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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von Swifts letztem Willen.
haus zu nehmen. Jch werde billiger seyn, wenn
ich diese Stelle unserm leichtsinnigen Jünglinge
einräume. Es ist in der Philosophie noch eine
große Streitfrage, welcher von beiden der größte
Narr sey? Derjenige, welcher bey seinem mistraui-
schen Alter, als ein reicher Geizhals, verhungert?
Oder ein unbesonnener Jüngling, welcher ein Ver-
mögen, das er nicht erworben hat, muthwillig
durchbringt, damit er im Alter aus Armuth Hun-
gers sterbe? Wenigstens ist jener dem gemeinen We-
sen nicht so sehr zur Last, da im Gegentheile die Obrig-
keit sich genöthigt sieht, diesen entweder, als einen
Räuber, zu hängen, oder, als einen ehrlichen Bett-
ler, im Hospitale zu ernähren. Ein Geizhals, wel-
cher sich von seinem Geldkasten niemals zu weit
entfernt, ist gewissermaaßen schon eingesperrt. War-
um soll ich ihn in meinem Tollhause verschließen?
Jch will also, man bringe den jungen Math.
Pidgeon
dahin. Hier soll er bleiben, bis er
dreyßig Jahr alt ist. Müßig darf er nicht gehen;
denn eben dieses ist sein Unglück. Er soll weder
Mittags noch Abends etwas zu essen bekommen,
wenn er nicht vorher mit seiner Hand so viel ver-
dient hat, als sein Essen kostet. Auf solche Weise
wird er erfahren, wie schwer es sey, seinen Unter-
halt zu verdienen. Man gebe ihm seines Oheims
Jntereßrechnungen, diese soll er calculiren, damit
er rechnen lerne. Jch hoffe, wenn man ihn so
weit bringt, daß er arbeitet und rechnet, so wird
man ihn im dreyßigsten Jahre seines Alters ohne

Beden-

von Swifts letztem Willen.
haus zu nehmen. Jch werde billiger ſeyn, wenn
ich dieſe Stelle unſerm leichtſinnigen Juͤnglinge
einraͤume. Es iſt in der Philoſophie noch eine
große Streitfrage, welcher von beiden der groͤßte
Narr ſey? Derjenige, welcher bey ſeinem mistraui-
ſchen Alter, als ein reicher Geizhals, verhungert?
Oder ein unbeſonnener Juͤngling, welcher ein Ver-
moͤgen, das er nicht erworben hat, muthwillig
durchbringt, damit er im Alter aus Armuth Hun-
gers ſterbe? Wenigſtens iſt jener dem gemeinen We-
ſen nicht ſo ſehr zur Laſt, da im Gegentheile die Obrig-
keit ſich genoͤthigt ſieht, dieſen entweder, als einen
Raͤuber, zu haͤngen, oder, als einen ehrlichen Bett-
ler, im Hoſpitale zu ernaͤhren. Ein Geizhals, wel-
cher ſich von ſeinem Geldkaſten niemals zu weit
entfernt, iſt gewiſſermaaßen ſchon eingeſperrt. War-
um ſoll ich ihn in meinem Tollhauſe verſchließen?
Jch will alſo, man bringe den jungen Math.
Pidgeon
dahin. Hier ſoll er bleiben, bis er
dreyßig Jahr alt iſt. Muͤßig darf er nicht gehen;
denn eben dieſes iſt ſein Ungluͤck. Er ſoll weder
Mittags noch Abends etwas zu eſſen bekommen,
wenn er nicht vorher mit ſeiner Hand ſo viel ver-
dient hat, als ſein Eſſen koſtet. Auf ſolche Weiſe
wird er erfahren, wie ſchwer es ſey, ſeinen Unter-
halt zu verdienen. Man gebe ihm ſeines Oheims
Jntereßrechnungen, dieſe ſoll er calculiren, damit
er rechnen lerne. Jch hoffe, wenn man ihn ſo
weit bringt, daß er arbeitet und rechnet, ſo wird
man ihn im dreyßigſten Jahre ſeines Alters ohne

Beden-
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[253/0253] von Swifts letztem Willen. haus zu nehmen. Jch werde billiger ſeyn, wenn ich dieſe Stelle unſerm leichtſinnigen Juͤnglinge einraͤume. Es iſt in der Philoſophie noch eine große Streitfrage, welcher von beiden der groͤßte Narr ſey? Derjenige, welcher bey ſeinem mistraui- ſchen Alter, als ein reicher Geizhals, verhungert? Oder ein unbeſonnener Juͤngling, welcher ein Ver- moͤgen, das er nicht erworben hat, muthwillig durchbringt, damit er im Alter aus Armuth Hun- gers ſterbe? Wenigſtens iſt jener dem gemeinen We- ſen nicht ſo ſehr zur Laſt, da im Gegentheile die Obrig- keit ſich genoͤthigt ſieht, dieſen entweder, als einen Raͤuber, zu haͤngen, oder, als einen ehrlichen Bett- ler, im Hoſpitale zu ernaͤhren. Ein Geizhals, wel- cher ſich von ſeinem Geldkaſten niemals zu weit entfernt, iſt gewiſſermaaßen ſchon eingeſperrt. War- um ſoll ich ihn in meinem Tollhauſe verſchließen? Jch will alſo, man bringe den jungen Math. Pidgeon dahin. Hier ſoll er bleiben, bis er dreyßig Jahr alt iſt. Muͤßig darf er nicht gehen; denn eben dieſes iſt ſein Ungluͤck. Er ſoll weder Mittags noch Abends etwas zu eſſen bekommen, wenn er nicht vorher mit ſeiner Hand ſo viel ver- dient hat, als ſein Eſſen koſtet. Auf ſolche Weiſe wird er erfahren, wie ſchwer es ſey, ſeinen Unter- halt zu verdienen. Man gebe ihm ſeines Oheims Jntereßrechnungen, dieſe ſoll er calculiren, damit er rechnen lerne. Jch hoffe, wenn man ihn ſo weit bringt, daß er arbeitet und rechnet, ſo wird man ihn im dreyßigſten Jahre ſeines Alters ohne Beden-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/253>, abgerufen am 21.11.2024.