lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und stolperte. "Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen unter den Todten läge, möchte ich wohl sagen, daß mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß zum bösen Zeichen für die künftigen Tage gewiesen worden sei."
Auch er schüttelte das Haupt und trotz seines schweren Kummers mußte er lächeln:
"Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unsere Gedanken! der Mensch auf Erden kann doch keine Ein¬ bildung in sich verhindern, ob sie schlimm oder gut sei! ... aber er kann sich fassen und zusammennehmen in christlicher und heidnischer Weisheit und kann sagen: Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf an, wie Du heut' Abend die Stelle findest, allwo Dein Bette gestanden hat, auf welchem Du nur zu oft in boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich um und um gewendet hast. Kehre bei Dir selber ein, Menschenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte zugerichtet findest."
Er fand das Stück von Kloster Amelungsborn, wo ihm seine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls sauber zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten sie auch da gewirthschaftet, Feind und Freund. Was in den alten schon so verstörten Auditorien von der alten gelehrten Herrlichkeit und Würde sich noch bis gestern erhalten hatte, das war jetzo ganz hin. Das letzte Subsellium, das letzte Katheder war in Feuer aufgegangen, dem fremden
lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und ſtolperte. „Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen unter den Todten läge, möchte ich wohl ſagen, daß mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß zum böſen Zeichen für die künftigen Tage gewieſen worden ſei.“
Auch er ſchüttelte das Haupt und trotz ſeines ſchweren Kummers mußte er lächeln:
„Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unſere Gedanken! der Menſch auf Erden kann doch keine Ein¬ bildung in ſich verhindern, ob ſie ſchlimm oder gut ſei! ... aber er kann ſich faſſen und zuſammennehmen in chriſtlicher und heidniſcher Weisheit und kann ſagen: Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf an, wie Du heut' Abend die Stelle findeſt, allwo Dein Bette geſtanden hat, auf welchem Du nur zu oft in boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich um und um gewendet haſt. Kehre bei Dir ſelber ein, Menſchenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte zugerichtet findeſt.“
Er fand das Stück von Kloſter Amelungsborn, wo ihm ſeine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls ſauber zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten ſie auch da gewirthſchaftet, Feind und Freund. Was in den alten ſchon ſo verſtörten Auditorien von der alten gelehrten Herrlichkeit und Würde ſich noch bis geſtern erhalten hatte, das war jetzo ganz hin. Das letzte Subſellium, das letzte Katheder war in Feuer aufgegangen, dem fremden
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0298"n="290"/>
lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und<lb/>ſtolperte. „Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen<lb/>
unter den Todten läge, möchte ich wohl ſagen, daß<lb/>
mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß<lb/>
zum böſen Zeichen für die künftigen Tage gewieſen<lb/>
worden ſei.“</p><lb/><p>Auch er ſchüttelte das Haupt und trotz ſeines<lb/>ſchweren Kummers mußte er lächeln:</p><lb/><p>„Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unſere<lb/>
Gedanken! der Menſch auf Erden kann doch keine Ein¬<lb/>
bildung in ſich verhindern, ob ſie ſchlimm oder gut<lb/>ſei! ... aber er kann ſich faſſen und zuſammennehmen<lb/>
in chriſtlicher und heidniſcher Weisheit und kann ſagen:<lb/>
Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf<lb/>
an, wie Du heut' Abend die Stelle findeſt, allwo Dein<lb/>
Bette geſtanden hat, auf welchem Du nur zu oft in<lb/>
boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich<lb/>
um und um gewendet haſt. Kehre bei Dir ſelber ein,<lb/>
Menſchenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte<lb/>
zugerichtet findeſt.“</p><lb/><p>Er fand das Stück von Kloſter Amelungsborn, wo<lb/>
ihm ſeine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls ſauber<lb/>
zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten ſie auch da<lb/>
gewirthſchaftet, Feind und Freund. Was in den alten<lb/>ſchon ſo verſtörten Auditorien von der alten gelehrten<lb/>
Herrlichkeit und Würde ſich noch bis geſtern erhalten hatte,<lb/>
das war jetzo ganz hin. Das letzte Subſellium, das<lb/>
letzte Katheder war in Feuer aufgegangen, dem fremden<lb/></p></div></body></text></TEI>
[290/0298]
lungsborn bei jedem dritten Schritte ausglitt und
ſtolperte. „Hm, hm, wenn der Knabe nicht draußen
unter den Todten läge, möchte ich wohl ſagen, daß
mir der Raben Bataille über dem Odfelde nicht bloß
zum böſen Zeichen für die künftigen Tage gewieſen
worden ſei.“
Auch er ſchüttelte das Haupt und trotz ſeines
ſchweren Kummers mußte er lächeln:
„Ei, ei, wie reden wir doch? wie laufen unſere
Gedanken! der Menſch auf Erden kann doch keine Ein¬
bildung in ſich verhindern, ob ſie ſchlimm oder gut
ſei! ... aber er kann ſich faſſen und zuſammennehmen
in chriſtlicher und heidniſcher Weisheit und kann ſagen:
Buchius, es kommt für dich Alten nicht mehr darauf
an, wie Du heut' Abend die Stelle findeſt, allwo Dein
Bette geſtanden hat, auf welchem Du nur zu oft in
boshaften Gedanken und ärgerlichen Einbildungen Dich
um und um gewendet haſt. Kehre bei Dir ſelber ein,
Menſchenkind, und lege Dich da, wo Du Deine Stätte
zugerichtet findeſt.“
Er fand das Stück von Kloſter Amelungsborn, wo
ihm ſeine Stätte bereitet war, wahrlich ebenfalls ſauber
zugerichtet. Wie die wilden Thiere hatten ſie auch da
gewirthſchaftet, Feind und Freund. Was in den alten
ſchon ſo verſtörten Auditorien von der alten gelehrten
Herrlichkeit und Würde ſich noch bis geſtern erhalten hatte,
das war jetzo ganz hin. Das letzte Subſellium, das
letzte Katheder war in Feuer aufgegangen, dem fremden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/298>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.