[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Geheime Nachricht Was soll aus dem Urenkel werden? Man sperreihn ein! Er hat es verdient, und verdient es schon dadurch, daß er die elenden Gedichte seines Vaters bewundert, und im Begriffe steht, sie mit einer Vorrede zum zweytenmale auflegen zu lassen. Er fängt schon an, seine eignen Gedichte andern vorzu- lesen. Auf der Gasse so gar fällt er die Leute an, und liest sie ihnen mit Gewalt vor. Er ist mis- vergnügt, wenn man sie nicht lobt, und unversöhn- lich, wenn man sie tadelt. Ungeachtet seiner Ju- gend kann er doch schon schimpfen, wie ein Kunst- richter von funfzig Jahren. Was soll endlich noch daraus werden? Jns Tollhaus mit ihm! Dieses ist mein letzter Wille. Wenn ich unsern Math. Pidgeon, diesen haus
Geheime Nachricht Was ſoll aus dem Urenkel werden? Man ſperreihn ein! Er hat es verdient, und verdient es ſchon dadurch, daß er die elenden Gedichte ſeines Vaters bewundert, und im Begriffe ſteht, ſie mit einer Vorrede zum zweytenmale auflegen zu laſſen. Er faͤngt ſchon an, ſeine eignen Gedichte andern vorzu- leſen. Auf der Gaſſe ſo gar faͤllt er die Leute an, und lieſt ſie ihnen mit Gewalt vor. Er iſt mis- vergnuͤgt, wenn man ſie nicht lobt, und unverſoͤhn- lich, wenn man ſie tadelt. Ungeachtet ſeiner Ju- gend kann er doch ſchon ſchimpfen, wie ein Kunſt- richter von funfzig Jahren. Was ſoll endlich noch daraus werden? Jns Tollhaus mit ihm! Dieſes iſt mein letzter Wille. Wenn ich unſern Math. Pidgeon, dieſen haus
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Geheime Nachricht
Was ſoll aus dem Urenkel werden? Man ſperre
ihn ein! Er hat es verdient, und verdient es ſchon
dadurch, daß er die elenden Gedichte ſeines Vaters
bewundert, und im Begriffe ſteht, ſie mit einer
Vorrede zum zweytenmale auflegen zu laſſen. Er
faͤngt ſchon an, ſeine eignen Gedichte andern vorzu-
leſen. Auf der Gaſſe ſo gar faͤllt er die Leute an,
und lieſt ſie ihnen mit Gewalt vor. Er iſt mis-
vergnuͤgt, wenn man ſie nicht lobt, und unverſoͤhn-
lich, wenn man ſie tadelt. Ungeachtet ſeiner Ju-
gend kann er doch ſchon ſchimpfen, wie ein Kunſt-
richter von funfzig Jahren. Was ſoll endlich noch
daraus werden? Jns Tollhaus mit ihm! Dieſes
iſt mein letzter Wille.
Wenn ich unſern Math. Pidgeon, dieſen
verſchwenderiſchen Juͤngling, fragen wollte, was
mit ſeinem alten geizigen Oheime, Hugh-Poun-
ces, anzufangen waͤre: So zweifle ich nicht, er
wuͤrde mir mit der groͤßten Ungeduld in die Rede
fallen, und mich von ganzem Herzen verſichern, daß
ſein Oheim ein Narr ſey, und in mein Tollhaus
gehoͤre. Nun getraue ich mir zwar eben nicht, zu
laͤugnen, daß Pounces ein Narr ſey, wenn ich
ſehe, daß er alle erſinnliche Anſtalt macht, auf
dem Geldkaſten Hungers zu ſterben, und ſein Ver-
moͤgen dem jungen Pidgeon zu hinterlaſſen, wel-
cher in einem Tage mehr verthun wird, als er in
einem ganzen Jahre erkargen koͤnnen. Aber doch
kann ich mich nicht entſchließen, ihn in mein Toll-
haus
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