es mit 25. Beyſitzern be-
ſetzt waͤre, ein vor allemal in drey unveraͤnder-
liche Senate jeden von acht, einen von neun Bey-
ſitzern vertheilt werden ſollte. Doch war man
der Meynung, daß, wenn in einem Senate auch ein
oder zwey Beyſitzer wegen Krankheit oder ſonſt ab-
weſend ſeyn ſollten, dennoch die ſechs uͤbrigen, je-
doch nicht weniger an der Zahl, fortfahren koͤnn-
ten. Im Reichsgutachten ward das nur ſo aus-
gedruͤckt: daß Definitivſachen nicht anders als
in Beyſeyn ſechs Beyſitzer abgeurtheilt werden
ſollten. Aus dem Zuſammenhange und den vor-
her abgelegten Stimmen der Reichsſtaͤnde ließ ſich
deutlich gnug abnehmen, daß die wahre Meynung
war: Definitivſachen ſollten ordentlicher Weiſe
von acht, oder doch nicht weniger als von ſechs
Beyſitzern abgeurtheilet werden. In Vollziehung
des Reichsſchluſſes nahm gleichwohl das Cammer-
gericht eine ſo buchſtaͤbliche Erklaͤrung an, daß
zwar drey Senate jeder von 8. Beyſitzern ernannt,

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[159/0193] 3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775. entſchieden werden ſollte, erſt die Maͤnner ausſuchen, von deren Stimmen die Entſcheidung abhangen ſollte. Gelang es ihm nun ſoviel Maͤnner zu- ſammenzubringen, als zur Mehrheit der Stim- men noͤthig war, wie er ſie nach ſeiner Abſicht wuͤnſchte; ſo hatte er es in ſeiner Gewalt, den Ausgang einer Sache nach ſeinem Sinne zu len- ken, ohne daß ihm ſelbſt die Geſetze einmal das Recht eine Stimme mit zu geben beygelegt hatten. Solchen Abwegen abzuhelfen vereinigte man ſich im Reichsgutachten (1775. Oct. 23.), daß kuͤnftig nicht mehr zu jeder einzelnen Sache ein eigner Senat von neuem ernannt, ſondern das Cammergericht, wenn es mit 25. Beyſitzern be- ſetzt waͤre, ein vor allemal in drey unveraͤnder- liche Senate jeden von acht, einen von neun Bey- ſitzern vertheilt werden ſollte. Doch war man der Meynung, daß, wenn in einem Senate auch ein oder zwey Beyſitzer wegen Krankheit oder ſonſt ab- weſend ſeyn ſollten, dennoch die ſechs uͤbrigen, je- doch nicht weniger an der Zahl, fortfahren koͤnn- ten. Im Reichsgutachten ward das nur ſo aus- gedruͤckt: daß Definitivſachen nicht anders als in Beyſeyn ſechs Beyſitzer abgeurtheilt werden ſollten. Aus dem Zuſammenhange und den vor- her abgelegten Stimmen der Reichsſtaͤnde ließ ſich deutlich gnug abnehmen, daß die wahre Meynung war: Definitivſachen ſollten ordentlicher Weiſe von acht, oder doch nicht weniger als von ſechs Beyſitzern abgeurtheilet werden. In Vollziehung des Reichsſchluſſes nahm gleichwohl das Cammer- gericht eine ſo buchſtaͤbliche Erklaͤrung an, daß zwar drey Senate jeder von 8. Beyſitzern ernannt, nie- VI.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/193>, abgerufen am 23.11.2024.