anfangs nur ein erster April, wo man die Narren "umherschickt -- in den April." Selbst der Zuwachs seiner Bibliothek, bestehend aus den Schulbüchern seiner Klasse und -- Funke's Naturgeschichte, vermag ihn nur mittelmäßig zu trösten; ein größerer Freund ist ihm in dieser Epoche seines Daseins das alte wacklige Clavier, welches ihm der Vater gemiethet und in sein Dachstüb- chen gestellt hat. Davor sitzt der Arme und spielt seine Choräle und Volksweisen, -- letztere nach dem Gehör -- und denkt zurück an sein Dorf, an seine Eltern und Geschwister und vor allem an die Schule, wo er der Erste war, -- ja sogar in der Ernte den Vater zuweilen vertreten durfte; während er hier -- er der große Ben- gel! ganz unten seinen Platz unter den Kleinsten und Faulsten bekommen hat!
Warte nur, armer Kerl, -- sieh, da bricht schon der erste freudige Strahl in Dein dunkles Sein. Ge- wöhnlich giebt es auf jeder Schule einen Lehrer, der ein Original, ein Sammler, vielleicht ein leidenschaftlicher Naturfreund ist, womit meistens die Gabe der Mit- theilung sich verbindet, dem begegne Du armes einsames Gemüth und Du wirst einen Freund gefunden haben. Jetzt verändert sich Alles!
Welch' ein Schweifen nun über Berg und Thal; welch' ein Versenken in all' die kleinen und kleinsten ge-
anfangs nur ein erſter April, wo man die Narren „umherſchickt — in den April.“ Selbſt der Zuwachs ſeiner Bibliothek, beſtehend aus den Schulbüchern ſeiner Klaſſe und — Funke’s Naturgeſchichte, vermag ihn nur mittelmäßig zu tröſten; ein größerer Freund iſt ihm in dieſer Epoche ſeines Daſeins das alte wacklige Clavier, welches ihm der Vater gemiethet und in ſein Dachſtüb- chen geſtellt hat. Davor ſitzt der Arme und ſpielt ſeine Choräle und Volksweiſen, — letztere nach dem Gehör — und denkt zurück an ſein Dorf, an ſeine Eltern und Geſchwiſter und vor allem an die Schule, wo er der Erſte war, — ja ſogar in der Ernte den Vater zuweilen vertreten durfte; während er hier — er der große Ben- gel! ganz unten ſeinen Platz unter den Kleinſten und Faulſten bekommen hat!
Warte nur, armer Kerl, — ſieh, da bricht ſchon der erſte freudige Strahl in Dein dunkles Sein. Ge- wöhnlich giebt es auf jeder Schule einen Lehrer, der ein Original, ein Sammler, vielleicht ein leidenſchaftlicher Naturfreund iſt, womit meiſtens die Gabe der Mit- theilung ſich verbindet, dem begegne Du armes einſames Gemüth und Du wirſt einen Freund gefunden haben. Jetzt verändert ſich Alles!
Welch’ ein Schweifen nun über Berg und Thal; welch’ ein Verſenken in all’ die kleinen und kleinſten ge-
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anfangs nur ein erſter April, wo man die Narren
„umherſchickt — in den April.“ Selbſt der Zuwachs
ſeiner Bibliothek, beſtehend aus den Schulbüchern ſeiner
Klaſſe und — Funke’s Naturgeſchichte, vermag ihn nur
mittelmäßig zu tröſten; ein größerer Freund iſt ihm in
dieſer Epoche ſeines Daſeins das alte wacklige Clavier,
welches ihm der Vater gemiethet und in ſein Dachſtüb-
chen geſtellt hat. Davor ſitzt der Arme und ſpielt ſeine
Choräle und Volksweiſen, — letztere nach dem Gehör
— und denkt zurück an ſein Dorf, an ſeine Eltern und
Geſchwiſter und vor allem an die Schule, wo er der
Erſte war, — ja ſogar in der Ernte den Vater zuweilen
vertreten durfte; während er hier — er der große Ben-
gel! ganz unten ſeinen Platz unter den Kleinſten und
Faulſten bekommen hat!
Warte nur, armer Kerl, — ſieh, da bricht ſchon
der erſte freudige Strahl in Dein dunkles Sein. Ge-
wöhnlich giebt es auf jeder Schule einen Lehrer, der ein
Original, ein Sammler, vielleicht ein leidenſchaftlicher
Naturfreund iſt, womit meiſtens die Gabe der Mit-
theilung ſich verbindet, dem begegne Du armes einſames
Gemüth und Du wirſt einen Freund gefunden haben.
Jetzt verändert ſich Alles!
Welch’ ein Schweifen nun über Berg und Thal;
welch’ ein Verſenken in all’ die kleinen und kleinſten ge-
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/118>, abgerufen am 16.02.2025.
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