jagd heimgekommene Narr und suchte nach rechts und nach links und nach gegenüber die alten Freunde und Bäume -- fremde Gaffer und fremde Mauern um sich her. Sie haben es ihr zugebaut, das sonnige, grünende, blühende, lachende Familienerbe; sie aber hat Freund und Freundin, Nachbar und Nachbarin, Busch und Baum gehen und fallen sehen, hat dem Schalten über ihren Aurikelbeeten standgehalten und ihren Sessel vor ihrem Nähtischchen an ihrem Fenster nicht weggerückt. Sie hat alle Tatzen weg¬ geschlagen und nicht ihret- sondern meinetwegen. Gnädige Frau, Karl Krumhardt -- meinetwegen! . . . Meinetwegen hat sie, wie weiland die Juden in Jerusalem die Riemen von den Sätteln und das Leder von den Schilden abgenagt und das Heilig¬ thum gehalten unter dem Fabriklärm von Hartlebens Grundstück her und der Tanzmusik aus dem Tivoli und der Centralhalle. Ob ich als Bettler oder als Millionär, wie weiland Mr. Charles Trotzendorff, heimkam, ist ihr wohl recht gleichgültig gewesen; über ihrer Häkelnadel, ihrem Strickstrumpf, hinter ihrer lieben Brille, hat sie nur die Gewißheit fest¬ gehalten: ,Den Schlingel, das arme Kind kenne ich zu gut, um nicht zu wissen, wie das fest darauf rechnet, sich noch einmal hinter meiner Schürze zu verstecken und sich an meinen Rock zu klammern und:
jagd heimgekommene Narr und ſuchte nach rechts und nach links und nach gegenüber die alten Freunde und Bäume — fremde Gaffer und fremde Mauern um ſich her. Sie haben es ihr zugebaut, das ſonnige, grünende, blühende, lachende Familienerbe; ſie aber hat Freund und Freundin, Nachbar und Nachbarin, Buſch und Baum gehen und fallen ſehen, hat dem Schalten über ihren Aurikelbeeten ſtandgehalten und ihren Seſſel vor ihrem Nähtiſchchen an ihrem Fenſter nicht weggerückt. Sie hat alle Tatzen weg¬ geſchlagen und nicht ihret- ſondern meinetwegen. Gnädige Frau, Karl Krumhardt — meinetwegen! . . . Meinetwegen hat ſie, wie weiland die Juden in Jeruſalem die Riemen von den Sätteln und das Leder von den Schilden abgenagt und das Heilig¬ thum gehalten unter dem Fabriklärm von Hartlebens Grundſtück her und der Tanzmuſik aus dem Tivoli und der Centralhalle. Ob ich als Bettler oder als Millionär, wie weiland Mr. Charles Trotzendorff, heimkam, iſt ihr wohl recht gleichgültig geweſen; über ihrer Häkelnadel, ihrem Strickſtrumpf, hinter ihrer lieben Brille, hat ſie nur die Gewißheit feſt¬ gehalten: ‚Den Schlingel, das arme Kind kenne ich zu gut, um nicht zu wiſſen, wie das feſt darauf rechnet, ſich noch einmal hinter meiner Schürze zu verſtecken und ſich an meinen Rock zu klammern und:
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jagd heimgekommene Narr und ſuchte nach rechts und
nach links und nach gegenüber die alten Freunde
und Bäume — fremde Gaffer und fremde Mauern
um ſich her. Sie haben es ihr zugebaut, das ſonnige,
grünende, blühende, lachende Familienerbe; ſie aber
hat Freund und Freundin, Nachbar und Nachbarin,
Buſch und Baum gehen und fallen ſehen, hat dem
Schalten über ihren Aurikelbeeten ſtandgehalten
und ihren Seſſel vor ihrem Nähtiſchchen an ihrem
Fenſter nicht weggerückt. Sie hat alle Tatzen weg¬
geſchlagen und nicht ihret- ſondern meinetwegen.
Gnädige Frau, Karl Krumhardt — meinetwegen! . . .
Meinetwegen hat ſie, wie weiland die Juden in
Jeruſalem die Riemen von den Sätteln und das
Leder von den Schilden abgenagt und das Heilig¬
thum gehalten unter dem Fabriklärm von Hartlebens
Grundſtück her und der Tanzmuſik aus dem Tivoli
und der Centralhalle. Ob ich als Bettler oder als
Millionär, wie weiland Mr. Charles Trotzendorff,
heimkam, iſt ihr wohl recht gleichgültig geweſen;
über ihrer Häkelnadel, ihrem Strickſtrumpf, hinter
ihrer lieben Brille, hat ſie nur die Gewißheit feſt¬
gehalten: ‚Den Schlingel, das arme Kind kenne ich
zu gut, um nicht zu wiſſen, wie das feſt darauf
rechnet, ſich noch einmal hinter meiner Schürze zu
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/230>, abgerufen am 23.11.2024.
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