Störzer, das soll mich doch wundern, was für eine Unruhe Sie da wieder mir ins Haus schleppen. Ist Antwort darauf? -- Der Alte sieht mich natürlich ob der Dummheit der Frage verwundert an und meint: ,Wie kann ich denn das wissen, Herr Schau- mann? Das Briefgeheimniß ist uns ja doch garan- tirt, und ich bin wohl der Letzte, der es bricht.' -- Richtig, alter Freund! Jawohl, mit den Geheim- nissen anderer Leute soll man vorsichtig umgehen. Nun, wissen Sie, es ist wieder ein heißer Morgen; lassen Sie sich draußen einen kühlen Trunk geben. Ich möchte wissen, ob ich Ihnen, wenn Sie heute wieder vorbeikommen, eine Antwort auf die Molesti- rung mit nach der Stadt zu geben habe. -- ,Ich danke Ihnen freundlich für die Erfrischung; aber ich -- ich will doch auch ohne sie auf Sie draußen auf der Bank warten. So lange Zeit habe ich hier wohl.' -- Sind Sie nicht wohl, Störzer? Wo fehlt es denn? -- ,In allen Gliedern; man wird doch eben mit der Zeit auch alt, Herr Schaumann.' -- Da haben Sie Recht, grauer Lebenskamerad. Na, es kommt Jeder einmal zur Ruhe, das haben wir ja auch vorigen Mittwoch mal wieder gesehen. Auch der Bauer Quakatz, mein Schwiegervater, hat das Warten auf- gegeben und endgültig das Gesicht nach der Wand ge- dreht. -- Der Alte wendet sich ohne was zu sagen und geht vors Haus. Ich erbreche im Hausgange den Briefumschlag und kann mich, Gott sei Dank, auch in jetziger Stimmung noch über den Inhalt erboßen. S'ist eine Einladung zum nächsten pa-
Störzer, das ſoll mich doch wundern, was für eine Unruhe Sie da wieder mir ins Haus ſchleppen. Iſt Antwort darauf? — Der Alte ſieht mich natürlich ob der Dummheit der Frage verwundert an und meint: ‚Wie kann ich denn das wiſſen, Herr Schau- mann? Das Briefgeheimniß iſt uns ja doch garan- tirt, und ich bin wohl der Letzte, der es bricht.‘ — Richtig, alter Freund! Jawohl, mit den Geheim- niſſen anderer Leute ſoll man vorſichtig umgehen. Nun, wiſſen Sie, es iſt wieder ein heißer Morgen; laſſen Sie ſich draußen einen kühlen Trunk geben. Ich möchte wiſſen, ob ich Ihnen, wenn Sie heute wieder vorbeikommen, eine Antwort auf die Moleſti- rung mit nach der Stadt zu geben habe. — ‚Ich danke Ihnen freundlich für die Erfriſchung; aber ich — ich will doch auch ohne ſie auf Sie draußen auf der Bank warten. So lange Zeit habe ich hier wohl.‘ — Sind Sie nicht wohl, Störzer? Wo fehlt es denn? — ‚In allen Gliedern; man wird doch eben mit der Zeit auch alt, Herr Schaumann.‘ — Da haben Sie Recht, grauer Lebenskamerad. Na, es kommt Jeder einmal zur Ruhe, das haben wir ja auch vorigen Mittwoch mal wieder geſehen. Auch der Bauer Quakatz, mein Schwiegervater, hat das Warten auf- gegeben und endgültig das Geſicht nach der Wand ge- dreht. — Der Alte wendet ſich ohne was zu ſagen und geht vors Haus. Ich erbreche im Hausgange den Briefumſchlag und kann mich, Gott ſei Dank, auch in jetziger Stimmung noch über den Inhalt erboßen. S'iſt eine Einladung zum nächſten pa-
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Störzer, das ſoll mich doch wundern, was für eine
Unruhe Sie da wieder mir ins Haus ſchleppen. Iſt
Antwort darauf? — Der Alte ſieht mich natürlich
ob der Dummheit der Frage verwundert an und
meint: ‚Wie kann ich denn das wiſſen, Herr Schau-
mann? Das Briefgeheimniß iſt uns ja doch garan-
tirt, und ich bin wohl der Letzte, der es bricht.‘ —
Richtig, alter Freund! Jawohl, mit den Geheim-
niſſen anderer Leute ſoll man vorſichtig umgehen.
Nun, wiſſen Sie, es iſt wieder ein heißer Morgen;
laſſen Sie ſich draußen einen kühlen Trunk geben.
Ich möchte wiſſen, ob ich Ihnen, wenn Sie heute
wieder vorbeikommen, eine Antwort auf die Moleſti-
rung mit nach der Stadt zu geben habe. — ‚Ich
danke Ihnen freundlich für die Erfriſchung; aber ich
— ich will doch auch ohne ſie auf Sie draußen auf
der Bank warten. So lange Zeit habe ich hier wohl.‘
— Sind Sie nicht wohl, Störzer? Wo fehlt es denn?
— ‚In allen Gliedern; man wird doch eben mit der
Zeit auch alt, Herr Schaumann.‘ — Da haben Sie
Recht, grauer Lebenskamerad. Na, es kommt Jeder
einmal zur Ruhe, das haben wir ja auch vorigen
Mittwoch mal wieder geſehen. Auch der Bauer
Quakatz, mein Schwiegervater, hat das Warten auf-
gegeben und endgültig das Geſicht nach der Wand ge-
dreht. — Der Alte wendet ſich ohne was zu ſagen
und geht vors Haus. Ich erbreche im Hausgange
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/252>, abgerufen am 21.11.2024.
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