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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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schnurrbartete Schnauze geschlossen? Wer verdenkt es dem
braven Köter, wenn er wehmüthigwüthig vor dem Keller
den Husarenfederbuschartig zugeschnittenen Schwanz zwi-
schen die Beine zieht und seitwärts schielend vorbeischleicht,
"sich in die Büsche schlägt" wie Seume und mein Freund
Wimmer sagen? Und nun durch die Gassen! Himmel,
was sollen wir der Kleinen nicht Alles versprochen haben!
Da eine "reizende" Gliederpuppe mit Wachsgesicht, an
jenem Laden wieder ein "wonniges" kleines Puppen-
service von gemaltem Porzellan und so fort, daß der
Doctor ganz wehmüthig den Hut auf die Seite schiebt
und sich hinter dem Ohr kratzt.

"Ja, kucke nur, Onkel Wimmer, hast Du nicht
gesagt, Du wolltest mir solch' ein hübsches Kaffee-
geschirr kaufen, wenn ich nicht wieder aus Deinen alten,
schmutzigen Schreibbüchern dem Rezensenten einen Feder-
hut machen wolle?"

"Denken Sie, Wachholder" -- sagt der Doctor zu
mir -- "da hatte die Herostratin vorgestern einen gan-
zen Bogen Manuscript, das ganze zwanzigste Kapitel
der Flodoardine zu dem eben von ihr erwähnten Zwecke
vermißbraucht! Denken Sie sich meine Verblüfftheit,
als der Köter so geschmückt aus seinem Winkel mir ent-
gegenstolzirt, auf den Stuhl mir gegenüber springt und
einen verachtenden Blick über den Schreibtisch und die

ſchnurrbartete Schnauze geſchloſſen? Wer verdenkt es dem
braven Köter, wenn er wehmüthigwüthig vor dem Keller
den Huſarenfederbuſchartig zugeſchnittenen Schwanz zwi-
ſchen die Beine zieht und ſeitwärts ſchielend vorbeiſchleicht,
„ſich in die Büſche ſchlägt“ wie Seume und mein Freund
Wimmer ſagen? Und nun durch die Gaſſen! Himmel,
was ſollen wir der Kleinen nicht Alles verſprochen haben!
Da eine „reizende“ Gliederpuppe mit Wachsgeſicht, an
jenem Laden wieder ein „wonniges“ kleines Puppen-
ſerviçe von gemaltem Porzellan und ſo fort, daß der
Doctor ganz wehmüthig den Hut auf die Seite ſchiebt
und ſich hinter dem Ohr kratzt.

„Ja, kucke nur, Onkel Wimmer, haſt Du nicht
geſagt, Du wollteſt mir ſolch’ ein hübſches Kaffee-
geſchirr kaufen, wenn ich nicht wieder aus Deinen alten,
ſchmutzigen Schreibbüchern dem Rezenſenten einen Feder-
hut machen wolle?“

„Denken Sie, Wachholder“ — ſagt der Doctor zu
mir — „da hatte die Heroſtratin vorgeſtern einen gan-
zen Bogen Manuſcript, das ganze zwanzigſte Kapitel
der Flodoardine zu dem eben von ihr erwähnten Zwecke
vermißbraucht! Denken Sie ſich meine Verblüfftheit,
als der Köter ſo geſchmückt aus ſeinem Winkel mir ent-
gegenſtolzirt, auf den Stuhl mir gegenüber ſpringt und
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[79/0089] ſchnurrbartete Schnauze geſchloſſen? Wer verdenkt es dem braven Köter, wenn er wehmüthigwüthig vor dem Keller den Huſarenfederbuſchartig zugeſchnittenen Schwanz zwi- ſchen die Beine zieht und ſeitwärts ſchielend vorbeiſchleicht, „ſich in die Büſche ſchlägt“ wie Seume und mein Freund Wimmer ſagen? Und nun durch die Gaſſen! Himmel, was ſollen wir der Kleinen nicht Alles verſprochen haben! Da eine „reizende“ Gliederpuppe mit Wachsgeſicht, an jenem Laden wieder ein „wonniges“ kleines Puppen- ſerviçe von gemaltem Porzellan und ſo fort, daß der Doctor ganz wehmüthig den Hut auf die Seite ſchiebt und ſich hinter dem Ohr kratzt. „Ja, kucke nur, Onkel Wimmer, haſt Du nicht geſagt, Du wollteſt mir ſolch’ ein hübſches Kaffee- geſchirr kaufen, wenn ich nicht wieder aus Deinen alten, ſchmutzigen Schreibbüchern dem Rezenſenten einen Feder- hut machen wolle?“ „Denken Sie, Wachholder“ — ſagt der Doctor zu mir — „da hatte die Heroſtratin vorgeſtern einen gan- zen Bogen Manuſcript, das ganze zwanzigſte Kapitel der Flodoardine zu dem eben von ihr erwähnten Zwecke vermißbraucht! Denken Sie ſich meine Verblüfftheit, als der Köter ſo geſchmückt aus ſeinem Winkel mir ent- gegenſtolzirt, auf den Stuhl mir gegenüber ſpringt und einen verachtenden Blick über den Schreibtiſch und die

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/89>, abgerufen am 21.11.2024.