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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
Franzen wieder Colloredo, der 1764. in Fürsten-
stand erhoben wurde, und noch immer in diesem
Posten stehet. (Eigentlich ist der Reichsvicecanz-
ler der einzige wahre Staatsminister, den der
Kaiser als Kaiser hat. Er allein hat nach Vor-
schrift der Wahlcapitulation in Reichssachen dem
Kaiser alle Vorträge zu thun. Und was der Kai-
ser als Kaiser zu unterschreiben hat, muß immer
erst vom Reichsvicecanzler contrasignirt seyn. De-
sto sonderbarer ist es, daß hierin der Kaiser nicht
einmal freye Hände hat, seinen eignen Minister zu
ernennen. Der Churfürst von Mainz wird zwar
nicht leicht dem Kaiser wider seinen Willen einen
Mann in diesem Posten aufdringen. Doch soll
nach ausdrücklicher Vorschrift der Wahlcapitula-
tion der Kaiser dem Churfürsten von Mainz in der
ihm alleine diesfalls zustehenden Disposition kei-
nen Eingriff thun, noch sonst darin Ziel und
Maaß setzen (i). Unter Leopolden geschah es
doch, daß im Jahre 1705. der damalige Churfürst
von Mainz seines Bruders Sohn, Friedrich Carl
Grafen von Schönborn, der kaum 20. Jahre alt
war, gegen die Neigung des kaiserlichen Hofes
zu dieser Stelle beförderte. Die Stelle ist sehr
einträglich, weil von allen Taxen und Sporteln
der beträchtlichste Theil immer dem Reichsvice-
canzler zufällt. Bey den letzteren Veränderungen
soll einer dem andern eine beträchtliche Summe
Geldes, die beym Antritte der Stelle bezahlt wer-
den müßen, wieder vergütet haben. -- Nächst
dem Reichsvicecanzler ist die Stelle des Reichs-
referendarien
, der ihm von Mainz aus noch an

die
(i) Wahlcap. Art. 25. §. 1.

5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
Franzen wieder Colloredo, der 1764. in Fuͤrſten-
ſtand erhoben wurde, und noch immer in dieſem
Poſten ſtehet. (Eigentlich iſt der Reichsvicecanz-
ler der einzige wahre Staatsminiſter, den der
Kaiſer als Kaiſer hat. Er allein hat nach Vor-
ſchrift der Wahlcapitulation in Reichsſachen dem
Kaiſer alle Vortraͤge zu thun. Und was der Kai-
ſer als Kaiſer zu unterſchreiben hat, muß immer
erſt vom Reichsvicecanzler contraſignirt ſeyn. De-
ſto ſonderbarer iſt es, daß hierin der Kaiſer nicht
einmal freye Haͤnde hat, ſeinen eignen Miniſter zu
ernennen. Der Churfuͤrſt von Mainz wird zwar
nicht leicht dem Kaiſer wider ſeinen Willen einen
Mann in dieſem Poſten aufdringen. Doch ſoll
nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Wahlcapitula-
tion der Kaiſer dem Churfuͤrſten von Mainz in der
ihm alleine diesfalls zuſtehenden Dispoſition kei-
nen Eingriff thun, noch ſonſt darin Ziel und
Maaß ſetzen (i). Unter Leopolden geſchah es
doch, daß im Jahre 1705. der damalige Churfuͤrſt
von Mainz ſeines Bruders Sohn, Friedrich Carl
Grafen von Schoͤnborn, der kaum 20. Jahre alt
war, gegen die Neigung des kaiſerlichen Hofes
zu dieſer Stelle befoͤrderte. Die Stelle iſt ſehr
eintraͤglich, weil von allen Taxen und Sporteln
der betraͤchtlichſte Theil immer dem Reichsvice-
canzler zufaͤllt. Bey den letzteren Veraͤnderungen
ſoll einer dem andern eine betraͤchtliche Summe
Geldes, die beym Antritte der Stelle bezahlt wer-
den muͤßen, wieder verguͤtet haben. — Naͤchſt
dem Reichsvicecanzler iſt die Stelle des Reichs-
referendarien
, der ihm von Mainz aus noch an

die
(i) Wahlcap. Art. 25. §. 1.
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[45/0079] 5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745. Franzen wieder Colloredo, der 1764. in Fuͤrſten- ſtand erhoben wurde, und noch immer in dieſem Poſten ſtehet. (Eigentlich iſt der Reichsvicecanz- ler der einzige wahre Staatsminiſter, den der Kaiſer als Kaiſer hat. Er allein hat nach Vor- ſchrift der Wahlcapitulation in Reichsſachen dem Kaiſer alle Vortraͤge zu thun. Und was der Kai- ſer als Kaiſer zu unterſchreiben hat, muß immer erſt vom Reichsvicecanzler contraſignirt ſeyn. De- ſto ſonderbarer iſt es, daß hierin der Kaiſer nicht einmal freye Haͤnde hat, ſeinen eignen Miniſter zu ernennen. Der Churfuͤrſt von Mainz wird zwar nicht leicht dem Kaiſer wider ſeinen Willen einen Mann in dieſem Poſten aufdringen. Doch ſoll nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Wahlcapitula- tion der Kaiſer dem Churfuͤrſten von Mainz in der ihm alleine diesfalls zuſtehenden Dispoſition kei- nen Eingriff thun, noch ſonſt darin Ziel und Maaß ſetzen (i). Unter Leopolden geſchah es doch, daß im Jahre 1705. der damalige Churfuͤrſt von Mainz ſeines Bruders Sohn, Friedrich Carl Grafen von Schoͤnborn, der kaum 20. Jahre alt war, gegen die Neigung des kaiſerlichen Hofes zu dieſer Stelle befoͤrderte. Die Stelle iſt ſehr eintraͤglich, weil von allen Taxen und Sporteln der betraͤchtlichſte Theil immer dem Reichsvice- canzler zufaͤllt. Bey den letzteren Veraͤnderungen ſoll einer dem andern eine betraͤchtliche Summe Geldes, die beym Antritte der Stelle bezahlt wer- den muͤßen, wieder verguͤtet haben. — Naͤchſt dem Reichsvicecanzler iſt die Stelle des Reichs- referendarien, der ihm von Mainz aus noch an die (i) Wahlcap. Art. 25. §. 1.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/79>, abgerufen am 21.11.2024.