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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Hinkmars von Repkow
den Nutzen und den Werth der Kalender zu bestrei-
ten? Jch kenne viele Bücher, besonders viele prakti-
sche und pol[i]tische Schriften, der philosophischen,
der Kürze wegen, nicht zu gedenken, welche mit Fug
nicht mehr verlangen können, als ein Kalenderalter.
Sie werden gedruckt, gekauft, und in kurzer Zeit
findet man sie da, wo man die alten Kalender fin-
det. Geschieht nicht dieses alles nach dem ordentli-
chen Laufe der Natur, und darf man wohl der Cri-
tik dasjenige zur Sünde rechnen, was natürlicher
Weise nicht anders geschehen kann? Jch habe noch
auf keiner Bibliotheck eine Sammlung von Kalen-
dern gefunden, und wer um des willen der gelehrten
Welt ihren verderbten Geschmack vorwerfen wollte,
der würde in meinen Augen noch lächerlicher seyn,
als der berühmte Scribent, welcher in der Vorstadt
wohnt, und mir, so oft er mich sieht, mit Seufzen
erzählt, daß es mit der Poesie ganz und gar aus
sey, weil sich niemand so viel Gewalt anthun kann,
seine Werke mehr zu lesen.

Gemeiniglich aber glauben wir, dieses
gehe nicht uns, sondern unsern Nachbar,
an.)
Hier wird im Texte dasjenige weiter aus-
geführt, was vorher nur kürzlich berührt worden ist.
Allerdings ist die Besorgniß, daß dadurch manche
junge und streitbare Muse schüchtern gemacht wer-
de, so ungegründet, und abgeschmackt, als Stre-
phons Beweis von der besten Welt. Jch weis
gewiß, viele werden die Stellen von der Vergäng-
lichkeit solcher Schriften mit der freudigsten Zuver-
sicht lesen, daß ihre Werke von einer weit dauer-

haftern

Hinkmars von Repkow
den Nutzen und den Werth der Kalender zu beſtrei-
ten? Jch kenne viele Buͤcher, beſonders viele prakti-
ſche und pol[i]tiſche Schriften, der philoſophiſchen,
der Kuͤrze wegen, nicht zu gedenken, welche mit Fug
nicht mehr verlangen koͤnnen, als ein Kalenderalter.
Sie werden gedruckt, gekauft, und in kurzer Zeit
findet man ſie da, wo man die alten Kalender fin-
det. Geſchieht nicht dieſes alles nach dem ordentli-
chen Laufe der Natur, und darf man wohl der Cri-
tik dasjenige zur Suͤnde rechnen, was natuͤrlicher
Weiſe nicht anders geſchehen kann? Jch habe noch
auf keiner Bibliotheck eine Sammlung von Kalen-
dern gefunden, und wer um des willen der gelehrten
Welt ihren verderbten Geſchmack vorwerfen wollte,
der wuͤrde in meinen Augen noch laͤcherlicher ſeyn,
als der beruͤhmte Scribent, welcher in der Vorſtadt
wohnt, und mir, ſo oft er mich ſieht, mit Seufzen
erzaͤhlt, daß es mit der Poeſie ganz und gar aus
ſey, weil ſich niemand ſo viel Gewalt anthun kann,
ſeine Werke mehr zu leſen.

Gemeiniglich aber glauben wir, dieſes
gehe nicht uns, ſondern unſern Nachbar,
an.)
Hier wird im Texte dasjenige weiter aus-
gefuͤhrt, was vorher nur kuͤrzlich beruͤhrt worden iſt.
Allerdings iſt die Beſorgniß, daß dadurch manche
junge und ſtreitbare Muſe ſchuͤchtern gemacht wer-
de, ſo ungegruͤndet, und abgeſchmackt, als Stre-
phons Beweis von der beſten Welt. Jch weis
gewiß, viele werden die Stellen von der Vergaͤng-
lichkeit ſolcher Schriften mit der freudigſten Zuver-
ſicht leſen, daß ihre Werke von einer weit dauer-

haftern
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[142/0142] Hinkmars von Repkow den Nutzen und den Werth der Kalender zu beſtrei- ten? Jch kenne viele Buͤcher, beſonders viele prakti- ſche und politiſche Schriften, der philoſophiſchen, der Kuͤrze wegen, nicht zu gedenken, welche mit Fug nicht mehr verlangen koͤnnen, als ein Kalenderalter. Sie werden gedruckt, gekauft, und in kurzer Zeit findet man ſie da, wo man die alten Kalender fin- det. Geſchieht nicht dieſes alles nach dem ordentli- chen Laufe der Natur, und darf man wohl der Cri- tik dasjenige zur Suͤnde rechnen, was natuͤrlicher Weiſe nicht anders geſchehen kann? Jch habe noch auf keiner Bibliotheck eine Sammlung von Kalen- dern gefunden, und wer um des willen der gelehrten Welt ihren verderbten Geſchmack vorwerfen wollte, der wuͤrde in meinen Augen noch laͤcherlicher ſeyn, als der beruͤhmte Scribent, welcher in der Vorſtadt wohnt, und mir, ſo oft er mich ſieht, mit Seufzen erzaͤhlt, daß es mit der Poeſie ganz und gar aus ſey, weil ſich niemand ſo viel Gewalt anthun kann, ſeine Werke mehr zu leſen. Gemeiniglich aber glauben wir, dieſes gehe nicht uns, ſondern unſern Nachbar, an.) Hier wird im Texte dasjenige weiter aus- gefuͤhrt, was vorher nur kuͤrzlich beruͤhrt worden iſt. Allerdings iſt die Beſorgniß, daß dadurch manche junge und ſtreitbare Muſe ſchuͤchtern gemacht wer- de, ſo ungegruͤndet, und abgeſchmackt, als Stre- phons Beweis von der beſten Welt. Jch weis gewiß, viele werden die Stellen von der Vergaͤng- lichkeit ſolcher Schriften mit der freudigſten Zuver- ſicht leſen, daß ihre Werke von einer weit dauer- haftern

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/142>, abgerufen am 15.05.2024.