[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Hinkmars von Repkow aber nur um Climenens willen. Wie flüchtig istdoch der Ruhm der Menschen! Am Sonntage sah ich diese vergötterte Climene ganz gebückt aus der Kirche schleichen. Jhre Runzeln verriethen ihr Schicksal. Es begegneten ihr verschiedne junge Stutzer, deren Väter vor vierzig Jahren über ihre Unempfindlichkeit beynahe verzweifelt waren. Und itzt konnten sich die muthwilligen Söhne dieser zärt- lichen Väter kaum entschließen, der veralteten Cli- mene aus dem Wege zu treten. Sie würden sie, glaube ich, gar nicht wahrgenommen haben, wenn nicht ein großes Gebetbuch, das sie unter ihrem zit- ternden Arme trug, sie aufmerksam, und ihren leicht- sinnigen Witz munter gemacht hätte. Haben viele unsrer Gelehrten wohl ein beßres Dich-
Hinkmars von Repkow aber nur um Climenens willen. Wie fluͤchtig iſtdoch der Ruhm der Menſchen! Am Sonntage ſah ich dieſe vergoͤtterte Climene ganz gebuͤckt aus der Kirche ſchleichen. Jhre Runzeln verriethen ihr Schickſal. Es begegneten ihr verſchiedne junge Stutzer, deren Vaͤter vor vierzig Jahren uͤber ihre Unempfindlichkeit beynahe verzweifelt waren. Und itzt konnten ſich die muthwilligen Soͤhne dieſer zaͤrt- lichen Vaͤter kaum entſchließen, der veralteten Cli- mene aus dem Wege zu treten. Sie wuͤrden ſie, glaube ich, gar nicht wahrgenommen haben, wenn nicht ein großes Gebetbuch, das ſie unter ihrem zit- ternden Arme trug, ſie aufmerkſam, und ihren leicht- ſinnigen Witz munter gemacht haͤtte. Haben viele unſrer Gelehrten wohl ein beßres Dich-
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Hinkmars von Repkow
aber nur um Climenens willen. Wie fluͤchtig iſt
doch der Ruhm der Menſchen! Am Sonntage ſah
ich dieſe vergoͤtterte Climene ganz gebuͤckt aus der
Kirche ſchleichen. Jhre Runzeln verriethen ihr
Schickſal. Es begegneten ihr verſchiedne junge
Stutzer, deren Vaͤter vor vierzig Jahren uͤber ihre
Unempfindlichkeit beynahe verzweifelt waren. Und
itzt konnten ſich die muthwilligen Soͤhne dieſer zaͤrt-
lichen Vaͤter kaum entſchließen, der veralteten Cli-
mene aus dem Wege zu treten. Sie wuͤrden ſie,
glaube ich, gar nicht wahrgenommen haben, wenn
nicht ein großes Gebetbuch, das ſie unter ihrem zit-
ternden Arme trug, ſie aufmerkſam, und ihren leicht-
ſinnigen Witz munter gemacht haͤtte.
Haben viele unſrer Gelehrten wohl ein beßres
Schickſal zu erwarten? Jch glaube es nicht. Der
Ruhm der Gelehrten iſt beynahe noch vergaͤnglicher,
als die Vergoͤtterung der Schoͤnen; denn die Ge-
lehrſamkeit aͤndert die Moden faſt noch oͤfter, als das
Frauenzimmer. Syſtemata der verſchiednen
Diſciplinen, die vor wenig Jahren auf hohen Schu-
len bewundert wurden, ſind itzt laͤcherlich. Qven-
ſtaͤdt muß aufs Land zu den Dorfpfarren fluͤchten,
und vielleicht weis in zehen Jahren kein Gerichts-
verwalter etwas mehr von Ludewigs Anzeigen, es
muͤßte ihn denn ſeine Vorrede verewigen. Dich-
ter, welche nicht ſicher auf der Straße gehen konn-
ten, ohne von Buchhaͤndlern und Kaufmannsdien-
nern bewundert zu werden; dieſe gedemuͤthigten
Dich-
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