Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.2) Vortheile reichsger. Erkenntnisse. nen. Wenn anderswo nur Privatpersonen umGeld und Gut oder Privatgerechtigkeiten vor Ge- richten streiten, so kommen hier Sachen vor, die Land und Leute betreffen und in die Verfassung ganzer Länder und Staaten einschlagen. Da sind Reichsstände freylich ebenfalls wie andere Par- theyen in dem Falle noch einen höhern Richter über sich zu haben. Aber wenn andere Partheyen bloße Privatpersonen sind, so gibt es hier Par- theyen, die zugleich ganze Staaten zu regieren haben, und in eben der Eigenschaft selbst an der Regierung des gesammten Reichs Theil zu neh- men berechtiget sind. Daß da Beschwerden, die einem Reichsstande von einem der höchsten Reichs- gerichte zugefügt werden, noch in einem andern Verhältnisse gegen die höchste Gewalt der Gesetz- gebung und obern Aufsicht stehen, als in anderen Reichen, kann allerdings nicht widersprochen werden. So sehr es also zu wünschen wäre, daß ein ge-VIII. we- Q 2
2) Vortheile reichsger. Erkenntniſſe. nen. Wenn anderswo nur Privatperſonen umGeld und Gut oder Privatgerechtigkeiten vor Ge- richten ſtreiten, ſo kommen hier Sachen vor, die Land und Leute betreffen und in die Verfaſſung ganzer Laͤnder und Staaten einſchlagen. Da ſind Reichsſtaͤnde freylich ebenfalls wie andere Par- theyen in dem Falle noch einen hoͤhern Richter uͤber ſich zu haben. Aber wenn andere Partheyen bloße Privatperſonen ſind, ſo gibt es hier Par- theyen, die zugleich ganze Staaten zu regieren haben, und in eben der Eigenſchaft ſelbſt an der Regierung des geſammten Reichs Theil zu neh- men berechtiget ſind. Daß da Beſchwerden, die einem Reichsſtande von einem der hoͤchſten Reichs- gerichte zugefuͤgt werden, noch in einem andern Verhaͤltniſſe gegen die hoͤchſte Gewalt der Geſetz- gebung und obern Aufſicht ſtehen, als in anderen Reichen, kann allerdings nicht widerſprochen werden. So ſehr es alſo zu wuͤnſchen waͤre, daß ein ge-VIII. we- Q 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0277" n="243"/><fw place="top" type="header">2) Vortheile reichsger. Erkenntniſſe.</fw><lb/> nen. Wenn anderswo nur Privatperſonen um<lb/> Geld und Gut oder Privatgerechtigkeiten vor Ge-<lb/> richten ſtreiten, ſo kommen hier Sachen vor, die<lb/> Land und Leute betreffen und in die Verfaſſung<lb/> ganzer Laͤnder und Staaten einſchlagen. Da ſind<lb/> Reichsſtaͤnde freylich ebenfalls wie andere Par-<lb/> theyen in dem Falle noch einen hoͤhern Richter<lb/> uͤber ſich zu haben. Aber wenn andere Partheyen<lb/> bloße Privatperſonen ſind, ſo gibt es hier Par-<lb/> theyen, die zugleich ganze Staaten zu regieren<lb/> haben, und in eben der Eigenſchaft ſelbſt an der<lb/> Regierung des geſammten Reichs Theil zu neh-<lb/> men berechtiget ſind. Daß da Beſchwerden, die<lb/> einem Reichsſtande von einem der hoͤchſten Reichs-<lb/> gerichte zugefuͤgt werden, noch in einem andern<lb/> Verhaͤltniſſe gegen die hoͤchſte Gewalt der Geſetz-<lb/> gebung und obern Aufſicht ſtehen, als in anderen<lb/> Reichen, kann allerdings nicht widerſprochen<lb/> werden.</p><lb/> <p>So ſehr es alſo zu wuͤnſchen waͤre, daß ein ge-<note place="right"><hi rendition="#aq">VIII.</hi></note><lb/> wiſſes Normativ, wornach man ſich in Anſehung<lb/> der Recurſe zu richten haͤtte, zu Stande kommen<lb/> moͤchte; ſo wenig ſcheint ſich noch jetzt eine nahe<lb/> Hoffnung dazu zu zeigen. Vielleicht duͤrfte ſie we-<lb/> niger entfernt ſeyn, wenn es moͤglich waͤre, bey<lb/> den Reichsgerichten ſelbſt einige von den Quellen<lb/> zu verſtopfen, aus welchen bisher die meiſten<lb/> Gruͤnde zu Rechtfertigung der Recurſe gefloſſen<lb/> ſind. Nach der wuͤrklichen Praxi koͤmmt es in-<lb/> zwiſchen in jedem Falle nur darauf an: ob die<lb/> Mehrheit der Stimmen am Reichstage, inſon-<lb/> derheit in den beiden hoͤheren Collegien, fuͤr einen<lb/> Recurs ſich bewirken laͤßt? Bisher iſt das noch<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">we-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [243/0277]
2) Vortheile reichsger. Erkenntniſſe.
nen. Wenn anderswo nur Privatperſonen um
Geld und Gut oder Privatgerechtigkeiten vor Ge-
richten ſtreiten, ſo kommen hier Sachen vor, die
Land und Leute betreffen und in die Verfaſſung
ganzer Laͤnder und Staaten einſchlagen. Da ſind
Reichsſtaͤnde freylich ebenfalls wie andere Par-
theyen in dem Falle noch einen hoͤhern Richter
uͤber ſich zu haben. Aber wenn andere Partheyen
bloße Privatperſonen ſind, ſo gibt es hier Par-
theyen, die zugleich ganze Staaten zu regieren
haben, und in eben der Eigenſchaft ſelbſt an der
Regierung des geſammten Reichs Theil zu neh-
men berechtiget ſind. Daß da Beſchwerden, die
einem Reichsſtande von einem der hoͤchſten Reichs-
gerichte zugefuͤgt werden, noch in einem andern
Verhaͤltniſſe gegen die hoͤchſte Gewalt der Geſetz-
gebung und obern Aufſicht ſtehen, als in anderen
Reichen, kann allerdings nicht widerſprochen
werden.
So ſehr es alſo zu wuͤnſchen waͤre, daß ein ge-
wiſſes Normativ, wornach man ſich in Anſehung
der Recurſe zu richten haͤtte, zu Stande kommen
moͤchte; ſo wenig ſcheint ſich noch jetzt eine nahe
Hoffnung dazu zu zeigen. Vielleicht duͤrfte ſie we-
niger entfernt ſeyn, wenn es moͤglich waͤre, bey
den Reichsgerichten ſelbſt einige von den Quellen
zu verſtopfen, aus welchen bisher die meiſten
Gruͤnde zu Rechtfertigung der Recurſe gefloſſen
ſind. Nach der wuͤrklichen Praxi koͤmmt es in-
zwiſchen in jedem Falle nur darauf an: ob die
Mehrheit der Stimmen am Reichstage, inſon-
derheit in den beiden hoͤheren Collegien, fuͤr einen
Recurs ſich bewirken laͤßt? Bisher iſt das noch
we-
VIII.
Q 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |