Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

von Swifts letztem Willen.
sorge, und ich glaube, man kann nicht genug ei-
len, ihn dahin zu bringen. Sein Großvater war
ein ziemlich elender Poet, aber doch noch erträg-
lich, weil er nur wenig schrieb. Dessen Sohn, der
Vater meines jungen Züchtlings, war schon weit
schlimmer. Er schrieb Gedichte über Gedichte, so
schlecht, daß selbst die Niederländer darüber spotte-
ten, ja, was das erschrecklichste war, so ließ er
seine Gedichte in einen Band zusammendrucken.
Der junge Swallow, ein würdiger Erbe seines
Vaters, hat schon ein ziemliches Bändchen von sei-
nen eignen Gedichten im Manuscripte liegen, wel-
ches er zu ediren droht, so bald er mündig wird.
Es ist hohe Zeit, daß man ihm Einhalt thut.
Machte ich nicht bald Anstalt, ihn in Sicherheit zu
bringen: So würde ich es bey unsern Kindern nicht
verantworten können. Unsre Enkel würden noch
am glücklichsten seyn; denn bis zu ihnen dürfte von
seinen poetischen Werken wohl vermuthlich nichts
kommen. Was für Unglück brächte ich nicht über
das arme Land, wenn ich zuließe, daß durch unsern
jungen Dichter sein Geschlecht fortgepflanzt würde!
Es scheint, daß das Uebel in dieser poetischen Fa-
milie mit jedem Grade steigt; und sollte dieser wie-
der einen Sohn zeugen: Was ist gewisser zu befürch-
ten, als daß man denselben gar an Ketten schließen,
und ihm die Hände auf dem Rücken zusammen fes-
seln müßte, damit er nicht schreiben könnte? Da der
Großvater abgeschmackt, der Sohn ein Narr war,
und der Enkel seinen Vater schon itzt übertrifft:

Was

von Swifts letztem Willen.
ſorge, und ich glaube, man kann nicht genug ei-
len, ihn dahin zu bringen. Sein Großvater war
ein ziemlich elender Poet, aber doch noch ertraͤg-
lich, weil er nur wenig ſchrieb. Deſſen Sohn, der
Vater meines jungen Zuͤchtlings, war ſchon weit
ſchlimmer. Er ſchrieb Gedichte uͤber Gedichte, ſo
ſchlecht, daß ſelbſt die Niederlaͤnder daruͤber ſpotte-
ten, ja, was das erſchrecklichſte war, ſo ließ er
ſeine Gedichte in einen Band zuſammendrucken.
Der junge Swallow, ein wuͤrdiger Erbe ſeines
Vaters, hat ſchon ein ziemliches Baͤndchen von ſei-
nen eignen Gedichten im Manuſcripte liegen, wel-
ches er zu ediren droht, ſo bald er muͤndig wird.
Es iſt hohe Zeit, daß man ihm Einhalt thut.
Machte ich nicht bald Anſtalt, ihn in Sicherheit zu
bringen: So wuͤrde ich es bey unſern Kindern nicht
verantworten koͤnnen. Unſre Enkel wuͤrden noch
am gluͤcklichſten ſeyn; denn bis zu ihnen duͤrfte von
ſeinen poetiſchen Werken wohl vermuthlich nichts
kommen. Was fuͤr Ungluͤck braͤchte ich nicht uͤber
das arme Land, wenn ich zuließe, daß durch unſern
jungen Dichter ſein Geſchlecht fortgepflanzt wuͤrde!
Es ſcheint, daß das Uebel in dieſer poetiſchen Fa-
milie mit jedem Grade ſteigt; und ſollte dieſer wie-
der einen Sohn zeugen: Was iſt gewiſſer zu befuͤrch-
ten, als daß man denſelben gar an Ketten ſchließen,
und ihm die Haͤnde auf dem Ruͤcken zuſammen feſ-
ſeln muͤßte, damit er nicht ſchreiben koͤnnte? Da der
Großvater abgeſchmackt, der Sohn ein Narr war,
und der Enkel ſeinen Vater ſchon itzt uͤbertrifft:

Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <p><pb facs="#f0251" n="251"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Swifts letztem Willen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;orge, und ich glaube, man kann nicht genug ei-<lb/>
len, ihn dahin zu bringen. Sein Großvater war<lb/>
ein ziemlich elender Poet, aber doch noch ertra&#x0364;g-<lb/>
lich, weil er nur wenig &#x017F;chrieb. De&#x017F;&#x017F;en Sohn, der<lb/>
Vater meines jungen Zu&#x0364;chtlings, war &#x017F;chon weit<lb/>
&#x017F;chlimmer. Er &#x017F;chrieb Gedichte u&#x0364;ber Gedichte, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlecht, daß &#x017F;elb&#x017F;t die Niederla&#x0364;nder daru&#x0364;ber &#x017F;potte-<lb/>
ten, ja, was das er&#x017F;chrecklich&#x017F;te war, &#x017F;o ließ er<lb/>
&#x017F;eine Gedichte in einen Band zu&#x017F;ammendrucken.<lb/>
Der junge <hi rendition="#fr">Swallow,</hi> ein wu&#x0364;rdiger Erbe &#x017F;eines<lb/>
Vaters, hat &#x017F;chon ein ziemliches Ba&#x0364;ndchen von &#x017F;ei-<lb/>
nen eignen Gedichten im Manu&#x017F;cripte liegen, wel-<lb/>
ches er zu ediren droht, &#x017F;o bald er mu&#x0364;ndig wird.<lb/>
Es i&#x017F;t hohe Zeit, daß man ihm Einhalt thut.<lb/>
Machte ich nicht bald An&#x017F;talt, ihn in Sicherheit zu<lb/>
bringen: So wu&#x0364;rde ich es bey un&#x017F;ern Kindern nicht<lb/>
verantworten ko&#x0364;nnen. Un&#x017F;re Enkel wu&#x0364;rden noch<lb/>
am glu&#x0364;cklich&#x017F;ten &#x017F;eyn; denn bis zu ihnen du&#x0364;rfte von<lb/>
&#x017F;einen poeti&#x017F;chen Werken wohl vermuthlich nichts<lb/>
kommen. Was fu&#x0364;r Unglu&#x0364;ck bra&#x0364;chte ich nicht u&#x0364;ber<lb/>
das arme Land, wenn ich zuließe, daß durch un&#x017F;ern<lb/>
jungen Dichter &#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht fortgepflanzt wu&#x0364;rde!<lb/>
Es &#x017F;cheint, daß das Uebel in die&#x017F;er poeti&#x017F;chen Fa-<lb/>
milie mit jedem Grade &#x017F;teigt; und &#x017F;ollte die&#x017F;er wie-<lb/>
der einen Sohn zeugen: Was i&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;er zu befu&#x0364;rch-<lb/>
ten, als daß man den&#x017F;elben gar an Ketten &#x017F;chließen,<lb/>
und ihm die Ha&#x0364;nde auf dem Ru&#x0364;cken zu&#x017F;ammen fe&#x017F;-<lb/>
&#x017F;eln mu&#x0364;ßte, damit er nicht &#x017F;chreiben ko&#x0364;nnte? Da der<lb/>
Großvater abge&#x017F;chmackt, der Sohn ein Narr war,<lb/>
und der Enkel &#x017F;einen Vater &#x017F;chon itzt u&#x0364;bertrifft:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0251] von Swifts letztem Willen. ſorge, und ich glaube, man kann nicht genug ei- len, ihn dahin zu bringen. Sein Großvater war ein ziemlich elender Poet, aber doch noch ertraͤg- lich, weil er nur wenig ſchrieb. Deſſen Sohn, der Vater meines jungen Zuͤchtlings, war ſchon weit ſchlimmer. Er ſchrieb Gedichte uͤber Gedichte, ſo ſchlecht, daß ſelbſt die Niederlaͤnder daruͤber ſpotte- ten, ja, was das erſchrecklichſte war, ſo ließ er ſeine Gedichte in einen Band zuſammendrucken. Der junge Swallow, ein wuͤrdiger Erbe ſeines Vaters, hat ſchon ein ziemliches Baͤndchen von ſei- nen eignen Gedichten im Manuſcripte liegen, wel- ches er zu ediren droht, ſo bald er muͤndig wird. Es iſt hohe Zeit, daß man ihm Einhalt thut. Machte ich nicht bald Anſtalt, ihn in Sicherheit zu bringen: So wuͤrde ich es bey unſern Kindern nicht verantworten koͤnnen. Unſre Enkel wuͤrden noch am gluͤcklichſten ſeyn; denn bis zu ihnen duͤrfte von ſeinen poetiſchen Werken wohl vermuthlich nichts kommen. Was fuͤr Ungluͤck braͤchte ich nicht uͤber das arme Land, wenn ich zuließe, daß durch unſern jungen Dichter ſein Geſchlecht fortgepflanzt wuͤrde! Es ſcheint, daß das Uebel in dieſer poetiſchen Fa- milie mit jedem Grade ſteigt; und ſollte dieſer wie- der einen Sohn zeugen: Was iſt gewiſſer zu befuͤrch- ten, als daß man denſelben gar an Ketten ſchließen, und ihm die Haͤnde auf dem Ruͤcken zuſammen feſ- ſeln muͤßte, damit er nicht ſchreiben koͤnnte? Da der Großvater abgeſchmackt, der Sohn ein Narr war, und der Enkel ſeinen Vater ſchon itzt uͤbertrifft: Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/251
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/251>, abgerufen am 21.11.2024.