Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Noten ohne Text.
Dieser Mann, dachte ich bey mir selbst, welcher in
seinen jüngern Jahren das Händeklatschen des Par-
terre, und die Bewunderung der Logen erregte;
dieser kömmt bey zunehmendem Alter so weit herun-
ter, daß er, als er das letztemal in seinem Leben sich
auf der Schaubühne zeigt, eine stumme Person, und
eine so gleichgültige Handlung vorstellen muß, in der
er von dem wenigsten Theile der Zuschauer bemerkt
worden ist. Dieser Gedanke bekräftigte bey mir die
Wahrheit des bekannten Satzes; daß die ganze
Welt eine Schaubühne sey. Wie mancher Staats-
minister, welcher die Bewunderung und die Schmei-
cheleyen des ganzen Volks erzwingt, wird vor seinem
Ende so weit gebracht, daß man ihn, da er noch lebt,
schon vergißt, und oft sieht er sich gezwungen, als
Greis mit einer ehrerbietigen Miene unter dem ge-
schwätzigen Pöbel der Bedienten in der Antiachambre
desjenigen aufzuwarten, welcher im vorigen Jahre
bloß durch seine gnädige Vermittelung aus dem
Staube erhoben worden ist.

Jch habe nicht nöthig, bloß am Hofe diese Aehn-
lichkeit zu suchen; ich finde sie auch in andern Stän-
den. Es wird kaum vierzig Jahr seyn, daß Climene
die Königinn aller zärtlichen Herzen war. Nie-
mand hieß damals galant, der nicht um Climenen
seufzte, und alle junge Herrchen unsrer Stadt, flat-
terten um diese Schöne herum. Verschiedne, wel-
che sich für viel zu witzig hielten, als daß sie den
Gottesdienst besuchen sollten, besuchten ihn doch;

aber

Noten ohne Text.
Dieſer Mann, dachte ich bey mir ſelbſt, welcher in
ſeinen juͤngern Jahren das Haͤndeklatſchen des Par-
terre, und die Bewunderung der Logen erregte;
dieſer koͤmmt bey zunehmendem Alter ſo weit herun-
ter, daß er, als er das letztemal in ſeinem Leben ſich
auf der Schaubuͤhne zeigt, eine ſtumme Perſon, und
eine ſo gleichguͤltige Handlung vorſtellen muß, in der
er von dem wenigſten Theile der Zuſchauer bemerkt
worden iſt. Dieſer Gedanke bekraͤftigte bey mir die
Wahrheit des bekannten Satzes; daß die ganze
Welt eine Schaubuͤhne ſey. Wie mancher Staats-
miniſter, welcher die Bewunderung und die Schmei-
cheleyen des ganzen Volks erzwingt, wird vor ſeinem
Ende ſo weit gebracht, daß man ihn, da er noch lebt,
ſchon vergißt, und oft ſieht er ſich gezwungen, als
Greis mit einer ehrerbietigen Miene unter dem ge-
ſchwaͤtzigen Poͤbel der Bedienten in der Antiachambre
desjenigen aufzuwarten, welcher im vorigen Jahre
bloß durch ſeine gnaͤdige Vermittelung aus dem
Staube erhoben worden iſt.

Jch habe nicht noͤthig, bloß am Hofe dieſe Aehn-
lichkeit zu ſuchen; ich finde ſie auch in andern Staͤn-
den. Es wird kaum vierzig Jahr ſeyn, daß Climene
die Koͤniginn aller zaͤrtlichen Herzen war. Nie-
mand hieß damals galant, der nicht um Climenen
ſeufzte, und alle junge Herrchen unſrer Stadt, flat-
terten um dieſe Schoͤne herum. Verſchiedne, wel-
che ſich fuͤr viel zu witzig hielten, als daß ſie den
Gottesdienſt beſuchen ſollten, beſuchten ihn doch;

aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Noten ohne Text.</hi></fw><lb/>
Die&#x017F;er Mann, dachte ich bey mir &#x017F;elb&#x017F;t, welcher in<lb/>
&#x017F;einen ju&#x0364;ngern Jahren das Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen des Par-<lb/>
terre, und die Bewunderung der Logen erregte;<lb/>
die&#x017F;er ko&#x0364;mmt bey zunehmendem Alter &#x017F;o weit herun-<lb/>
ter, daß er, als er das letztemal in &#x017F;einem Leben &#x017F;ich<lb/>
auf der Schaubu&#x0364;hne zeigt, eine &#x017F;tumme Per&#x017F;on, und<lb/>
eine &#x017F;o gleichgu&#x0364;ltige Handlung vor&#x017F;tellen muß, in der<lb/>
er von dem wenig&#x017F;ten Theile der Zu&#x017F;chauer bemerkt<lb/>
worden i&#x017F;t. Die&#x017F;er Gedanke bekra&#x0364;ftigte bey mir die<lb/>
Wahrheit des bekannten Satzes; daß die ganze<lb/>
Welt eine Schaubu&#x0364;hne &#x017F;ey. Wie mancher Staats-<lb/>
mini&#x017F;ter, welcher die Bewunderung und die Schmei-<lb/>
cheleyen des ganzen Volks erzwingt, wird vor &#x017F;einem<lb/>
Ende &#x017F;o weit gebracht, daß man ihn, da er noch lebt,<lb/>
&#x017F;chon vergißt, und oft &#x017F;ieht er &#x017F;ich gezwungen, als<lb/>
Greis mit einer ehrerbietigen Miene unter dem ge-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;tzigen Po&#x0364;bel der Bedienten in der Antiachambre<lb/>
desjenigen aufzuwarten, welcher im vorigen Jahre<lb/>
bloß durch &#x017F;eine gna&#x0364;dige Vermittelung aus dem<lb/>
Staube erhoben worden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch habe nicht no&#x0364;thig, bloß am Hofe die&#x017F;e Aehn-<lb/>
lichkeit zu &#x017F;uchen; ich finde &#x017F;ie auch in andern Sta&#x0364;n-<lb/>
den. Es wird kaum vierzig Jahr &#x017F;eyn, daß Climene<lb/>
die Ko&#x0364;niginn aller za&#x0364;rtlichen Herzen war. Nie-<lb/>
mand hieß damals galant, der nicht um Climenen<lb/>
&#x017F;eufzte, und alle junge Herrchen un&#x017F;rer Stadt, flat-<lb/>
terten um die&#x017F;e Scho&#x0364;ne herum. Ver&#x017F;chiedne, wel-<lb/>
che &#x017F;ich fu&#x0364;r viel zu witzig hielten, als daß &#x017F;ie den<lb/>
Gottesdien&#x017F;t be&#x017F;uchen &#x017F;ollten, be&#x017F;uchten ihn doch;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0157] Noten ohne Text. Dieſer Mann, dachte ich bey mir ſelbſt, welcher in ſeinen juͤngern Jahren das Haͤndeklatſchen des Par- terre, und die Bewunderung der Logen erregte; dieſer koͤmmt bey zunehmendem Alter ſo weit herun- ter, daß er, als er das letztemal in ſeinem Leben ſich auf der Schaubuͤhne zeigt, eine ſtumme Perſon, und eine ſo gleichguͤltige Handlung vorſtellen muß, in der er von dem wenigſten Theile der Zuſchauer bemerkt worden iſt. Dieſer Gedanke bekraͤftigte bey mir die Wahrheit des bekannten Satzes; daß die ganze Welt eine Schaubuͤhne ſey. Wie mancher Staats- miniſter, welcher die Bewunderung und die Schmei- cheleyen des ganzen Volks erzwingt, wird vor ſeinem Ende ſo weit gebracht, daß man ihn, da er noch lebt, ſchon vergißt, und oft ſieht er ſich gezwungen, als Greis mit einer ehrerbietigen Miene unter dem ge- ſchwaͤtzigen Poͤbel der Bedienten in der Antiachambre desjenigen aufzuwarten, welcher im vorigen Jahre bloß durch ſeine gnaͤdige Vermittelung aus dem Staube erhoben worden iſt. Jch habe nicht noͤthig, bloß am Hofe dieſe Aehn- lichkeit zu ſuchen; ich finde ſie auch in andern Staͤn- den. Es wird kaum vierzig Jahr ſeyn, daß Climene die Koͤniginn aller zaͤrtlichen Herzen war. Nie- mand hieß damals galant, der nicht um Climenen ſeufzte, und alle junge Herrchen unſrer Stadt, flat- terten um dieſe Schoͤne herum. Verſchiedne, wel- che ſich fuͤr viel zu witzig hielten, als daß ſie den Gottesdienſt beſuchen ſollten, beſuchten ihn doch; aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/157
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/157>, abgerufen am 21.11.2024.