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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Zeuch, Fahler, zeuch!
Balde woll'n wir Tille dreschen,
Woll'n sie geben in Kraut zu fressen,
Zeuch, Fahler, zeuch!"

"Und da sind wir am Berg! Und da kuckt der Till
heraus aus dem Gewölk. Da soll der Herr Feldmar¬
schall Tilly ja wohl auch vordem eine große Bataille
gewonnen und dem Berg seinen Namen gegeben haben!"
rief Thedel von Münchhausen.

"Es hat mein Vorfahrer in meiner Stube zu
Amelungsborn, der Bruder Philemon, den Vers wohl
nicht in die Fensterscheibe gegraben. Der letzte Mönch
und Bruder Cistercienser, der ist wohl nach jener
Schlacht vielleicht auch gewandert auf der Flucht, grade
auf diesem Pfade der Wildniß. Der hat wohl auch
das Seinige hinter sich lassen müssen, dachlos, herdlos
hauslos, wie der alte Buchius. Eine heulende Wüstenei
ist auch heute wieder das arme Deutschland, und wir
Kinder des Landes gehen rathlos in der Irre zwischen
den blutigen Fremdlingen --"

"Ja, hört! horcht! Hört ihr den Dudelsack? Da
quinkeliren sie her! Das sind der Bergschotten Dudel¬
säcke. O Herr Magister -- Mademoisell, jetzt wird's
erst ganz lustig. Hinter uns König Louis, vor uns
König George, und wir mitten drunter, Seelen-Selind¬
chen, mitten zwischen den Kerlen mit den nackten Beinen,
Seehundsbeuteln, Umschlagetüchern und Federmützen;
ihre Messer, Pistolen und Flinten ganz ungerechnet.

Zeuch, Fahler, zeuch!
Balde woll'n wir Tille dreſchen,
Woll'n ſie geben in Kraut zu freſſen,
Zeuch, Fahler, zeuch!“

„Und da ſind wir am Berg! Und da kuckt der Till
heraus aus dem Gewölk. Da ſoll der Herr Feldmar¬
ſchall Tilly ja wohl auch vordem eine große Bataille
gewonnen und dem Berg ſeinen Namen gegeben haben!“
rief Thedel von Münchhauſen.

„Es hat mein Vorfahrer in meiner Stube zu
Amelungsborn, der Bruder Philemon, den Vers wohl
nicht in die Fenſterſcheibe gegraben. Der letzte Mönch
und Bruder Ciſtercienſer, der iſt wohl nach jener
Schlacht vielleicht auch gewandert auf der Flucht, grade
auf dieſem Pfade der Wildniß. Der hat wohl auch
das Seinige hinter ſich laſſen müſſen, dachlos, herdlos
hauslos, wie der alte Buchius. Eine heulende Wüſtenei
iſt auch heute wieder das arme Deutſchland, und wir
Kinder des Landes gehen rathlos in der Irre zwiſchen
den blutigen Fremdlingen —“

„Ja, hört! horcht! Hört ihr den Dudelſack? Da
quinkeliren ſie her! Das ſind der Bergſchotten Dudel¬
ſäcke. O Herr Magiſter — Mademoiſell, jetzt wird's
erſt ganz luſtig. Hinter uns König Louis, vor uns
König George, und wir mitten drunter, Seelen-Selind¬
chen, mitten zwiſchen den Kerlen mit den nackten Beinen,
Seehundsbeuteln, Umſchlagetüchern und Federmützen;
ihre Meſſer, Piſtolen und Flinten ganz ungerechnet.

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[175/0183] Zeuch, Fahler, zeuch! Balde woll'n wir Tille dreſchen, Woll'n ſie geben in Kraut zu freſſen, Zeuch, Fahler, zeuch!“ „Und da ſind wir am Berg! Und da kuckt der Till heraus aus dem Gewölk. Da ſoll der Herr Feldmar¬ ſchall Tilly ja wohl auch vordem eine große Bataille gewonnen und dem Berg ſeinen Namen gegeben haben!“ rief Thedel von Münchhauſen. „Es hat mein Vorfahrer in meiner Stube zu Amelungsborn, der Bruder Philemon, den Vers wohl nicht in die Fenſterſcheibe gegraben. Der letzte Mönch und Bruder Ciſtercienſer, der iſt wohl nach jener Schlacht vielleicht auch gewandert auf der Flucht, grade auf dieſem Pfade der Wildniß. Der hat wohl auch das Seinige hinter ſich laſſen müſſen, dachlos, herdlos hauslos, wie der alte Buchius. Eine heulende Wüſtenei iſt auch heute wieder das arme Deutſchland, und wir Kinder des Landes gehen rathlos in der Irre zwiſchen den blutigen Fremdlingen —“ „Ja, hört! horcht! Hört ihr den Dudelſack? Da quinkeliren ſie her! Das ſind der Bergſchotten Dudel¬ ſäcke. O Herr Magiſter — Mademoiſell, jetzt wird's erſt ganz luſtig. Hinter uns König Louis, vor uns König George, und wir mitten drunter, Seelen-Selind¬ chen, mitten zwiſchen den Kerlen mit den nackten Beinen, Seehundsbeuteln, Umſchlagetüchern und Federmützen; ihre Meſſer, Piſtolen und Flinten ganz ungerechnet.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/183>, abgerufen am 24.11.2024.