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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
schuldig ist. Jch bemerkte inzwischen dennoch et-
was niedergeschlagnes an ihr, welches von einer
Scham herrührte, die ich nicht errathen konnte.
Um deswillen nahm ich Gelegenheit, mich bey ei-
nem Schatten, welcher dem Cicero folgte, und sein
Freygelaßner gewesen seyn mochte, darnach zu er-
kundigen. Er hat wohl Ursache, antwortete mir
dieser, niedergeschlagen und beschämt zu seyn, weil
er erfahren, daß man ihn in euerm Lande den un-
erbittlichen Händen eines Geschlechts Preis gege-
ben, welches, unter dem Vorwande, ihn zu ehren,
ihn lächerlich, und, wann es hoch kömmt, aus ei-
nem römischen Consul zu einem lateinischen Sprach-
meister macht. Die größte Betrübniß für ihn ist
noch diese, daß er wegen dieser Mishandlung sich
bey den Göttern seines Landes beschwert, aber zur
Antwort erhalten hat; eben dieses sey die Strafe,
wozu ihn Pluto verdammt, weil man ihm Schuld
gegeben, daß er zum öftern viel Eitels, und einen
unanständigen Hochmuth an sich habe blicken las-
sen, welcher nicht besser gezüchtigt werden könne,
als durch ewige Commentatores. Jch erschrack
über dieses strenge Urtheil des Pluto, welches mir
fast unglaublich vorkommen wollte, wenn ich nicht
durch folgende Begebenheit darinnen bestärkt wor-
den wäre.

Ohngefähr hundert Schritte von uns erblick-
ten wir eine Menge tiefsinniger Seelen in bestaub-
ter Kleidung. Jhre Schritte waren ernsthaft, und
ihr Gang monarchisch. Sie schienen sehr uneinig
unter einander zu seyn, und ie näher sie uns kamen,

desto
Zweyter Theil. D

von den abgeſchiednen Seelen.
ſchuldig iſt. Jch bemerkte inzwiſchen dennoch et-
was niedergeſchlagnes an ihr, welches von einer
Scham herruͤhrte, die ich nicht errathen konnte.
Um deswillen nahm ich Gelegenheit, mich bey ei-
nem Schatten, welcher dem Cicero folgte, und ſein
Freygelaßner geweſen ſeyn mochte, darnach zu er-
kundigen. Er hat wohl Urſache, antwortete mir
dieſer, niedergeſchlagen und beſchaͤmt zu ſeyn, weil
er erfahren, daß man ihn in euerm Lande den un-
erbittlichen Haͤnden eines Geſchlechts Preis gege-
ben, welches, unter dem Vorwande, ihn zu ehren,
ihn laͤcherlich, und, wann es hoch koͤmmt, aus ei-
nem roͤmiſchen Conſul zu einem lateiniſchen Sprach-
meiſter macht. Die groͤßte Betruͤbniß fuͤr ihn iſt
noch dieſe, daß er wegen dieſer Mishandlung ſich
bey den Goͤttern ſeines Landes beſchwert, aber zur
Antwort erhalten hat; eben dieſes ſey die Strafe,
wozu ihn Pluto verdammt, weil man ihm Schuld
gegeben, daß er zum oͤftern viel Eitels, und einen
unanſtaͤndigen Hochmuth an ſich habe blicken laſ-
ſen, welcher nicht beſſer gezuͤchtigt werden koͤnne,
als durch ewige Commentatores. Jch erſchrack
uͤber dieſes ſtrenge Urtheil des Pluto, welches mir
faſt unglaublich vorkommen wollte, wenn ich nicht
durch folgende Begebenheit darinnen beſtaͤrkt wor-
den waͤre.

Ohngefaͤhr hundert Schritte von uns erblick-
ten wir eine Menge tiefſinniger Seelen in beſtaub-
ter Kleidung. Jhre Schritte waren ernſthaft, und
ihr Gang monarchiſch. Sie ſchienen ſehr uneinig
unter einander zu ſeyn, und ie naͤher ſie uns kamen,

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[49/0049] von den abgeſchiednen Seelen. ſchuldig iſt. Jch bemerkte inzwiſchen dennoch et- was niedergeſchlagnes an ihr, welches von einer Scham herruͤhrte, die ich nicht errathen konnte. Um deswillen nahm ich Gelegenheit, mich bey ei- nem Schatten, welcher dem Cicero folgte, und ſein Freygelaßner geweſen ſeyn mochte, darnach zu er- kundigen. Er hat wohl Urſache, antwortete mir dieſer, niedergeſchlagen und beſchaͤmt zu ſeyn, weil er erfahren, daß man ihn in euerm Lande den un- erbittlichen Haͤnden eines Geſchlechts Preis gege- ben, welches, unter dem Vorwande, ihn zu ehren, ihn laͤcherlich, und, wann es hoch koͤmmt, aus ei- nem roͤmiſchen Conſul zu einem lateiniſchen Sprach- meiſter macht. Die groͤßte Betruͤbniß fuͤr ihn iſt noch dieſe, daß er wegen dieſer Mishandlung ſich bey den Goͤttern ſeines Landes beſchwert, aber zur Antwort erhalten hat; eben dieſes ſey die Strafe, wozu ihn Pluto verdammt, weil man ihm Schuld gegeben, daß er zum oͤftern viel Eitels, und einen unanſtaͤndigen Hochmuth an ſich habe blicken laſ- ſen, welcher nicht beſſer gezuͤchtigt werden koͤnne, als durch ewige Commentatores. Jch erſchrack uͤber dieſes ſtrenge Urtheil des Pluto, welches mir faſt unglaublich vorkommen wollte, wenn ich nicht durch folgende Begebenheit darinnen beſtaͤrkt wor- den waͤre. Ohngefaͤhr hundert Schritte von uns erblick- ten wir eine Menge tiefſinniger Seelen in beſtaub- ter Kleidung. Jhre Schritte waren ernſthaft, und ihr Gang monarchiſch. Sie ſchienen ſehr uneinig unter einander zu ſeyn, und ie naͤher ſie uns kamen, deſto Zweyter Theil. D

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/49>, abgerufen am 29.04.2024.