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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Vivat der Herzog Ferdinand von Braunschweig, Lüne¬
burg und Bevern! wie ich aber da den Herr Vetter und
seine hannöverschen Jäger herausfinden werde, das
möchte ich wissen! Hussah -- nec timor, nec pavor:
nur keine Angst und Bange! und da ist es Tag --
und da haben wir die ganze Bescheerung vor uns --
unter uns. Den ganzen Kuchen auf der Platte!"

Dem war so. Wie ein Teppich wurde der Nebel
von unsichtbaren Händen aufgerollt. Es regnete nicht
stark, aber es kam doch ziemlich feucht herunter. Und
die Flüchtlinge von Amelungsborn, die noch unter der
schützenden Hülle, ohne ihre Schritte zu messen, fort
und fort durch's Unwegsame hier hinunter, dort hinauf
gewandert waren, erfuhren jetzo erst vom Waldrande
aus, daß sie wohl halbwegs der Höhe der Vorhügel
des Voglers sich befanden. Und sie waren alle
außer Athem und der Schimmel des Herrn Kloster¬
amtmanns mehr als sonst einer von ihnen. Sie
keuchten, und er schnob und zitterte in den Knieen, und
der Dampf ging aus seinen Nüstern wie ein anderer
Nebel.

Aber sie hatten sich Alle mit den Gesichtern nach
rechts gewendet und auch den Gaul herum gedreht.
Bis auf den letzteren hatte Keiner bei dem Schauspiel,
das sich ihnen bot, Zeit, auf seine Erschöpfung zu achten.
Selbst Mademoiselle Selinde vergaß ihre zerfetzten Fal¬
beln und ihren leeren Magen und was ihr sonst noch
fehlte oder zu viel war, um den Anblick.

Vivat der Herzog Ferdinand von Braunſchweig, Lüne¬
burg und Bevern! wie ich aber da den Herr Vetter und
ſeine hannöverſchen Jäger herausfinden werde, das
möchte ich wiſſen! Huſſah — nec timor, nec pavor:
nur keine Angſt und Bange! und da iſt es Tag —
und da haben wir die ganze Beſcheerung vor uns —
unter uns. Den ganzen Kuchen auf der Platte!“

Dem war ſo. Wie ein Teppich wurde der Nebel
von unſichtbaren Händen aufgerollt. Es regnete nicht
ſtark, aber es kam doch ziemlich feucht herunter. Und
die Flüchtlinge von Amelungsborn, die noch unter der
ſchützenden Hülle, ohne ihre Schritte zu meſſen, fort
und fort durch's Unwegſame hier hinunter, dort hinauf
gewandert waren, erfuhren jetzo erſt vom Waldrande
aus, daß ſie wohl halbwegs der Höhe der Vorhügel
des Voglers ſich befanden. Und ſie waren alle
außer Athem und der Schimmel des Herrn Kloſter¬
amtmanns mehr als ſonſt einer von ihnen. Sie
keuchten, und er ſchnob und zitterte in den Knieen, und
der Dampf ging aus ſeinen Nüſtern wie ein anderer
Nebel.

Aber ſie hatten ſich Alle mit den Geſichtern nach
rechts gewendet und auch den Gaul herum gedreht.
Bis auf den letzteren hatte Keiner bei dem Schauſpiel,
das ſich ihnen bot, Zeit, auf ſeine Erſchöpfung zu achten.
Selbſt Mademoiſelle Selinde vergaß ihre zerfetzten Fal¬
beln und ihren leeren Magen und was ihr ſonſt noch
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[176/0184] Vivat der Herzog Ferdinand von Braunſchweig, Lüne¬ burg und Bevern! wie ich aber da den Herr Vetter und ſeine hannöverſchen Jäger herausfinden werde, das möchte ich wiſſen! Huſſah — nec timor, nec pavor: nur keine Angſt und Bange! und da iſt es Tag — und da haben wir die ganze Beſcheerung vor uns — unter uns. Den ganzen Kuchen auf der Platte!“ Dem war ſo. Wie ein Teppich wurde der Nebel von unſichtbaren Händen aufgerollt. Es regnete nicht ſtark, aber es kam doch ziemlich feucht herunter. Und die Flüchtlinge von Amelungsborn, die noch unter der ſchützenden Hülle, ohne ihre Schritte zu meſſen, fort und fort durch's Unwegſame hier hinunter, dort hinauf gewandert waren, erfuhren jetzo erſt vom Waldrande aus, daß ſie wohl halbwegs der Höhe der Vorhügel des Voglers ſich befanden. Und ſie waren alle außer Athem und der Schimmel des Herrn Kloſter¬ amtmanns mehr als ſonſt einer von ihnen. Sie keuchten, und er ſchnob und zitterte in den Knieen, und der Dampf ging aus ſeinen Nüſtern wie ein anderer Nebel. Aber ſie hatten ſich Alle mit den Geſichtern nach rechts gewendet und auch den Gaul herum gedreht. Bis auf den letzteren hatte Keiner bei dem Schauſpiel, das ſich ihnen bot, Zeit, auf ſeine Erſchöpfung zu achten. Selbſt Mademoiſelle Selinde vergaß ihre zerfetzten Fal¬ beln und ihren leeren Magen und was ihr ſonſt noch fehlte oder zu viel war, um den Anblick.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/184>, abgerufen am 24.11.2024.