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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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nungslose Kinder waren. -- O Johannes, laß mich sie
zurückrufen, diese seligen Tage! Klingt es Dir nicht
auch bei jeder Erinnerung daran, wie das Läuten jener
im Wald verlorenen Kirche? O, mein Jugend-Wald-
leben! -- Wie ich es jetzt vor mir sehe, dieses alte,
braune, verfallende Jägerhaus, mitten in der grünen,
duftigen Einsamkeit! Vorbei plätschernd der klare Bach,
der dann tiefer im Walde den stillen Teich bildet, den
die Sage so wundersam umschlungen hat! Wie oft bin
ich nicht, das Kinderherz voll geheimnißvollen Bebens,
an funkelnden Mondscheinabenden, wenn die Bewohner
des Jägerhauses vor der Thür saßen und der alte Burch-
hard das Waldhorn -- Du weißt wie schön -- bließ,
dem durch das Dunkel glitzernden Bach nachgeschlichen,
dem stillen Wasser zu, das Treiben der Nixen und El-
fen zu belauschen. Wie fuhr ich nicht zusammen, wenn
eine Eidechse im Grase raschelte, oder ein Nachtvogel
schwerfälligen Flugs über den glänzenden Spiegel des
Teichs hinflatterte, indem ich dachte, jetzt müsse das wun-
dersame Geheimniß an's Licht treten und sein Wesen
und Wehen beginnen um die volle Scheibe des Mon-
des, die in der klaren, stillen Fluth wiedergespiegelt lag.
Erst später erfuhr ich, woher der tiefe, geheime Zug in
mir nach diesem Waldwasser stamme.

Wie oft bin ich nicht, wenn der Sturm in den

nungsloſe Kinder waren. — O Johannes, laß mich ſie
zurückrufen, dieſe ſeligen Tage! Klingt es Dir nicht
auch bei jeder Erinnerung daran, wie das Läuten jener
im Wald verlorenen Kirche? O, mein Jugend-Wald-
leben! — Wie ich es jetzt vor mir ſehe, dieſes alte,
braune, verfallende Jägerhaus, mitten in der grünen,
duftigen Einſamkeit! Vorbei plätſchernd der klare Bach,
der dann tiefer im Walde den ſtillen Teich bildet, den
die Sage ſo wunderſam umſchlungen hat! Wie oft bin
ich nicht, das Kinderherz voll geheimnißvollen Bebens,
an funkelnden Mondſcheinabenden, wenn die Bewohner
des Jägerhauſes vor der Thür ſaßen und der alte Burch-
hard das Waldhorn — Du weißt wie ſchön — bließ,
dem durch das Dunkel glitzernden Bach nachgeſchlichen,
dem ſtillen Waſſer zu, das Treiben der Nixen und El-
fen zu belauſchen. Wie fuhr ich nicht zuſammen, wenn
eine Eidechſe im Graſe raſchelte, oder ein Nachtvogel
ſchwerfälligen Flugs über den glänzenden Spiegel des
Teichs hinflatterte, indem ich dachte, jetzt müſſe das wun-
derſame Geheimniß an’s Licht treten und ſein Weſen
und Wehen beginnen um die volle Scheibe des Mon-
des, die in der klaren, ſtillen Fluth wiedergeſpiegelt lag.
Erſt ſpäter erfuhr ich, woher der tiefe, geheime Zug in
mir nach dieſem Waldwaſſer ſtamme.

Wie oft bin ich nicht, wenn der Sturm in den

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[45/0055] nungsloſe Kinder waren. — O Johannes, laß mich ſie zurückrufen, dieſe ſeligen Tage! Klingt es Dir nicht auch bei jeder Erinnerung daran, wie das Läuten jener im Wald verlorenen Kirche? O, mein Jugend-Wald- leben! — Wie ich es jetzt vor mir ſehe, dieſes alte, braune, verfallende Jägerhaus, mitten in der grünen, duftigen Einſamkeit! Vorbei plätſchernd der klare Bach, der dann tiefer im Walde den ſtillen Teich bildet, den die Sage ſo wunderſam umſchlungen hat! Wie oft bin ich nicht, das Kinderherz voll geheimnißvollen Bebens, an funkelnden Mondſcheinabenden, wenn die Bewohner des Jägerhauſes vor der Thür ſaßen und der alte Burch- hard das Waldhorn — Du weißt wie ſchön — bließ, dem durch das Dunkel glitzernden Bach nachgeſchlichen, dem ſtillen Waſſer zu, das Treiben der Nixen und El- fen zu belauſchen. Wie fuhr ich nicht zuſammen, wenn eine Eidechſe im Graſe raſchelte, oder ein Nachtvogel ſchwerfälligen Flugs über den glänzenden Spiegel des Teichs hinflatterte, indem ich dachte, jetzt müſſe das wun- derſame Geheimniß an’s Licht treten und ſein Weſen und Wehen beginnen um die volle Scheibe des Mon- des, die in der klaren, ſtillen Fluth wiedergeſpiegelt lag. Erſt ſpäter erfuhr ich, woher der tiefe, geheime Zug in mir nach dieſem Waldwaſſer ſtamme. Wie oft bin ich nicht, wenn der Sturm in den

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/55>, abgerufen am 21.11.2024.