"Berichterstatter war außer sich über die Inso- lenz eines so unreifen Künstlers, vor einem so kritisch gebildeten Publikum, wie das unserer Re- sidenz, zu erscheinen."
Wedelte das Vieh mit seinem Husarenbusch, so hieß das: "Diese junge Künstlerin verdient alle Ermunte- rung. Bei fortgesetztem fleißigem Studium ver- spricht sie etwas Großes zu leisten."
Gähnte der Köter, so sagte der Doctor: "Berichterstatter räth dem Verfasser dieses geist- vollen Stücks, sein elendes Machwerk nicht für dramatische Poesie auszugeben. Mit einer Tragödie hat es nichts gemein, als fünf Acte!" --
Als am Schluß der Vorstellung das große und kleine Publikum sich erhob und Beifall klatschte, der Pudel aber wie von einer großen Verpflichtung be- freit, unter die Bank sprang, erklärte der Doctor, das bedeute: "Gottlob, daß die Geschichte vorbei ist. Jetzt kann man sich doch mit Gemüthsruhe eine Cigarre anstecken und zu Butter und Wagener am Gänse- markt gehen."
Und das that der Doctor auch. Vorher aber hob er die kleine Elise noch zu sich empor und gab ihr --
6
„Berichterſtatter war außer ſich über die Inſo- lenz eines ſo unreifen Künſtlers, vor einem ſo kritiſch gebildeten Publikum, wie das unſerer Re- ſidenz, zu erſcheinen.“
Wedelte das Vieh mit ſeinem Huſarenbuſch, ſo hieß das: „Dieſe junge Künſtlerin verdient alle Ermunte- rung. Bei fortgeſetztem fleißigem Studium ver- ſpricht ſie etwas Großes zu leiſten.“
Gähnte der Köter, ſo ſagte der Doctor: „Berichterſtatter räth dem Verfaſſer dieſes geiſt- vollen Stücks, ſein elendes Machwerk nicht für dramatiſche Poeſie auszugeben. Mit einer Tragödie hat es nichts gemein, als fünf Acte!“ —
Als am Schluß der Vorſtellung das große und kleine Publikum ſich erhob und Beifall klatſchte, der Pudel aber wie von einer großen Verpflichtung be- freit, unter die Bank ſprang, erklärte der Doctor, das bedeute: „Gottlob, daß die Geſchichte vorbei iſt. Jetzt kann man ſich doch mit Gemüthsruhe eine Cigarre anſtecken und zu Butter und Wagener am Gänſe- markt gehen.“
Und das that der Doctor auch. Vorher aber hob er die kleine Eliſe noch zu ſich empor und gab ihr —
6
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0091"n="81"/><hirendition="#et">„Berichterſtatter war außer ſich über die Inſo-<lb/>
lenz eines ſo unreifen Künſtlers, vor einem ſo<lb/>
kritiſch gebildeten Publikum, wie das unſerer Re-<lb/>ſidenz, zu erſcheinen.“</hi></p><lb/><p>Wedelte das Vieh mit ſeinem Huſarenbuſch, ſo hieß<lb/>
das:<lb/><hirendition="#et">„Dieſe junge Künſtlerin verdient alle Ermunte-<lb/>
rung. Bei fortgeſetztem fleißigem Studium ver-<lb/>ſpricht ſie etwas Großes zu leiſten.“</hi></p><lb/><p>Gähnte der Köter, ſo ſagte der Doctor:<lb/><hirendition="#et">„Berichterſtatter räth dem Verfaſſer dieſes geiſt-<lb/>
vollen Stücks, ſein elendes Machwerk nicht für<lb/>
dramatiſche Poeſie auszugeben. Mit einer Tragödie<lb/>
hat es nichts gemein, als fünf Acte!“—</hi></p><lb/><p>Als am Schluß der Vorſtellung das große und<lb/>
kleine Publikum ſich erhob und Beifall klatſchte, der<lb/>
Pudel aber wie von einer großen Verpflichtung be-<lb/>
freit, unter die Bank ſprang, erklärte der Doctor, das<lb/>
bedeute:<lb/><hirendition="#et">„Gottlob, daß die Geſchichte vorbei iſt. Jetzt<lb/>
kann man ſich doch mit Gemüthsruhe eine Cigarre<lb/>
anſtecken und zu Butter und Wagener am Gänſe-<lb/>
markt gehen.“</hi></p><lb/><p>Und das that der Doctor auch. Vorher aber hob<lb/>
er die kleine Eliſe noch zu ſich empor und gab ihr —<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[81/0091]
„Berichterſtatter war außer ſich über die Inſo-
lenz eines ſo unreifen Künſtlers, vor einem ſo
kritiſch gebildeten Publikum, wie das unſerer Re-
ſidenz, zu erſcheinen.“
Wedelte das Vieh mit ſeinem Huſarenbuſch, ſo hieß
das:
„Dieſe junge Künſtlerin verdient alle Ermunte-
rung. Bei fortgeſetztem fleißigem Studium ver-
ſpricht ſie etwas Großes zu leiſten.“
Gähnte der Köter, ſo ſagte der Doctor:
„Berichterſtatter räth dem Verfaſſer dieſes geiſt-
vollen Stücks, ſein elendes Machwerk nicht für
dramatiſche Poeſie auszugeben. Mit einer Tragödie
hat es nichts gemein, als fünf Acte!“ —
Als am Schluß der Vorſtellung das große und
kleine Publikum ſich erhob und Beifall klatſchte, der
Pudel aber wie von einer großen Verpflichtung be-
freit, unter die Bank ſprang, erklärte der Doctor, das
bedeute:
„Gottlob, daß die Geſchichte vorbei iſt. Jetzt
kann man ſich doch mit Gemüthsruhe eine Cigarre
anſtecken und zu Butter und Wagener am Gänſe-
markt gehen.“
Und das that der Doctor auch. Vorher aber hob
er die kleine Eliſe noch zu ſich empor und gab ihr —
6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/91>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.