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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seinem Gefängniß über dem Römerthor lachte und spottete der Meister Hämmerling nach Herzenslust und brachte seine letzten Lebenstage so heiter und vergnügt als möglich zu. Die Durchpassirenden konnten bis tief in die Nacht hinein vernehmen, wie er Hohnlieder sang auf eine gute Stadt und einen hochweisen und hochverlegenen Rath. Kein Schöffe mochte zuletzt mehr durch das Römerthor gehen; denn jedesmal, wenn solches geschah, zwängte sich durch das Gitterfenster des Kerkers ein wildes, grinsendes, rothhaariges Menschenhaupt, und eine gefesselte Hand drehte dem Herrn eine höhnische lange Nase. Nicht zu ertragen war das Aergerniß, und das Schlimmste war, daß zu allem Andern der Kerl auch sehr schwer auf dem Stadtseckel lag. Ein altes Gesetz verordnete, daß, wenn ein Urtheil Jemandem zuerkannt war, bis zur Ausführung des Richterspruches dem Verurtheilten an Speise und Trank gegeben werden solle, was er verlange und zwar auf Stadtkosten. Nun war der jetzige Delinquent in seiner unschuldigen Jugend Küchenjunge bei einem dicken, nahrhaften holländischen Gesandten am Hofe zu Wien gewesen, wußte, was das Herz erfreute, und war gar nicht blöde, das Erfreuliche zu fordern. So herrschte denn zu jeder Tageszeit ein sehr leckerer Duft von Gesottenem, Geschmortem und Gebratenem um das Römerthor. Selbst die Mauergewächse schienen in dieser Atmosphäre ein gedeihlicheres Ansehen zu gewinnen und frischer zu grünen; der Stadtkoch aber kam nicht aus dem Schweiß, der Rathskellermeister nicht

seinem Gefängniß über dem Römerthor lachte und spottete der Meister Hämmerling nach Herzenslust und brachte seine letzten Lebenstage so heiter und vergnügt als möglich zu. Die Durchpassirenden konnten bis tief in die Nacht hinein vernehmen, wie er Hohnlieder sang auf eine gute Stadt und einen hochweisen und hochverlegenen Rath. Kein Schöffe mochte zuletzt mehr durch das Römerthor gehen; denn jedesmal, wenn solches geschah, zwängte sich durch das Gitterfenster des Kerkers ein wildes, grinsendes, rothhaariges Menschenhaupt, und eine gefesselte Hand drehte dem Herrn eine höhnische lange Nase. Nicht zu ertragen war das Aergerniß, und das Schlimmste war, daß zu allem Andern der Kerl auch sehr schwer auf dem Stadtseckel lag. Ein altes Gesetz verordnete, daß, wenn ein Urtheil Jemandem zuerkannt war, bis zur Ausführung des Richterspruches dem Verurtheilten an Speise und Trank gegeben werden solle, was er verlange und zwar auf Stadtkosten. Nun war der jetzige Delinquent in seiner unschuldigen Jugend Küchenjunge bei einem dicken, nahrhaften holländischen Gesandten am Hofe zu Wien gewesen, wußte, was das Herz erfreute, und war gar nicht blöde, das Erfreuliche zu fordern. So herrschte denn zu jeder Tageszeit ein sehr leckerer Duft von Gesottenem, Geschmortem und Gebratenem um das Römerthor. Selbst die Mauergewächse schienen in dieser Atmosphäre ein gedeihlicheres Ansehen zu gewinnen und frischer zu grünen; der Stadtkoch aber kam nicht aus dem Schweiß, der Rathskellermeister nicht

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seinem Gefängniß über dem Römerthor lachte      und spottete der Meister Hämmerling nach Herzenslust und brachte seine letzten Lebenstage so      heiter und vergnügt als möglich zu. Die Durchpassirenden konnten bis tief in die Nacht hinein      vernehmen, wie er Hohnlieder sang auf eine gute Stadt und einen hochweisen und hochverlegenen      Rath. Kein Schöffe mochte zuletzt mehr durch das Römerthor gehen; denn jedesmal, wenn solches      geschah, zwängte sich durch das Gitterfenster des Kerkers ein wildes, grinsendes, rothhaariges      Menschenhaupt, und eine gefesselte Hand drehte dem Herrn eine höhnische lange Nase. Nicht zu      ertragen war das Aergerniß, und das Schlimmste war, daß zu allem Andern der Kerl auch sehr      schwer auf dem Stadtseckel lag. Ein altes Gesetz verordnete, daß, wenn ein Urtheil Jemandem      zuerkannt war, bis zur Ausführung des Richterspruches dem Verurtheilten an Speise und Trank      gegeben werden solle, was er verlange und zwar auf Stadtkosten. Nun war der jetzige Delinquent      in seiner unschuldigen Jugend Küchenjunge bei einem dicken, nahrhaften holländischen Gesandten      am Hofe zu Wien gewesen, wußte, was das Herz erfreute, und war gar nicht blöde, das Erfreuliche      zu fordern. So herrschte denn zu jeder Tageszeit ein sehr leckerer Duft von Gesottenem,      Geschmortem und Gebratenem um das Römerthor. Selbst die Mauergewächse schienen in dieser      Atmosphäre ein gedeihlicheres Ansehen zu gewinnen und frischer zu grünen; der Stadtkoch aber      kam nicht aus dem Schweiß, der Rathskellermeister nicht<lb/></p>
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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/12>, abgerufen am 21.11.2024.