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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
neuen Processe auf neue Unflätereyen sinnt, und
so glücklich ist, durch diesen Witz einen beyfälligen
Richter zu behalten. So grausam er gegen die
Unterthanen seines Fürsten ist, so ein harter Va-
ter ist er auch. Er hat sich zum drittenmale ver-
heirathet, und, welches bey ihm fast unglaublich
ist, er hat zum drittenmale eine vernünftige Frau
bekommen. Wie glücklich wäre diese Elende,
wenn er zum drittenmale zum Wittwer würde!
Sie hat es einmal gewagt, die Thränen einer ge-
drückten Gemeine sich bewegen zu lassen, und für
sie zu bitten; dieses Mitleiden findet er so wider-
natürlich, daß er es sie noch itzt empfinden läßt.
Seine Kinder sind so tugendhaft und vernünftig,
daß sie wohl verdienten, seine Kinder nicht zu seyn.
Wären sie ihm ähnlicher, so würde er sie mehr lieben.

Glauben Sie wohl, Gnädiger Herr, daß
man, dieses häßlichen Charakters ungeachtet, den-
noch fast eine Stunde lang mit Vergnügen in sei-
ner Gesellschaft seyn kann? Wirklich kann man es
so lange seyn; aber man muß sich seiner Schwäche
zu bedienen wissen. Jch habe es versucht. Jch
ließ mich bey ihm melden, als ein Mann, der die
Ehre zu haben wünschte, ihn kennen zu lernen,
und ihm seine unterthänige Aufwartung zu ma-
chen. Er nahm mich an, nachdem mich ein alter
Bedienter, welcher Kutscher, und Gärtner, und
Koch und Schreiber zugleich war, an der Trep-
pe empfieng, und im Pompe durch drey große Sä-
le, eine Küche und zwo Vorrathskammern in

das

Satyriſche Briefe.
neuen Proceſſe auf neue Unflaͤtereyen ſinnt, und
ſo gluͤcklich iſt, durch dieſen Witz einen beyfaͤlligen
Richter zu behalten. So grauſam er gegen die
Unterthanen ſeines Fuͤrſten iſt, ſo ein harter Va-
ter iſt er auch. Er hat ſich zum drittenmale ver-
heirathet, und, welches bey ihm faſt unglaublich
iſt, er hat zum drittenmale eine vernuͤnftige Frau
bekommen. Wie gluͤcklich waͤre dieſe Elende,
wenn er zum drittenmale zum Wittwer wuͤrde!
Sie hat es einmal gewagt, die Thraͤnen einer ge-
druͤckten Gemeine ſich bewegen zu laſſen, und fuͤr
ſie zu bitten; dieſes Mitleiden findet er ſo wider-
natuͤrlich, daß er es ſie noch itzt empfinden laͤßt.
Seine Kinder ſind ſo tugendhaft und vernuͤnftig,
daß ſie wohl verdienten, ſeine Kinder nicht zu ſeyn.
Waͤren ſie ihm aͤhnlicher, ſo wuͤrde er ſie mehr lieben.

Glauben Sie wohl, Gnaͤdiger Herr, daß
man, dieſes haͤßlichen Charakters ungeachtet, den-
noch faſt eine Stunde lang mit Vergnuͤgen in ſei-
ner Geſellſchaft ſeyn kann? Wirklich kann man es
ſo lange ſeyn; aber man muß ſich ſeiner Schwaͤche
zu bedienen wiſſen. Jch habe es verſucht. Jch
ließ mich bey ihm melden, als ein Mann, der die
Ehre zu haben wuͤnſchte, ihn kennen zu lernen,
und ihm ſeine unterthaͤnige Aufwartung zu ma-
chen. Er nahm mich an, nachdem mich ein alter
Bedienter, welcher Kutſcher, und Gaͤrtner, und
Koch und Schreiber zugleich war, an der Trep-
pe empfieng, und im Pompe durch drey große Saͤ-
le, eine Kuͤche und zwo Vorrathskammern in

das
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[148/0176] Satyriſche Briefe. neuen Proceſſe auf neue Unflaͤtereyen ſinnt, und ſo gluͤcklich iſt, durch dieſen Witz einen beyfaͤlligen Richter zu behalten. So grauſam er gegen die Unterthanen ſeines Fuͤrſten iſt, ſo ein harter Va- ter iſt er auch. Er hat ſich zum drittenmale ver- heirathet, und, welches bey ihm faſt unglaublich iſt, er hat zum drittenmale eine vernuͤnftige Frau bekommen. Wie gluͤcklich waͤre dieſe Elende, wenn er zum drittenmale zum Wittwer wuͤrde! Sie hat es einmal gewagt, die Thraͤnen einer ge- druͤckten Gemeine ſich bewegen zu laſſen, und fuͤr ſie zu bitten; dieſes Mitleiden findet er ſo wider- natuͤrlich, daß er es ſie noch itzt empfinden laͤßt. Seine Kinder ſind ſo tugendhaft und vernuͤnftig, daß ſie wohl verdienten, ſeine Kinder nicht zu ſeyn. Waͤren ſie ihm aͤhnlicher, ſo wuͤrde er ſie mehr lieben. Glauben Sie wohl, Gnaͤdiger Herr, daß man, dieſes haͤßlichen Charakters ungeachtet, den- noch faſt eine Stunde lang mit Vergnuͤgen in ſei- ner Geſellſchaft ſeyn kann? Wirklich kann man es ſo lange ſeyn; aber man muß ſich ſeiner Schwaͤche zu bedienen wiſſen. Jch habe es verſucht. Jch ließ mich bey ihm melden, als ein Mann, der die Ehre zu haben wuͤnſchte, ihn kennen zu lernen, und ihm ſeine unterthaͤnige Aufwartung zu ma- chen. Er nahm mich an, nachdem mich ein alter Bedienter, welcher Kutſcher, und Gaͤrtner, und Koch und Schreiber zugleich war, an der Trep- pe empfieng, und im Pompe durch drey große Saͤ- le, eine Kuͤche und zwo Vorrathskammern in das

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/176>, abgerufen am 27.11.2024.