Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Früchte. Dann aber war wieder die Welt eine andere
geworden. Die Lehrerschaft versumpfte, das junge Volk
verwilderte im Walde, die beiden ersten schlesischen
Kriege des jungen Fritz kamen dazu, und der dritte,
der siebenjährige Krieg des alten Fritze schlug diesem
gelehrten Wesen auf dem Auerberge über dem Hoop¬
thale völlig den Boden ein. Trotz Franzosen, Eng¬
länder und Schottländern im Lande behielt Karl der
Erste zu Braunschweig-Lüneburg auch hierfür Zeit.
Wahrscheinlich nach Rücksprache mit seinen trefflichen
Männern von seinem erlauchten Collegio Carolino sah
er, daß die Sache so nicht mehr ging.

"Eine hohe Schule der Wilddiebe conveniret weder
Uns noch Unsern in Gott ruhenden Ahnen," meinten
Seine hochfürstliche Durchlaucht und holten den Cötus
weg aus dem Walde und die Lehrerschaft aus dem
Sumpfe.

Wer heute auf der Weser zu Berg oder zu Thal
fährt, der bemerkt bei der guten Stadt Holzminden ein
stattlich Gebäude, an dessen Giebel die Worte stehen:
DEO ET LITTERIS.

In diesen Worten wächst heute noch weiter, was
im Jahre 1124 von den Mönchen aus Cisteaux auf
dem Auerberge über dem Hoopthale und dem Brunnen
des frommen Bruders Amelung in den Boden gelegt
worden ist. Aus der Klosterschule von Amelungsborn
ist ein berühmtes Gymnasium geworden, und der jedes¬
malige Rector darf sich immer auch noch Prior

Früchte. Dann aber war wieder die Welt eine andere
geworden. Die Lehrerſchaft verſumpfte, das junge Volk
verwilderte im Walde, die beiden erſten ſchleſiſchen
Kriege des jungen Fritz kamen dazu, und der dritte,
der ſiebenjährige Krieg des alten Fritze ſchlug dieſem
gelehrten Weſen auf dem Auerberge über dem Hoop¬
thale völlig den Boden ein. Trotz Franzoſen, Eng¬
länder und Schottländern im Lande behielt Karl der
Erſte zu Braunſchweig-Lüneburg auch hierfür Zeit.
Wahrſcheinlich nach Rückſprache mit ſeinen trefflichen
Männern von ſeinem erlauchten Collegio Carolino ſah
er, daß die Sache ſo nicht mehr ging.

„Eine hohe Schule der Wilddiebe conveniret weder
Uns noch Unſern in Gott ruhenden Ahnen,“ meinten
Seine hochfürſtliche Durchlaucht und holten den Cötus
weg aus dem Walde und die Lehrerſchaft aus dem
Sumpfe.

Wer heute auf der Weſer zu Berg oder zu Thal
fährt, der bemerkt bei der guten Stadt Holzminden ein
ſtattlich Gebäude, an deſſen Giebel die Worte ſtehen:
DEO ET LITTERIS.

In dieſen Worten wächſt heute noch weiter, was
im Jahre 1124 von den Mönchen aus Ciſteaux auf
dem Auerberge über dem Hoopthale und dem Brunnen
des frommen Bruders Amelung in den Boden gelegt
worden iſt. Aus der Kloſterſchule von Amelungsborn
iſt ein berühmtes Gymnaſium geworden, und der jedes¬
malige Rector darf ſich immer auch noch Prior

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="12"/>
Früchte. Dann aber war wieder die Welt eine andere<lb/>
geworden. Die Lehrer&#x017F;chaft ver&#x017F;umpfte, das junge Volk<lb/>
verwilderte im Walde, die beiden er&#x017F;ten &#x017F;chle&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Kriege des jungen Fritz kamen dazu, und der dritte,<lb/>
der &#x017F;iebenjährige Krieg des alten Fritze &#x017F;chlug die&#x017F;em<lb/>
gelehrten We&#x017F;en auf dem Auerberge über dem Hoop¬<lb/>
thale völlig den Boden ein. Trotz Franzo&#x017F;en, Eng¬<lb/>
länder und Schottländern im Lande behielt Karl der<lb/>
Er&#x017F;te zu Braun&#x017F;chweig-Lüneburg auch hierfür Zeit.<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlich nach Rück&#x017F;prache mit &#x017F;einen trefflichen<lb/>
Männern von &#x017F;einem erlauchten Collegio Carolino &#x017F;ah<lb/>
er, daß die Sache &#x017F;o nicht mehr ging.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine hohe Schule der Wilddiebe conveniret weder<lb/>
Uns noch Un&#x017F;ern in Gott ruhenden Ahnen,&#x201C; meinten<lb/>
Seine hochfür&#x017F;tliche Durchlaucht und holten den Cötus<lb/>
weg aus dem Walde und die Lehrer&#x017F;chaft aus dem<lb/>
Sumpfe.</p><lb/>
        <p>Wer heute auf der We&#x017F;er zu Berg oder zu Thal<lb/>
fährt, der bemerkt bei der guten Stadt Holzminden ein<lb/>
&#x017F;tattlich Gebäude, an de&#x017F;&#x017F;en Giebel die Worte &#x017F;tehen:<lb/><hi rendition="#aq #b">DEO ET LITTERIS.</hi></p><lb/>
        <p>In die&#x017F;en Worten wäch&#x017F;t heute noch weiter, was<lb/>
im Jahre 1124 von den Mönchen aus Ci&#x017F;teaux auf<lb/>
dem Auerberge über dem Hoopthale und dem Brunnen<lb/>
des frommen Bruders Amelung in den Boden gelegt<lb/>
worden i&#x017F;t. Aus der Klo&#x017F;ter&#x017F;chule von Amelungsborn<lb/>
i&#x017F;t ein berühmtes Gymna&#x017F;ium geworden, und der jedes¬<lb/>
malige Rector darf &#x017F;ich immer auch noch Prior<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0020] Früchte. Dann aber war wieder die Welt eine andere geworden. Die Lehrerſchaft verſumpfte, das junge Volk verwilderte im Walde, die beiden erſten ſchleſiſchen Kriege des jungen Fritz kamen dazu, und der dritte, der ſiebenjährige Krieg des alten Fritze ſchlug dieſem gelehrten Weſen auf dem Auerberge über dem Hoop¬ thale völlig den Boden ein. Trotz Franzoſen, Eng¬ länder und Schottländern im Lande behielt Karl der Erſte zu Braunſchweig-Lüneburg auch hierfür Zeit. Wahrſcheinlich nach Rückſprache mit ſeinen trefflichen Männern von ſeinem erlauchten Collegio Carolino ſah er, daß die Sache ſo nicht mehr ging. „Eine hohe Schule der Wilddiebe conveniret weder Uns noch Unſern in Gott ruhenden Ahnen,“ meinten Seine hochfürſtliche Durchlaucht und holten den Cötus weg aus dem Walde und die Lehrerſchaft aus dem Sumpfe. Wer heute auf der Weſer zu Berg oder zu Thal fährt, der bemerkt bei der guten Stadt Holzminden ein ſtattlich Gebäude, an deſſen Giebel die Worte ſtehen: DEO ET LITTERIS. In dieſen Worten wächſt heute noch weiter, was im Jahre 1124 von den Mönchen aus Ciſteaux auf dem Auerberge über dem Hoopthale und dem Brunnen des frommen Bruders Amelung in den Boden gelegt worden iſt. Aus der Kloſterſchule von Amelungsborn iſt ein berühmtes Gymnaſium geworden, und der jedes¬ malige Rector darf ſich immer auch noch Prior

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/20
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/20>, abgerufen am 21.11.2024.