Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Um diese Stunde des Tages war in einer so
soliden Stadt wie die unserige noch Niemand in der
Schenkstube des Goldenen Arms vorhanden als das
Schenkmädchen, die Sommerfliegen, die für den Abend
blank gescheuerten Lindenholztische, die Stühle und
Bänke, die auswärtigen Zeitungen vom gestrigen
Tage, nebst dem heutigen "Abendblatt" der städtischen
Pressen. Wir kamen so früh, daß die Kellnerin ganz
verwundert aufschaute, als wir eintraten. Aber es
fand sich auch hier, daß man den dicken Schaumann
von der rothen Schanze ganz gut persönlich kannte,
ohne daß er oft den Fuß von seinem Wall in die
große Welt hinaussetzte.

Heinrich wurde natürlich von der jungen Dame
mit seinem Namen begrüßt und indem sich dieselbe
nach unseren Befehlen erkundigte, fragte sie höflich
auch nach dem Befinden meines Freundes.

"Kind, erst etwas Kühles, dann die warme An-
theilnahme. Herz, früher pflegte des dicken Schau-
manns wegen immer frisch angestochen zu werden!"

"Und es ist auch diesmal geschehen. Grad als
wenn wir Sie erwartet hätten, Herr Schaumann."

Es kam ein säuberlich Getränke. Stopfkuchen
hob den Krug, beäugelte Farbe und Blume, sog,
setzte ab, reichte den Humpen geleert hin, kniff wahr-
haftig die Mamsell in die Backen, als komme er noch
jeden Abend als Stammgast. Dazu nannte er sie
dann sein "liebes Mäuschen." Der Stoff mußte
also ganz seinen Beifall haben.

W. Raabe. Stopfkuchen. 15

Um dieſe Stunde des Tages war in einer ſo
ſoliden Stadt wie die unſerige noch Niemand in der
Schenkſtube des Goldenen Arms vorhanden als das
Schenkmädchen, die Sommerfliegen, die für den Abend
blank geſcheuerten Lindenholztiſche, die Stühle und
Bänke, die auswärtigen Zeitungen vom geſtrigen
Tage, nebſt dem heutigen „Abendblatt“ der ſtädtiſchen
Preſſen. Wir kamen ſo früh, daß die Kellnerin ganz
verwundert aufſchaute, als wir eintraten. Aber es
fand ſich auch hier, daß man den dicken Schaumann
von der rothen Schanze ganz gut perſönlich kannte,
ohne daß er oft den Fuß von ſeinem Wall in die
große Welt hinausſetzte.

Heinrich wurde natürlich von der jungen Dame
mit ſeinem Namen begrüßt und indem ſich dieſelbe
nach unſeren Befehlen erkundigte, fragte ſie höflich
auch nach dem Befinden meines Freundes.

„Kind, erſt etwas Kühles, dann die warme An-
theilnahme. Herz, früher pflegte des dicken Schau-
manns wegen immer friſch angeſtochen zu werden!“

„Und es iſt auch diesmal geſchehen. Grad als
wenn wir Sie erwartet hätten, Herr Schaumann.“

Es kam ein ſäuberlich Getränke. Stopfkuchen
hob den Krug, beäugelte Farbe und Blume, ſog,
ſetzte ab, reichte den Humpen geleert hin, kniff wahr-
haftig die Mamſell in die Backen, als komme er noch
jeden Abend als Stammgaſt. Dazu nannte er ſie
dann ſein „liebes Mäuschen.“ Der Stoff mußte
alſo ganz ſeinen Beifall haben.

W. Raabe. Stopfkuchen. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0235" n="225"/>
        <p>Um die&#x017F;e Stunde des Tages war in einer &#x017F;o<lb/>
&#x017F;oliden Stadt wie die un&#x017F;erige noch Niemand in der<lb/>
Schenk&#x017F;tube des Goldenen Arms vorhanden als das<lb/>
Schenkmädchen, die Sommerfliegen, die für den Abend<lb/>
blank ge&#x017F;cheuerten Lindenholzti&#x017F;che, die Stühle und<lb/>
Bänke, die auswärtigen Zeitungen vom ge&#x017F;trigen<lb/>
Tage, neb&#x017F;t dem heutigen &#x201E;Abendblatt&#x201C; der &#x017F;tädti&#x017F;chen<lb/>
Pre&#x017F;&#x017F;en. Wir kamen &#x017F;o früh, daß die Kellnerin ganz<lb/>
verwundert auf&#x017F;chaute, als wir eintraten. Aber es<lb/>
fand &#x017F;ich auch hier, daß man den dicken Schaumann<lb/>
von der rothen Schanze ganz gut per&#x017F;önlich kannte,<lb/>
ohne daß er oft den Fuß von &#x017F;einem Wall in die<lb/>
große Welt hinaus&#x017F;etzte.</p><lb/>
        <p>Heinrich wurde natürlich von der jungen Dame<lb/>
mit &#x017F;einem Namen begrüßt und indem &#x017F;ich die&#x017F;elbe<lb/>
nach un&#x017F;eren Befehlen erkundigte, fragte &#x017F;ie höflich<lb/>
auch nach dem Befinden meines Freundes.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kind, er&#x017F;t etwas Kühles, dann die warme An-<lb/>
theilnahme. Herz, früher pflegte des dicken Schau-<lb/>
manns wegen immer fri&#x017F;ch ange&#x017F;tochen zu werden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und es i&#x017F;t auch diesmal ge&#x017F;chehen. Grad als<lb/>
wenn wir Sie erwartet hätten, Herr Schaumann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es kam ein &#x017F;äuberlich Getränke. Stopfkuchen<lb/>
hob den Krug, beäugelte Farbe und Blume, &#x017F;og,<lb/>
&#x017F;etzte ab, reichte den Humpen geleert hin, kniff wahr-<lb/>
haftig die Mam&#x017F;ell in die Backen, als komme er noch<lb/>
jeden Abend als Stammga&#x017F;t. Dazu nannte er &#x017F;ie<lb/>
dann &#x017F;ein &#x201E;liebes Mäuschen.&#x201C; Der Stoff mußte<lb/>
al&#x017F;o ganz &#x017F;einen Beifall haben.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">W. Raabe. Stopfkuchen. 15</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0235] Um dieſe Stunde des Tages war in einer ſo ſoliden Stadt wie die unſerige noch Niemand in der Schenkſtube des Goldenen Arms vorhanden als das Schenkmädchen, die Sommerfliegen, die für den Abend blank geſcheuerten Lindenholztiſche, die Stühle und Bänke, die auswärtigen Zeitungen vom geſtrigen Tage, nebſt dem heutigen „Abendblatt“ der ſtädtiſchen Preſſen. Wir kamen ſo früh, daß die Kellnerin ganz verwundert aufſchaute, als wir eintraten. Aber es fand ſich auch hier, daß man den dicken Schaumann von der rothen Schanze ganz gut perſönlich kannte, ohne daß er oft den Fuß von ſeinem Wall in die große Welt hinausſetzte. Heinrich wurde natürlich von der jungen Dame mit ſeinem Namen begrüßt und indem ſich dieſelbe nach unſeren Befehlen erkundigte, fragte ſie höflich auch nach dem Befinden meines Freundes. „Kind, erſt etwas Kühles, dann die warme An- theilnahme. Herz, früher pflegte des dicken Schau- manns wegen immer friſch angeſtochen zu werden!“ „Und es iſt auch diesmal geſchehen. Grad als wenn wir Sie erwartet hätten, Herr Schaumann.“ Es kam ein ſäuberlich Getränke. Stopfkuchen hob den Krug, beäugelte Farbe und Blume, ſog, ſetzte ab, reichte den Humpen geleert hin, kniff wahr- haftig die Mamſell in die Backen, als komme er noch jeden Abend als Stammgaſt. Dazu nannte er ſie dann ſein „liebes Mäuschen.“ Der Stoff mußte alſo ganz ſeinen Beifall haben. W. Raabe. Stopfkuchen. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/235
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/235>, abgerufen am 25.11.2024.