Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.wurde ärgerlich, -- bat; -- der Pudel bellte aus Lei- Mit seiner Ausweisung schien der alte Jenenser "Das ist ein sonderbarer Menschentypus," sagte Mihi est propositum In taberna mori ... Später verlor ich ihn aus den Augen; ich ward 8*
wurde ärgerlich, — bat; — der Pudel bellte aus Lei- Mit ſeiner Ausweiſung ſchien der alte Jenenſer „Das iſt ein ſonderbarer Menſchentypus,“ ſagte Mihi est propositum In taberna mori … Später verlor ich ihn aus den Augen; ich ward 8*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0125" n="115"/> wurde ärgerlich, — bat; — der Pudel bellte aus Lei-<lb/> beskräften, und der Doctor fiel aus einem ſeiner Stu-<lb/> dentenlieder in’s Andere.</p><lb/> <p>Mit ſeiner Ausweiſung ſchien der alte Jenenſer<lb/> Burſch alle geſellſchaftlichen Bande für aufgelöſ’t zu<lb/> halten.</p><lb/> <p>„Das iſt ein ſonderbarer Menſchentypus,“ ſagte<lb/> Roder lächelnd, als wir langſamer hinterhergingen; „die<lb/> perſonificirte Gutmüthigkeit unter dieſer tollen, barocken<lb/> Maske. Wir ſind Jugendfreunde, welches ſonderbar<lb/> ſcheinen kann, da er in Lumpenhauſen das Gymnaſium<lb/> beſuchte, während ich auf dem Seminar mich zum Schul-<lb/> meiſterlein einpuppte. Eben ſo gut hätte ein Guelfe<lb/> mit einem Ghibellinen Arm in Arm auf der <hi rendition="#aq">via dei<lb/> malcontenti</hi> in Florenz ſpazieren gehen können. — Aber<lb/> es war ſo; — er lehrte mich Cigarren drehen, ich da-<lb/> gegen brachte ihm bei: ſich auf dem Clavier mit einem<lb/> Finger zu dem famoſen Liede zu begleiten:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">Mihi est propositum</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">In taberna mori …</hi> </l> </lg><lb/> <p>Später verlor ich ihn aus den Augen; ich ward<lb/> Hülfslehrer in Lammsdorf, er ging auf die Univerſität.<lb/> Da ſaß ich eines Abends und unterſuchte Mooſe durch<lb/> die Loupe, als mich plötzlich Jemand auf die Schulter<lb/> klopfte und eine Bierbaßſtimme — wie weiland Leib-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [115/0125]
wurde ärgerlich, — bat; — der Pudel bellte aus Lei-
beskräften, und der Doctor fiel aus einem ſeiner Stu-
dentenlieder in’s Andere.
Mit ſeiner Ausweiſung ſchien der alte Jenenſer
Burſch alle geſellſchaftlichen Bande für aufgelöſ’t zu
halten.
„Das iſt ein ſonderbarer Menſchentypus,“ ſagte
Roder lächelnd, als wir langſamer hinterhergingen; „die
perſonificirte Gutmüthigkeit unter dieſer tollen, barocken
Maske. Wir ſind Jugendfreunde, welches ſonderbar
ſcheinen kann, da er in Lumpenhauſen das Gymnaſium
beſuchte, während ich auf dem Seminar mich zum Schul-
meiſterlein einpuppte. Eben ſo gut hätte ein Guelfe
mit einem Ghibellinen Arm in Arm auf der via dei
malcontenti in Florenz ſpazieren gehen können. — Aber
es war ſo; — er lehrte mich Cigarren drehen, ich da-
gegen brachte ihm bei: ſich auf dem Clavier mit einem
Finger zu dem famoſen Liede zu begleiten:
Mihi est propositum
In taberna mori …
Später verlor ich ihn aus den Augen; ich ward
Hülfslehrer in Lammsdorf, er ging auf die Univerſität.
Da ſaß ich eines Abends und unterſuchte Mooſe durch
die Loupe, als mich plötzlich Jemand auf die Schulter
klopfte und eine Bierbaßſtimme — wie weiland Leib-
8*
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