Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.1) Wien, Regensburg, Wetzlar. (oben S. 45.), und unter dessen Direction einReichsreferendarius die Geschäffte zu bearbeiten hat; ohne was die Canzleyausfertigungen und Ar- chivgeschäffte anbetrifft, die von einer beträchtli- chen Anzahl Personen besorgt werden, welche zur Reichshofcanzley und Registratur von Mainz aus bestellt werden. Allein wenn auch alle diese Stel- len noch so zahlreich besetzt sind, was ist das doch gegen die große Menge Oesterreichischer erbländi- scher Collegien, und Staats- oder Hof- und Lan- desbedienten, die sich zu Wien finden! Da ver- liehrt sich das eigentlich von der Kaiserwürde ab- hangende Personale selbst am kaiserlichen Hofe un- ter der Menge, welche zum erbländischen Perso- nale gehören, dergestalt, daß ein Fremder, der sich nicht besonders darum bewirbt, ganz geraume Zeit zu Wien seyn kann, ohne beynahe wahrzu- nehmen, daß ein Reichshofrathscollegium und ei- ne Reichshofcanzley daselbst im Gange sind. Eben so natürlich ist es, daß selbst einem regierenden Kaiser nach der großen Verschiedenheit des Ver- hältnisses, worin er gegen das Teutsche Reich und gegen seine eigne Erblande stehet, die Reichssa- chen ungleich weniger, als die Angelegenheiten seines Hauses und seiner Erblande zu Herzen ge- hen müßen. Daher es nicht zu bewundern ist, wenn in Reichssachen, die am kaiserlichen Hofe vorkommen, bisweilen eine Rücksicht auf das In- teresse den Reichstag verwiesen wären, wie im Fall der Trennung beider Religionstheile, oder auch zu authentischer Erklärung zweifelhafter Stellen in Reichsgesetzen geschehen sollte, davon ist noch kein Beyspiel bekannt geworden. O 5
1) Wien, Regensburg, Wetzlar. (oben S. 45.), und unter deſſen Direction einReichsreferendarius die Geſchaͤffte zu bearbeiten hat; ohne was die Canzleyausfertigungen und Ar- chivgeſchaͤffte anbetrifft, die von einer betraͤchtli- chen Anzahl Perſonen beſorgt werden, welche zur Reichshofcanzley und Regiſtratur von Mainz aus beſtellt werden. Allein wenn auch alle dieſe Stel- len noch ſo zahlreich beſetzt ſind, was iſt das doch gegen die große Menge Oeſterreichiſcher erblaͤndi- ſcher Collegien, und Staats- oder Hof- und Lan- desbedienten, die ſich zu Wien finden! Da ver- liehrt ſich das eigentlich von der Kaiſerwuͤrde ab- hangende Perſonale ſelbſt am kaiſerlichen Hofe un- ter der Menge, welche zum erblaͤndiſchen Perſo- nale gehoͤren, dergeſtalt, daß ein Fremder, der ſich nicht beſonders darum bewirbt, ganz geraume Zeit zu Wien ſeyn kann, ohne beynahe wahrzu- nehmen, daß ein Reichshofrathscollegium und ei- ne Reichshofcanzley daſelbſt im Gange ſind. Eben ſo natuͤrlich iſt es, daß ſelbſt einem regierenden Kaiſer nach der großen Verſchiedenheit des Ver- haͤltniſſes, worin er gegen das Teutſche Reich und gegen ſeine eigne Erblande ſtehet, die Reichsſa- chen ungleich weniger, als die Angelegenheiten ſeines Hauſes und ſeiner Erblande zu Herzen ge- hen muͤßen. Daher es nicht zu bewundern iſt, wenn in Reichsſachen, die am kaiſerlichen Hofe vorkommen, bisweilen eine Ruͤckſicht auf das In- tereſſe den Reichstag verwieſen waͤren, wie im Fall der Trennung beider Religionstheile, oder auch zu authentiſcher Erklaͤrung zweifelhafter Stellen in Reichsgeſetzen geſchehen ſollte, davon iſt noch kein Beyſpiel bekannt geworden. O 5
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1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
(oben S. 45.), und unter deſſen Direction ein
Reichsreferendarius die Geſchaͤffte zu bearbeiten
hat; ohne was die Canzleyausfertigungen und Ar-
chivgeſchaͤffte anbetrifft, die von einer betraͤchtli-
chen Anzahl Perſonen beſorgt werden, welche zur
Reichshofcanzley und Regiſtratur von Mainz aus
beſtellt werden. Allein wenn auch alle dieſe Stel-
len noch ſo zahlreich beſetzt ſind, was iſt das doch
gegen die große Menge Oeſterreichiſcher erblaͤndi-
ſcher Collegien, und Staats- oder Hof- und Lan-
desbedienten, die ſich zu Wien finden! Da ver-
liehrt ſich das eigentlich von der Kaiſerwuͤrde ab-
hangende Perſonale ſelbſt am kaiſerlichen Hofe un-
ter der Menge, welche zum erblaͤndiſchen Perſo-
nale gehoͤren, dergeſtalt, daß ein Fremder, der
ſich nicht beſonders darum bewirbt, ganz geraume
Zeit zu Wien ſeyn kann, ohne beynahe wahrzu-
nehmen, daß ein Reichshofrathscollegium und ei-
ne Reichshofcanzley daſelbſt im Gange ſind. Eben
ſo natuͤrlich iſt es, daß ſelbſt einem regierenden
Kaiſer nach der großen Verſchiedenheit des Ver-
haͤltniſſes, worin er gegen das Teutſche Reich und
gegen ſeine eigne Erblande ſtehet, die Reichsſa-
chen ungleich weniger, als die Angelegenheiten
ſeines Hauſes und ſeiner Erblande zu Herzen ge-
hen muͤßen. Daher es nicht zu bewundern iſt,
wenn in Reichsſachen, die am kaiſerlichen Hofe
vorkommen, bisweilen eine Ruͤckſicht auf das In-
tereſſe
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(u) den Reichstag verwieſen waͤren, wie im Fall der
Trennung beider Religionstheile, oder auch zu
authentiſcher Erklaͤrung zweifelhafter Stellen in
Reichsgeſetzen geſchehen ſollte, davon iſt noch kein
Beyſpiel bekannt geworden.
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