Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."Taugenichts!" sagt Elise, dem Sünder in die War denn der alte Meister Frey an diesem Abend Vorbei! Wo sind heute Alle die, welche es feierten? „Taugenichts!“ ſagt Eliſe, dem Sünder in die War denn der alte Meiſter Frey an dieſem Abend Vorbei! Wo ſind heute Alle die, welche es feierten? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0220" n="210"/> <p>„Taugenichts!“ ſagt Eliſe, dem Sünder in die<lb/> Haare greifend und — der Friede iſt geſchloſſen! — —</p><lb/> <p>War denn der alte Meiſter Frey an dieſem Abend<lb/> ganz aus Rand und Band? Auf einmal verkündete er,<lb/> daß er ſeinen morgenden 69ſten Geburtstag (es war der<lb/> letzte ſeines Lebens) jetzt feiern wolle, da bei ſolchen<lb/> Gelegenheiten das Improviſiren den wahren Genuß und<lb/> Jubel hervorbringe. Das halbe Atelier machte er halb<lb/> betrunken, die ganze weibliche Welt ganz angeheitert.<lb/> Einen Kranz bekam er aufgeſetzt trotz allem Sträuben,<lb/> — einen Kranz, der nur ſo ſein mußte. Der Dom-<lb/> prediger hielt eine Rede, die „verehrter Greis“ anfing und<lb/> ähnlich endete, und Reden wurden losgelaſſen und Toaſte<lb/> ausgebracht bis zwölf Uhr. Dann erhob ſich das alte,<lb/> bekränzte Geburtstagskind, beklagte ſich über Nachtkühle<lb/> und Nachtfeuchte und — das Feſt war vorbei! — — —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Vorbei! Wo ſind heute Alle die, welche es feierten?<lb/> Todt iſt der alte Meiſter Frey, zerſtreut in alle Welt<lb/> ſind ſeine Schüler. Peter Holzmann, genannt Peter van<lb/> Laar, oder auch Bamboccio, iſt 1849 in einer römiſchen<lb/> Villa von franzöſiſchen Plünderern erſtochen, als er eine<lb/> Raphael’ſche Madonna vor ihrer Zerſtörungswuth ſchützen<lb/> wollte. Der Domprediger iſt noch immer nicht zum<lb/> Mormonenthum übergetreten und der Oberlehrer Beſen-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [210/0220]
„Taugenichts!“ ſagt Eliſe, dem Sünder in die
Haare greifend und — der Friede iſt geſchloſſen! — —
War denn der alte Meiſter Frey an dieſem Abend
ganz aus Rand und Band? Auf einmal verkündete er,
daß er ſeinen morgenden 69ſten Geburtstag (es war der
letzte ſeines Lebens) jetzt feiern wolle, da bei ſolchen
Gelegenheiten das Improviſiren den wahren Genuß und
Jubel hervorbringe. Das halbe Atelier machte er halb
betrunken, die ganze weibliche Welt ganz angeheitert.
Einen Kranz bekam er aufgeſetzt trotz allem Sträuben,
— einen Kranz, der nur ſo ſein mußte. Der Dom-
prediger hielt eine Rede, die „verehrter Greis“ anfing und
ähnlich endete, und Reden wurden losgelaſſen und Toaſte
ausgebracht bis zwölf Uhr. Dann erhob ſich das alte,
bekränzte Geburtstagskind, beklagte ſich über Nachtkühle
und Nachtfeuchte und — das Feſt war vorbei! — — —
Vorbei! Wo ſind heute Alle die, welche es feierten?
Todt iſt der alte Meiſter Frey, zerſtreut in alle Welt
ſind ſeine Schüler. Peter Holzmann, genannt Peter van
Laar, oder auch Bamboccio, iſt 1849 in einer römiſchen
Villa von franzöſiſchen Plünderern erſtochen, als er eine
Raphael’ſche Madonna vor ihrer Zerſtörungswuth ſchützen
wollte. Der Domprediger iſt noch immer nicht zum
Mormonenthum übergetreten und der Oberlehrer Beſen-
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