Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

spanisch Rohr und zahlen Sie mir nachträglich durch
den Rest der Nacht, was ich an Ihnen pecciret und
meritirt habe und geben Sie's mir für das ganze
Kloster, Abt, Amtmann, Rector, Doctoren und Kolla¬
boratoren mit. Haue Er sie nach Herzenslust in meiner
Person. Lasse Er mich in dieser Nacht den wohlverdienten
Sündenbock sein für Seine armen elenden dreißig un¬
belohnten, übelbelohnten Jahre am Schuldienst zu Ame¬
lungsborn. Nachher brauche ich nur noch Einen andern
Abschied hier am Ort zu nehmen; dann werd' ich ja
auch wohl den Herrn Vetter auf dem Marsche durch
den Ith irgendwo todt oder lebendig treffen; oder wenn
den nicht, so doch ohnzweifelhaft den Herrn Herzog
Ferdinand und -- nachher werd' ich's an die Franzosen
weiter geben, was Er mir, liebster Herr Magister, in
dieser Nacht an Restanten ausgezahlet hat. Da verlasse
Er sich drauf! Vivat Ferdinandus dux! imperator!
victor
! Sie belieben zuzuhauen und mir den meritirten
Lohn zu verabreichen."

Der reuige Sünder hatte wahrhaftig sich den Stuhl vor
dem Magister zurecht gerückt und holte wirklich und im
vollen Ernst den Stock aus dem Winkel und bot ihn dem
guten Herrn hin; aber dieser sprach, die gefalteten Hände
vor sich hinstreckend und so mit ihnen abwehrend und mit
einer durch Erregung und Rührung erstickten Stimme:

"Mein lieber Junker von Münchhausen!?" ...

"Sie belieben nicht? Der allerbeste Herr wollen
Alles mir boshaften Cujon und Halunken hingehen lassen?

ſpaniſch Rohr und zahlen Sie mir nachträglich durch
den Reſt der Nacht, was ich an Ihnen pecciret und
meritirt habe und geben Sie's mir für das ganze
Kloſter, Abt, Amtmann, Rector, Doctoren und Kolla¬
boratoren mit. Haue Er ſie nach Herzensluſt in meiner
Perſon. Laſſe Er mich in dieſer Nacht den wohlverdienten
Sündenbock ſein für Seine armen elenden dreißig un¬
belohnten, übelbelohnten Jahre am Schuldienſt zu Ame¬
lungsborn. Nachher brauche ich nur noch Einen andern
Abſchied hier am Ort zu nehmen; dann werd' ich ja
auch wohl den Herrn Vetter auf dem Marſche durch
den Ith irgendwo todt oder lebendig treffen; oder wenn
den nicht, ſo doch ohnzweifelhaft den Herrn Herzog
Ferdinand und — nachher werd' ich's an die Franzoſen
weiter geben, was Er mir, liebſter Herr Magiſter, in
dieſer Nacht an Reſtanten ausgezahlet hat. Da verlaſſe
Er ſich drauf! Vivat Ferdinandus dux! imperator!
victor
! Sie belieben zuzuhauen und mir den meritirten
Lohn zu verabreichen.“

Der reuige Sünder hatte wahrhaftig ſich den Stuhl vor
dem Magiſter zurecht gerückt und holte wirklich und im
vollen Ernſt den Stock aus dem Winkel und bot ihn dem
guten Herrn hin; aber dieſer ſprach, die gefalteten Hände
vor ſich hinſtreckend und ſo mit ihnen abwehrend und mit
einer durch Erregung und Rührung erſtickten Stimme:

„Mein lieber Junker von Münchhauſen!?“ ...

„Sie belieben nicht? Der allerbeſte Herr wollen
Alles mir boshaften Cujon und Halunken hingehen laſſen?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="100"/>
&#x017F;pani&#x017F;ch Rohr und zahlen Sie mir nachträglich durch<lb/>
den Re&#x017F;t der Nacht, was ich an Ihnen pecciret und<lb/>
meritirt habe und geben Sie's mir für das ganze<lb/>
Klo&#x017F;ter, Abt, Amtmann, Rector, Doctoren und Kolla¬<lb/>
boratoren mit. Haue Er &#x017F;ie nach Herzenslu&#x017F;t in meiner<lb/>
Per&#x017F;on. La&#x017F;&#x017F;e Er mich in die&#x017F;er Nacht den wohlverdienten<lb/>
Sündenbock &#x017F;ein für Seine armen elenden dreißig un¬<lb/>
belohnten, übelbelohnten Jahre am Schuldien&#x017F;t zu Ame¬<lb/>
lungsborn. Nachher brauche ich nur noch Einen andern<lb/>
Ab&#x017F;chied hier am Ort zu nehmen; dann werd' ich ja<lb/>
auch wohl den Herrn Vetter auf dem Mar&#x017F;che durch<lb/>
den Ith irgendwo todt oder lebendig treffen; oder wenn<lb/>
den nicht, &#x017F;o doch ohnzweifelhaft den Herrn Herzog<lb/>
Ferdinand und &#x2014; nachher werd' ich's an die Franzo&#x017F;en<lb/>
weiter geben, was Er mir, lieb&#x017F;ter Herr Magi&#x017F;ter, in<lb/>
die&#x017F;er Nacht an Re&#x017F;tanten ausgezahlet hat. Da verla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Er &#x017F;ich drauf! <hi rendition="#aq">Vivat Ferdinandus dux! imperator!<lb/>
victor</hi>! Sie belieben zuzuhauen und mir den meritirten<lb/>
Lohn zu verabreichen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der reuige Sünder hatte wahrhaftig &#x017F;ich den Stuhl vor<lb/>
dem Magi&#x017F;ter zurecht gerückt und holte wirklich und im<lb/>
vollen Ern&#x017F;t den Stock aus dem Winkel und bot ihn dem<lb/>
guten Herrn hin; aber die&#x017F;er &#x017F;prach, die gefalteten Hände<lb/>
vor &#x017F;ich hin&#x017F;treckend und &#x017F;o mit ihnen abwehrend und mit<lb/>
einer durch Erregung und Rührung er&#x017F;tickten Stimme:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein lieber Junker von Münchhau&#x017F;en!?&#x201C; ...</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie belieben nicht? Der allerbe&#x017F;te Herr wollen<lb/>
Alles mir boshaften Cujon und Halunken hingehen la&#x017F;&#x017F;en?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0108] ſpaniſch Rohr und zahlen Sie mir nachträglich durch den Reſt der Nacht, was ich an Ihnen pecciret und meritirt habe und geben Sie's mir für das ganze Kloſter, Abt, Amtmann, Rector, Doctoren und Kolla¬ boratoren mit. Haue Er ſie nach Herzensluſt in meiner Perſon. Laſſe Er mich in dieſer Nacht den wohlverdienten Sündenbock ſein für Seine armen elenden dreißig un¬ belohnten, übelbelohnten Jahre am Schuldienſt zu Ame¬ lungsborn. Nachher brauche ich nur noch Einen andern Abſchied hier am Ort zu nehmen; dann werd' ich ja auch wohl den Herrn Vetter auf dem Marſche durch den Ith irgendwo todt oder lebendig treffen; oder wenn den nicht, ſo doch ohnzweifelhaft den Herrn Herzog Ferdinand und — nachher werd' ich's an die Franzoſen weiter geben, was Er mir, liebſter Herr Magiſter, in dieſer Nacht an Reſtanten ausgezahlet hat. Da verlaſſe Er ſich drauf! Vivat Ferdinandus dux! imperator! victor! Sie belieben zuzuhauen und mir den meritirten Lohn zu verabreichen.“ Der reuige Sünder hatte wahrhaftig ſich den Stuhl vor dem Magiſter zurecht gerückt und holte wirklich und im vollen Ernſt den Stock aus dem Winkel und bot ihn dem guten Herrn hin; aber dieſer ſprach, die gefalteten Hände vor ſich hinſtreckend und ſo mit ihnen abwehrend und mit einer durch Erregung und Rührung erſtickten Stimme: „Mein lieber Junker von Münchhauſen!?“ ... „Sie belieben nicht? Der allerbeſte Herr wollen Alles mir boshaften Cujon und Halunken hingehen laſſen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/108
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/108>, abgerufen am 24.11.2024.