Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

ven den abgeschiednen Seelen.
Es half aber nichts, ich mußte mich gefaßt machen,
seine tiefsinnigen Beurtheilungen von Staatssa-
chen noch einmal auszuhalten. Die Freude war
ganz außerordentlich, die er darüber bezeugte, daß
er mich hier sehen sollte. Hundert Fragen that er
an mich, und ließ mir nicht Zeit, eine einzige zu be-
antworten. "Sie sind doch allemal fein gesund
"gewesen; sagte er? Sie haben sie doch alle wohl
"verlassen? Und Jhre Jungfer Muhme? - - Sie
"werden mich wohl verstehen? Nun das will ich
"eben nicht sagen. Jn der That wollte ich ihr es
"gönnen. Das Mädchen ist gut. Lebt denn der
"alte Hauptmann noch? Jch habe tausend Spaß
"mit ihm gehabt. Was ich Jhnen sage. Der
"konnte recht erzählen, wenn er bey Humor war!
"Den pommerischen Krieg, den wußte er auf ein
"Haar! Ohne Flatterie! Er würde gewiß ganz
"anders abgelaufen seyn, wenn er nicht abgedankt
"hätte. Aber hören Sie nur an. Jch weis nicht,
"das Ding sieht sehr bunt aus. Mit meinem Wil-
"len ist es gar nicht geschehen, daß Prinz Carl
"übern Rhein gieng. Es war doch nun mit alle
"dem, wie es war? Der Franzose, es mag nun
"seyn, wie es will, er ist doch einmal der Franzo-
"se, und ein Christ, so gut als wir. Was ich Jh-
"nen sage. Er hätte es können bleiben lassen,
"Mit alle dem mag der Rhein ein ziemlich breites
"Wasser seyn. Aber hören Sie nur an. Jch den-
"ke, ich denke, es soll bald anders werden. Der
"eine von den Herren Cantons - - Jch will es

Jhnen
Zweyter Theil. E

ven den abgeſchiednen Seelen.
Es half aber nichts, ich mußte mich gefaßt machen,
ſeine tiefſinnigen Beurtheilungen von Staatsſa-
chen noch einmal auszuhalten. Die Freude war
ganz außerordentlich, die er daruͤber bezeugte, daß
er mich hier ſehen ſollte. Hundert Fragen that er
an mich, und ließ mir nicht Zeit, eine einzige zu be-
antworten. „Sie ſind doch allemal fein geſund
„geweſen; ſagte er? Sie haben ſie doch alle wohl
„verlaſſen? Und Jhre Jungfer Muhme? ‒ ‒ Sie
„werden mich wohl verſtehen? Nun das will ich
„eben nicht ſagen. Jn der That wollte ich ihr es
„goͤnnen. Das Maͤdchen iſt gut. Lebt denn der
„alte Hauptmann noch? Jch habe tauſend Spaß
„mit ihm gehabt. Was ich Jhnen ſage. Der
„konnte recht erzaͤhlen, wenn er bey Humor war!
„Den pommeriſchen Krieg, den wußte er auf ein
„Haar! Ohne Flatterie! Er wuͤrde gewiß ganz
„anders abgelaufen ſeyn, wenn er nicht abgedankt
„haͤtte. Aber hoͤren Sie nur an. Jch weis nicht,
„das Ding ſieht ſehr bunt aus. Mit meinem Wil-
„len iſt es gar nicht geſchehen, daß Prinz Carl
„uͤbern Rhein gieng. Es war doch nun mit alle
„dem, wie es war? Der Franzoſe, es mag nun
„ſeyn, wie es will, er iſt doch einmal der Franzo-
„ſe, und ein Chriſt, ſo gut als wir. Was ich Jh-
„nen ſage. Er haͤtte es koͤnnen bleiben laſſen,
„Mit alle dem mag der Rhein ein ziemlich breites
„Waſſer ſeyn. Aber hoͤren Sie nur an. Jch den-
„ke, ich denke, es ſoll bald anders werden. Der
„eine von den Herren Cantons ‒ ‒ Jch will es

Jhnen
Zweyter Theil. E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="65"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">ven den abge&#x017F;chiednen Seelen.</hi></fw><lb/>
Es half aber nichts, ich mußte mich gefaßt machen,<lb/>
&#x017F;eine tief&#x017F;innigen Beurtheilungen von Staats&#x017F;a-<lb/>
chen noch einmal auszuhalten. Die Freude war<lb/>
ganz außerordentlich, die er daru&#x0364;ber bezeugte, daß<lb/>
er mich hier &#x017F;ehen &#x017F;ollte. Hundert Fragen that er<lb/>
an mich, und ließ mir nicht Zeit, eine einzige zu be-<lb/>
antworten. &#x201E;Sie &#x017F;ind doch allemal fein ge&#x017F;und<lb/>
&#x201E;gewe&#x017F;en; &#x017F;agte er? Sie haben &#x017F;ie doch alle wohl<lb/>
&#x201E;verla&#x017F;&#x017F;en? Und Jhre Jungfer Muhme? &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
&#x201E;werden mich wohl ver&#x017F;tehen? Nun das will ich<lb/>
&#x201E;eben nicht &#x017F;agen. Jn der That wollte ich ihr es<lb/>
&#x201E;go&#x0364;nnen. Das Ma&#x0364;dchen i&#x017F;t gut. Lebt denn der<lb/>
&#x201E;alte Hauptmann noch? Jch habe tau&#x017F;end Spaß<lb/>
&#x201E;mit ihm gehabt. Was ich Jhnen &#x017F;age. Der<lb/>
&#x201E;konnte recht erza&#x0364;hlen, wenn er bey Humor war!<lb/>
&#x201E;Den pommeri&#x017F;chen Krieg, den wußte er auf ein<lb/>
&#x201E;Haar! Ohne Flatterie! Er wu&#x0364;rde gewiß ganz<lb/>
&#x201E;anders abgelaufen &#x017F;eyn, wenn er nicht abgedankt<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tte. Aber ho&#x0364;ren Sie nur an. Jch weis nicht,<lb/>
&#x201E;das Ding &#x017F;ieht &#x017F;ehr bunt aus. Mit meinem Wil-<lb/>
&#x201E;len i&#x017F;t es gar nicht ge&#x017F;chehen, daß Prinz Carl<lb/>
&#x201E;u&#x0364;bern Rhein gieng. Es war doch nun mit alle<lb/>
&#x201E;dem, wie es war? Der Franzo&#x017F;e, es mag nun<lb/>
&#x201E;&#x017F;eyn, wie es will, er i&#x017F;t doch einmal der Franzo-<lb/>
&#x201E;&#x017F;e, und ein Chri&#x017F;t, &#x017F;o gut als wir. Was ich Jh-<lb/>
&#x201E;nen &#x017F;age. Er ha&#x0364;tte es ko&#x0364;nnen bleiben la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x201E;Mit alle dem mag der Rhein ein ziemlich breites<lb/>
&#x201E;Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn. Aber ho&#x0364;ren Sie nur an. Jch den-<lb/>
&#x201E;ke, ich denke, es &#x017F;oll bald anders werden. Der<lb/>
&#x201E;eine von den Herren Cantons &#x2012; &#x2012; Jch will es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Zweyter Theil. E</fw><fw place="bottom" type="catch">Jhnen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0065] ven den abgeſchiednen Seelen. Es half aber nichts, ich mußte mich gefaßt machen, ſeine tiefſinnigen Beurtheilungen von Staatsſa- chen noch einmal auszuhalten. Die Freude war ganz außerordentlich, die er daruͤber bezeugte, daß er mich hier ſehen ſollte. Hundert Fragen that er an mich, und ließ mir nicht Zeit, eine einzige zu be- antworten. „Sie ſind doch allemal fein geſund „geweſen; ſagte er? Sie haben ſie doch alle wohl „verlaſſen? Und Jhre Jungfer Muhme? ‒ ‒ Sie „werden mich wohl verſtehen? Nun das will ich „eben nicht ſagen. Jn der That wollte ich ihr es „goͤnnen. Das Maͤdchen iſt gut. Lebt denn der „alte Hauptmann noch? Jch habe tauſend Spaß „mit ihm gehabt. Was ich Jhnen ſage. Der „konnte recht erzaͤhlen, wenn er bey Humor war! „Den pommeriſchen Krieg, den wußte er auf ein „Haar! Ohne Flatterie! Er wuͤrde gewiß ganz „anders abgelaufen ſeyn, wenn er nicht abgedankt „haͤtte. Aber hoͤren Sie nur an. Jch weis nicht, „das Ding ſieht ſehr bunt aus. Mit meinem Wil- „len iſt es gar nicht geſchehen, daß Prinz Carl „uͤbern Rhein gieng. Es war doch nun mit alle „dem, wie es war? Der Franzoſe, es mag nun „ſeyn, wie es will, er iſt doch einmal der Franzo- „ſe, und ein Chriſt, ſo gut als wir. Was ich Jh- „nen ſage. Er haͤtte es koͤnnen bleiben laſſen, „Mit alle dem mag der Rhein ein ziemlich breites „Waſſer ſeyn. Aber hoͤren Sie nur an. Jch den- „ke, ich denke, es ſoll bald anders werden. Der „eine von den Herren Cantons ‒ ‒ Jch will es Jhnen Zweyter Theil. E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/65
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/65>, abgerufen am 24.11.2024.