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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
wie eine Eule aus. Mein Sterbekleid aber - - -
Hier trat der Geistliche ins Zimmer. Kommen
sie, Herr Beichtvater, kommen sie zu mir her.
Gott hat mir die Gnade gegeben, daß ich mich
auf alle Fälle fassen können. Vielleicht fristet
mir der Himmel das Leben noch; inzwischen will
ich doch als eine gute Christinn, mich zu meiner
Hinfahrt bereiten. Der Geistliche war über diese
geschwinde Veränderung erstaunt, und schickte sich
an, seine Kranke die letzte Handlung eines sterben-
den Christen verrichten zu lassen. Jch wollte mit
den übrigen aus der Stube gehen, und sie allein las-
sen: Aber sie hielt mich fest beym Rocke, und sagte
ganz sachte zu mir: Sie müssen bey mir bleiben;
ich habe noch verschiedenes mit ihnen zu reden.
Jch blieb also bey ihr, und bewunderte nunmehr
ihre wahre Standhaftigkeit, mit welcher sie die
Vermahnungen des Geistlichen hörte, und ihren
Tod mit einer zuversichtlichen Gelassenheit zu er-
warten schien. Ueber dieser andächtigen Hand-
lung mochte fast eine halbe Stunde verstrichen
seyn. Jhre Freunde traten wieder ins Zimmer,
und sie ward so matt, daß sie in eine Ohnmacht
fiel. Durch viele Mühe kam sie wieder zu sich
selbst. Sie fragte, wo ich wäre, und ich stund
bey ihr; aber die Augen waren schon trübe. Sie
faßte mich wieder bey der Hand: Nur noch ein
Wort, Herr Schwager; denn ich fühle es, es
wird bald das Letzte seyn. Zu meinem Sterbe-
kleide nehmen sie weißen Atlaß, so rein sie ihn kau-
fen können. Wir wollen es mit silbernen Spitzen

bese-

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
wie eine Eule aus. Mein Sterbekleid aber ‒ ‒ ‒
Hier trat der Geiſtliche ins Zimmer. Kommen
ſie, Herr Beichtvater, kommen ſie zu mir her.
Gott hat mir die Gnade gegeben, daß ich mich
auf alle Faͤlle faſſen koͤnnen. Vielleicht friſtet
mir der Himmel das Leben noch; inzwiſchen will
ich doch als eine gute Chriſtinn, mich zu meiner
Hinfahrt bereiten. Der Geiſtliche war uͤber dieſe
geſchwinde Veraͤnderung erſtaunt, und ſchickte ſich
an, ſeine Kranke die letzte Handlung eines ſterben-
den Chriſten verrichten zu laſſen. Jch wollte mit
den uͤbrigen aus der Stube gehen, und ſie allein laſ-
ſen: Aber ſie hielt mich feſt beym Rocke, und ſagte
ganz ſachte zu mir: Sie muͤſſen bey mir bleiben;
ich habe noch verſchiedenes mit ihnen zu reden.
Jch blieb alſo bey ihr, und bewunderte nunmehr
ihre wahre Standhaftigkeit, mit welcher ſie die
Vermahnungen des Geiſtlichen hoͤrte, und ihren
Tod mit einer zuverſichtlichen Gelaſſenheit zu er-
warten ſchien. Ueber dieſer andaͤchtigen Hand-
lung mochte faſt eine halbe Stunde verſtrichen
ſeyn. Jhre Freunde traten wieder ins Zimmer,
und ſie ward ſo matt, daß ſie in eine Ohnmacht
fiel. Durch viele Muͤhe kam ſie wieder zu ſich
ſelbſt. Sie fragte, wo ich waͤre, und ich ſtund
bey ihr; aber die Augen waren ſchon truͤbe. Sie
faßte mich wieder bey der Hand: Nur noch ein
Wort, Herr Schwager; denn ich fuͤhle es, es
wird bald das Letzte ſeyn. Zu meinem Sterbe-
kleide nehmen ſie weißen Atlaß, ſo rein ſie ihn kau-
fen koͤnnen. Wir wollen es mit ſilbernen Spitzen

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[159/0181] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. wie eine Eule aus. Mein Sterbekleid aber ‒ ‒ ‒ Hier trat der Geiſtliche ins Zimmer. Kommen ſie, Herr Beichtvater, kommen ſie zu mir her. Gott hat mir die Gnade gegeben, daß ich mich auf alle Faͤlle faſſen koͤnnen. Vielleicht friſtet mir der Himmel das Leben noch; inzwiſchen will ich doch als eine gute Chriſtinn, mich zu meiner Hinfahrt bereiten. Der Geiſtliche war uͤber dieſe geſchwinde Veraͤnderung erſtaunt, und ſchickte ſich an, ſeine Kranke die letzte Handlung eines ſterben- den Chriſten verrichten zu laſſen. Jch wollte mit den uͤbrigen aus der Stube gehen, und ſie allein laſ- ſen: Aber ſie hielt mich feſt beym Rocke, und ſagte ganz ſachte zu mir: Sie muͤſſen bey mir bleiben; ich habe noch verſchiedenes mit ihnen zu reden. Jch blieb alſo bey ihr, und bewunderte nunmehr ihre wahre Standhaftigkeit, mit welcher ſie die Vermahnungen des Geiſtlichen hoͤrte, und ihren Tod mit einer zuverſichtlichen Gelaſſenheit zu er- warten ſchien. Ueber dieſer andaͤchtigen Hand- lung mochte faſt eine halbe Stunde verſtrichen ſeyn. Jhre Freunde traten wieder ins Zimmer, und ſie ward ſo matt, daß ſie in eine Ohnmacht fiel. Durch viele Muͤhe kam ſie wieder zu ſich ſelbſt. Sie fragte, wo ich waͤre, und ich ſtund bey ihr; aber die Augen waren ſchon truͤbe. Sie faßte mich wieder bey der Hand: Nur noch ein Wort, Herr Schwager; denn ich fuͤhle es, es wird bald das Letzte ſeyn. Zu meinem Sterbe- kleide nehmen ſie weißen Atlaß, ſo rein ſie ihn kau- fen koͤnnen. Wir wollen es mit ſilbernen Spitzen beſe-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/181>, abgerufen am 23.11.2024.