Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.XIV. Heutige Verfassung. Theil auch überhaupt in unserer besonderen Teut-schen Verfassung ihren Grund haben. Wenn das, was die Reichsgesetze vom Cammergerichte enthalten, alles in würklicher Uebung wäre, in- sonderheit was die jährliche Visitation desselben und das damit verbundene Rechtsmittel der Re- vision betrifft; so würde kaum an Recurse von Cammergerichtsurtheilen zu denken seyn; wenig- stens das Ziel derselben sehr enge gesteckt werden können. So aber muß der Umstand, daß schon seit zwey Jahrhunderten die Visitationen und damit verbundenen Revisionserörterungen ins Stecken gerathen sind, wenigstens häufig zum Vorwande dienen, daß es Reichsständen nicht zu verdenken sey, wenn sie in Ermangelung jenes Mittels an die Quelle der gesetzgebenden Gewalt und höch- sten Aufsicht selbst ihre Zuflucht nähmen. Beym Reichshofrathe sind die Bedenklichkeiten noch grö- ßer, da derselbe in seinen eignen Revisionssachen selbst Richter ist (p). Also wird der kaiserliche Hof zwar immer suchen, den Recursen ein mög- lichst eingeschränktes Ziel zu setzen; aber von Sei- ten der Reichsstände wird man nicht gern die Hand zu solchen Einschränkungen bieten, die man- chen in Verlegenheit setzen könnten, wenn er ein- mal würklich in den Fall kommen sollte, daß er gegründete Beschwerden über eines der beiden Reichsgerichte zu führen hätte. VII. Insonderheit verdient hiebey in Betrachtung nen. (p) Oben Th. 2. S. 102.
XIV. Heutige Verfaſſung. Theil auch uͤberhaupt in unſerer beſonderen Teut-ſchen Verfaſſung ihren Grund haben. Wenn das, was die Reichsgeſetze vom Cammergerichte enthalten, alles in wuͤrklicher Uebung waͤre, in- ſonderheit was die jaͤhrliche Viſitation deſſelben und das damit verbundene Rechtsmittel der Re- viſion betrifft; ſo wuͤrde kaum an Recurſe von Cammergerichtsurtheilen zu denken ſeyn; wenig- ſtens das Ziel derſelben ſehr enge geſteckt werden koͤnnen. So aber muß der Umſtand, daß ſchon ſeit zwey Jahrhunderten die Viſitationen und damit verbundenen Reviſionseroͤrterungen ins Stecken gerathen ſind, wenigſtens haͤufig zum Vorwande dienen, daß es Reichsſtaͤnden nicht zu verdenken ſey, wenn ſie in Ermangelung jenes Mittels an die Quelle der geſetzgebenden Gewalt und hoͤch- ſten Aufſicht ſelbſt ihre Zuflucht naͤhmen. Beym Reichshofrathe ſind die Bedenklichkeiten noch groͤ- ßer, da derſelbe in ſeinen eignen Reviſionsſachen ſelbſt Richter iſt (p). Alſo wird der kaiſerliche Hof zwar immer ſuchen, den Recurſen ein moͤg- lichſt eingeſchraͤnktes Ziel zu ſetzen; aber von Sei- ten der Reichsſtaͤnde wird man nicht gern die Hand zu ſolchen Einſchraͤnkungen bieten, die man- chen in Verlegenheit ſetzen koͤnnten, wenn er ein- mal wuͤrklich in den Fall kommen ſollte, daß er gegruͤndete Beſchwerden uͤber eines der beiden Reichsgerichte zu fuͤhren haͤtte. VII. Inſonderheit verdient hiebey in Betrachtung nen. (p) Oben Th. 2. S. 102.
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XIV. Heutige Verfaſſung.
Theil auch uͤberhaupt in unſerer beſonderen Teut-
ſchen Verfaſſung ihren Grund haben. Wenn
das, was die Reichsgeſetze vom Cammergerichte
enthalten, alles in wuͤrklicher Uebung waͤre, in-
ſonderheit was die jaͤhrliche Viſitation deſſelben
und das damit verbundene Rechtsmittel der Re-
viſion betrifft; ſo wuͤrde kaum an Recurſe von
Cammergerichtsurtheilen zu denken ſeyn; wenig-
ſtens das Ziel derſelben ſehr enge geſteckt werden
koͤnnen. So aber muß der Umſtand, daß ſchon
ſeit zwey Jahrhunderten die Viſitationen und damit
verbundenen Reviſionseroͤrterungen ins Stecken
gerathen ſind, wenigſtens haͤufig zum Vorwande
dienen, daß es Reichsſtaͤnden nicht zu verdenken
ſey, wenn ſie in Ermangelung jenes Mittels an
die Quelle der geſetzgebenden Gewalt und hoͤch-
ſten Aufſicht ſelbſt ihre Zuflucht naͤhmen. Beym
Reichshofrathe ſind die Bedenklichkeiten noch groͤ-
ßer, da derſelbe in ſeinen eignen Reviſionsſachen
ſelbſt Richter iſt (p). Alſo wird der kaiſerliche
Hof zwar immer ſuchen, den Recurſen ein moͤg-
lichſt eingeſchraͤnktes Ziel zu ſetzen; aber von Sei-
ten der Reichsſtaͤnde wird man nicht gern die
Hand zu ſolchen Einſchraͤnkungen bieten, die man-
chen in Verlegenheit ſetzen koͤnnten, wenn er ein-
mal wuͤrklich in den Fall kommen ſollte, daß er
gegruͤndete Beſchwerden uͤber eines der beiden
Reichsgerichte zu fuͤhren haͤtte.
Inſonderheit verdient hiebey in Betrachtung
gezogen zu werden, daß bey unſeren hoͤchſten Ge-
richtsſtellen ganz andere Gattungen von Rechts-
ſachen, als in anderen Reichen, vorkommen koͤn-
nen.
(p) Oben Th. 2. S. 102.
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