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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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den sich Selindens Kämmerlein öffnete, und sie waren
in Selindens Kämmerlein:

"Bon jour, Mademoiselle! Venons -- baisons!
Venons -- aimons! Venons a cinquante, cinq-cents!"

Ein Faustschlag krachte nieder auf die Nase des
Voltigeurs vom Regiment Navarra, der allzu zärtlich
die Arme nach der Schönen ausstreckte und dabei die
Rechnung ohne den jungen frühern Anbeter der Dirne
gemacht hatte. Bewußtlos, blutüberströmt stürzte der
Marodeur zu Boden und seine Waffen klirrten über
ihn. Doch auch die Waffen des übrigens Gesindels
klirrten. Mit Sacrenom und Sacredieu kamen sie
ihm mit Kolben und Bajonett zu Leibe, doch der
Schüler griff das Lämpchen der Jungfer Fegebanck
von der Kommode und löschte es im Wurf aus auf
der Stirn des nächsten Feindes, der dann über den
Kameraden zu Boden taumelte und im Falle seine
Büchse gegen die Decke losbrannte. In die Laterne,
die ein beutegierig Lagerweib von ihrem Bagagewagen
zur bessern Beleuchtung ihrer Wege mit sich trug, trat
der Junker Thedel mit dem Fuße. Es war im
November und am frühesten Morgen; für das jetzt
erfolgende Durcheinander in dem Kämmerlein der Jung¬
frau und in den Gängen und auf den Treppen von
Amelungsborn noch vollkommen Nacht. Nur der Junker
von Münchhausen wußte auch in der Dunkelheit genau
Hausgelegenheit. Er verlor einen Rockschooß, der ihm
durch einen Bajonettstoß an die Wand genagelt wurde,

den ſich Selindens Kämmerlein öffnete, und ſie waren
in Selindens Kämmerlein:

„Bon jour, Mademoiselle! Venons — baisons!
Venons — aimons! Venons à cinquante, cinq-cents!“

Ein Fauſtſchlag krachte nieder auf die Naſe des
Voltigeurs vom Regiment Navarra, der allzu zärtlich
die Arme nach der Schönen ausſtreckte und dabei die
Rechnung ohne den jungen frühern Anbeter der Dirne
gemacht hatte. Bewußtlos, blutüberſtrömt ſtürzte der
Marodeur zu Boden und ſeine Waffen klirrten über
ihn. Doch auch die Waffen des übrigens Geſindels
klirrten. Mit Sacrenom und Sacredieu kamen ſie
ihm mit Kolben und Bajonett zu Leibe, doch der
Schüler griff das Lämpchen der Jungfer Fegebanck
von der Kommode und löſchte es im Wurf aus auf
der Stirn des nächſten Feindes, der dann über den
Kameraden zu Boden taumelte und im Falle ſeine
Büchſe gegen die Decke losbrannte. In die Laterne,
die ein beutegierig Lagerweib von ihrem Bagagewagen
zur beſſern Beleuchtung ihrer Wege mit ſich trug, trat
der Junker Thedel mit dem Fuße. Es war im
November und am früheſten Morgen; für das jetzt
erfolgende Durcheinander in dem Kämmerlein der Jung¬
frau und in den Gängen und auf den Treppen von
Amelungsborn noch vollkommen Nacht. Nur der Junker
von Münchhauſen wußte auch in der Dunkelheit genau
Hausgelegenheit. Er verlor einen Rockſchooß, der ihm
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[132/0140] den ſich Selindens Kämmerlein öffnete, und ſie waren in Selindens Kämmerlein: „Bon jour, Mademoiselle! Venons — baisons! Venons — aimons! Venons à cinquante, cinq-cents!“ Ein Fauſtſchlag krachte nieder auf die Naſe des Voltigeurs vom Regiment Navarra, der allzu zärtlich die Arme nach der Schönen ausſtreckte und dabei die Rechnung ohne den jungen frühern Anbeter der Dirne gemacht hatte. Bewußtlos, blutüberſtrömt ſtürzte der Marodeur zu Boden und ſeine Waffen klirrten über ihn. Doch auch die Waffen des übrigens Geſindels klirrten. Mit Sacrenom und Sacredieu kamen ſie ihm mit Kolben und Bajonett zu Leibe, doch der Schüler griff das Lämpchen der Jungfer Fegebanck von der Kommode und löſchte es im Wurf aus auf der Stirn des nächſten Feindes, der dann über den Kameraden zu Boden taumelte und im Falle ſeine Büchſe gegen die Decke losbrannte. In die Laterne, die ein beutegierig Lagerweib von ihrem Bagagewagen zur beſſern Beleuchtung ihrer Wege mit ſich trug, trat der Junker Thedel mit dem Fuße. Es war im November und am früheſten Morgen; für das jetzt erfolgende Durcheinander in dem Kämmerlein der Jung¬ frau und in den Gängen und auf den Treppen von Amelungsborn noch vollkommen Nacht. Nur der Junker von Münchhauſen wußte auch in der Dunkelheit genau Hausgelegenheit. Er verlor einen Rockſchooß, der ihm durch einen Bajonettſtoß an die Wand genagelt wurde,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/140>, abgerufen am 21.11.2024.